Feierabend; ... und Ihr beschämt mich schon den ganzen Tag mit Euren guten Worten und Wünschen! Das ist mir richtig peinlich
Hey, was ist los: Keiner mit dem Rad unterwegs?
Die Kekse hatte ich gestern gleich auf dem Rückweg besorgt. Mein Morgen fing mit einer knackigen Laufrunde an, schöööön frisch machen, Königsfrühstück und dann ...
Ich weiß gar nicht, ob ich mir auf den ersten Kilometern gewünscht habe, dass vielleicht ausgerechnet heute niemand an der Straße steht. Von Weitem war zumindest keiner zu erkennen. Als ich an der Stelle vorbeikam, stand der Mann noch vor der Haustür.
"Glück gehabt" dachte ich; "Es gibt heute Plätzchen in der Firma"
Dann bin ich aber noch einen Kringel durch den Ort gefahren und bei der nächsten Runde standen beide dort.
Tja, wie soll ich es erklären. Es sind sicherlich beide Leutchen stark beeinträchtigt, bzw. ich nenne so etwas "betroffen". Sie schauten auch mehr auf den Boden oder in die Richtung, aus der morgens der Kleinbus zum Abholen kommt. Als ich ihnen dann sagte wie ich heiße und das ich selber gebürtiger Isselhorster bin, antworteten sie jeweils auch nur mit "Ja Ja". Ich denke, dass die Beiden in ihrer kleinen glücklichen Welt leben und mit ihren liebgewordenen Routinen und Gewohnheiten gut umgehen können. Zumindest können sie selbstständig wohnen und sich versorgen. Ihn sehe ich manchmal im Sommer draußen, dass er den Rasen mäht. Wenn man den Beiden mal nachmitags im Ort begegnet halten sie sich immer an den Händen. Das sollte ich auch mal öfter mit Frau Essmann machen.
Ich werde mal bei nächster Gelegenheit meine Mutter fragen, ob sie die Beiden kennt. Die kennt nämlich jede Nase in Isselhorst und hat da 40 Jahre "im Laden" gearbeitet. Vorzugsweise an der Frischetheke. So etwas war früher "auf dem Dorf" die zentrale Informationsquelle. Wer da etwas Wichtiges loswerden wollte ging zu "Dressi" und kaufte Wurst.
Als ich mich heute Morgen verabschiedete, gaben mir beide unaufgefordert die Hand und sagten plötzlich "Danke". Das hat mich ganz tief berührt. Ich hatte heute morgen ja schon geschrieben, dass ich beim Weiterfahren richtig heulen musste. Das tat sogar mal richtig gut. Vielleicht können sich die Beiden heute Abend ja auch noch daran erinnern, dass heute morgen irgend etwas anders war. Vielleicht fragen sie sich aber auch nur, wieso da eine Packung Plätzchen in der Küche liegt. Das klingt zwar lustig, soll aber in keiner Weise beleidigend oder herablassend sein.
Ich bewundere die Leute, die tagtäglich Menschen mit einem Handicap betreuen oder pflegen. Ich könnte das nicht. Umso mehr, wenn es sich um Menschen mit geistigen Behinderungen handelt, die sich nicht in der Art und Weise verständlich machen können, wie wir es eigentlich gewohnt sind. Wir haben bei uns in der Firma einen Mtarbeiter, der zu 50% Prozent behindert ist. Der hat aber einen Führerschein und kommt auch selber mit dem Auto. Wir nennen ihn liebevoll "Knaller" und der Umgang mit ihm ist eigentlich nicht sonderlich schwierig. Der wird genauso angemeckert und angeschnauzt, wie alle Anderen auch. Der braucht das auch!
Gut alle zwei Jahre kommt jemand vom Integrationsfachdienst und horcht nach, ob alles in Ordnung ist, ob es Sorgen oder Probleme gibt. Wir erhalten auch einen Zuschuss zum Monatslohn. Sein Betreuer, mit dem ich jetzt bereits mehrfach zu tun hatte, wünscht sich immer, dass er unseren "Knaller" mal zu Hause bei Muttern wegbekommt. Es gibt ja auch genug Einrichtungen, wo diese Menschen miteinander oder im Verbund mit Menschen ohne Beeinträchtigung leben können. Er glaubt, dass würde ihm ganz gut tun. Soweit ist es aber noch nicht gekommen. Vielleicht auch ganz gut so: Unser Spezi ist ein richtiger Westernfan. Der hat eine Gürtelschnalle an der Normalhose, die ist bestimmt so groß wie ein DIN A5-Blatt. Irgendwann hat er sich so einen Nachbau von einem Winchester-Gewehr in die Firma senden lassen. Das durfte Mama nicht wissen. Zwei Tage später haben wir das Paket zurückgeschickt; ... da hatte es Mama gefunden.
Ich kann mich jetzt gar nicht bei jedem Einzelnen von Euch für Eure lieben Worte bedanken und schon gar nicht so intensiv, wie es Jeder hier verdient hätte.
(Bzw. ich könnte es, aber dann würde ich mir wohl erst einmal eine Woche Urlaub nehmen müssen.)
Vielen Dank fürs mitlesen, mitfiebern und mitfühlen. Respekt an Alle, die jeden Tag auf ihre Art und Weise einen kleinen Beitrag zu einem besseren Miteinander leisten.
Es ist schön, dass Ihr Alle da seid!