Servus zusammen,
das Thema Lenker-selbst-in-Leder-einnähen ist hier und in den anderen Foren bisher recht überschaubar.
'Chill' hat das schon gemacht und ein paar Tipps gegeben, so dass ich beschlossen habe, mich an das Thema
heranzuwagen. Ich möchte diesen Beitrag nicht als Anleitung bezeichnen - ich habe das noch nie vorher gemacht - sondern einfach meine Erfahrungen im Umgang mit diesem Material teilen. Ich möchte -mein Fahrrad betreffend- sagen können: "das habe ich selbst gemacht". Das ist meine Haupt-Motivation; und sie steht weit vor dem Anspruch an Perfektion.
Vorab noch einmal recht herzlichen Dank an Chill für die Tipps und die Unterstützung.
Ich fang' mal an.
1. Materialbeschaffung
Internet: vergiss es. Die Suchbegriffe "Leder oder Felle Meterware" bringen viele viele Ergebnisse. Ein Klick auf diese bringt einen zu Online-Stoff-Händlern, die nur Kunstleder führen. Sucht Euch einen Großhändler oder eine Sattlerei und seht Euch das Material vor Ort selbst an. Für Interessierte im Münchener Raum: ich war hier http://www.autosattlerei-muenchen.de/
Die Mitarbeiter sind sehr freundlich, nehmen sich Zeit und erklären einem, was man wissen will.
Nach Chills Hinweis habe ich mich für Kuhleder entschieden. Der Mitarbeiter der Sattlerei sicherte mir zu, dass es zum Nähen geeignet sei. Es war ein Reststück in ca. 120x40cm in Mittelbraun da. Stärke über 2mm. Kostenpunkt: 36,- Auf meinen Wunsch hat er das Fell auf ca. 1,2mm Stärke herunter geschnitten.
2. Werkzeug
Hier hatte ich das Glück, dass ich nichts kaufen musste - mein Schwiegervater hatte noch Werkzeug von seinem Vater. Aber man benötigt nicht viel:
1. Messschieber (zum Messen des Lenkerdurchmessers; aber den hat ohnehin jeder)
2. Maßband
3. Folienstift, Wachsmalkreide o.ä.
4. Cutter (besser Pizzaschneider zum Schneiden des Leders)
5. Inbus (für die Bremsgriffe)
6. Ahle (zum Vorstechen der Nahtlöcher - ein spitz angeschliffener Schraubendreher geht auch)
7. Garn
8. Zwei Leder-Nähnadeln
9. Schere
10. Unterlage (schont Leder und/oder Arbeitstisch)
11. Schüssel mit warmem Wasser
12. Bienenwachs (ich habe eine gewöhnliche Kerze genommen)
13. Eine Flasche Tegernseer Hell (hier stellte sich im Nachhinein heraus, dass das deutlich zu wenig war)
14. Zeit
3. Vorbereitungen
Der Lenkerumfang ist: Durchmesser x 3,14. In meinem Fall waren das etwas über 75mm Umfang. Mit dem Stoffmaßband habe ich grob die benötigte Länge des Streifens gemessen (immer an den Außenradien des Lenkers) und noch gut etwas dazu gezählt. 'Unterwegs' zu merken, dass am Lederende noch viel zu viel Lenker übrig ist, ist ziemlich dämlich. So habe ich einen Streifen mit ca. 550x72mm auf der Lederrückseite angezeichnet und mit dem Cutter ausgeschnitten (Alulineal?). Dann habe ich die Löcher für die Naht angezeichnet - zuerst im 1cm-Abstand. Das ist zu wenig! Ich denke mit 5mm Lochabstand und genauso 5mm Abstand vom Lederrand fährt man ganz gut. Den ausgeschnittenen Lederstreifen habe ich dann auf ein Weichholzbrett gelegt und von der Rückseite die Löcher mit der Ahle gestochen. Ansetzen, kurzer, kontrollierter Schlag mit dem Handballen auf das Heft, fertig. Je genauer man hier arbeitet, desto schöner und gleichmäßiger wird die Naht. Das habe ich -natürlich- erst danach gemerkt.
Jetzt habe ich die Schüssel mit warmem Wasser gefüllt und das Leder rein gelegt - ca. 5min lang. Das ist wichtig! In der Zwischenzeit nahm ich etwa 3m Garn (zu langes Garn ist lästig, aber besser als unterwegs stückeln zu müssen - so wie ich), wickelte es ein mal um eine gewöhnliche Kerze und zog es durch. Jetzt ist es gewachst. Dann band ich an ein und denselben Faden an jedes Ende eine Leder-Nähnadel (anderthalb Rundtörns mit zwei halben Schlägen).
Das Leder ist mittlerweile fertig. Ich nehme es und drücke das Wasser aus (nicht wringen!).
4. Nähen
Jetzt kommt das Tegernseer ins Spiel! Einen ordentlichen Schluck; ab jetzt brauche ich nur noch den Lenker, das Leder und die Nadel-Garn-Kombination. Ich wickele das Leder um den Lenker und es ist eigentlich ein sehr großer Spalt - ca. 5mm. Egal.
Die beiden Nadeln beginnen von aussen an zwei gegenüberliegenden Löchern und wandern dann an das jeweils schräg gegenüber liegende Loch. Heisst das Kreuzstich? Es ist jedenfalls wie das Schuhebinden. Das ist der meditative Teil. Stechen, Garn festziehen (spätestens bei jedem zweiten Loch - man sieht, wie das Wasser aus dem Leder gedrückt wird).
Alles weitere ist schwer zu beschreiben. Aber man entwickelt recht schnell ein Gefühl für das Material. An der ersten Kurve zieht man im Mittelteil des Leders (da wo der Radius am größten ist) stärker, damit es gegenüber des Lenkers (an der Naht) keine Falten bildet.
]
An der Bremshebelschelle habe ich das erste Mal gepfuscht. Ich habe einfach vom Rand eingeschnitten - das wäre gar nicht nötig gewesen. Beim nächsten Mal werde ich folgendes machen: Über dem Mittelpunkt der Bremshebelschelle werde ich mit der Gürtelzange ein Loch in das Leder knipsen und dann vorsichtig und langsam mit diagonalen Schnitten das Loch vergrößern; bis der Leder über die Schelle flutscht. So bleibt die Naht unverletzt und durchgängig.
Generell ist diese Biegung etwas heikler als die Erste. Man muss das Leder immer wieder in Form ziehen und einen evtl. Faltenwurf an der Naht mit der Rückseite des Ahlenhefts platt drücken (weiss es jemand besser?). Ausserdem ist das Leder schon am Trocknen. Auf der Schlussgeraden gerät die Naht leicht aus der Spur. Lass sie. Das kann man korrigieren, wenn das Leder getrocknet ist.
]
Am Lenkerende nähe ich drei bis vier Stiche weiter und beende das mit einem Gegenüber-Stich (Tunnelstich?). Die Nadeln treffen sich in den Löchern. Das mache ich zwei Mal in ein und demselben Loch und verknote das Garn. Übriges Leder und Nadeln abschneiden, Leder in das Lenkerende stülpen. Fertig. Vorerst.
Weiter bin ich noch nicht. Vom Anzeichnen bis zum fertigen halben Lenker habe ich drei Stunden benötigt. Beim zweiten Mal geht das gewiss schneller. Erstens würde ich von Anfang an mehr Tegernseer bereit stellen. Zweitens habe ich zuerst mit Nahtlöchern im 1cm-Abstand begonnen und schnell gemerkt, dass das nicht funktioniert. Also musste ich 5cm wieder auftrennen und nach dem Stechen der zusätzlichen Löcher neu beginnen.
]
So. Wenn man das Material in dieser Größe in einer vernünftigen Form bekommt, schafft man damit zwei Räder (Lenker inkl. Sättel). Das ist ein toller Preis für viel Individualität!
Ich freue mich über weitere Tipps und Erfahrungsberichte.
Schönen Abend noch
Daniel
das Thema Lenker-selbst-in-Leder-einnähen ist hier und in den anderen Foren bisher recht überschaubar.
'Chill' hat das schon gemacht und ein paar Tipps gegeben, so dass ich beschlossen habe, mich an das Thema
heranzuwagen. Ich möchte diesen Beitrag nicht als Anleitung bezeichnen - ich habe das noch nie vorher gemacht - sondern einfach meine Erfahrungen im Umgang mit diesem Material teilen. Ich möchte -mein Fahrrad betreffend- sagen können: "das habe ich selbst gemacht". Das ist meine Haupt-Motivation; und sie steht weit vor dem Anspruch an Perfektion.
Vorab noch einmal recht herzlichen Dank an Chill für die Tipps und die Unterstützung.
Ich fang' mal an.
1. Materialbeschaffung
Internet: vergiss es. Die Suchbegriffe "Leder oder Felle Meterware" bringen viele viele Ergebnisse. Ein Klick auf diese bringt einen zu Online-Stoff-Händlern, die nur Kunstleder führen. Sucht Euch einen Großhändler oder eine Sattlerei und seht Euch das Material vor Ort selbst an. Für Interessierte im Münchener Raum: ich war hier http://www.autosattlerei-muenchen.de/
Die Mitarbeiter sind sehr freundlich, nehmen sich Zeit und erklären einem, was man wissen will.
Nach Chills Hinweis habe ich mich für Kuhleder entschieden. Der Mitarbeiter der Sattlerei sicherte mir zu, dass es zum Nähen geeignet sei. Es war ein Reststück in ca. 120x40cm in Mittelbraun da. Stärke über 2mm. Kostenpunkt: 36,- Auf meinen Wunsch hat er das Fell auf ca. 1,2mm Stärke herunter geschnitten.
2. Werkzeug
Hier hatte ich das Glück, dass ich nichts kaufen musste - mein Schwiegervater hatte noch Werkzeug von seinem Vater. Aber man benötigt nicht viel:
1. Messschieber (zum Messen des Lenkerdurchmessers; aber den hat ohnehin jeder)
2. Maßband
3. Folienstift, Wachsmalkreide o.ä.
4. Cutter (besser Pizzaschneider zum Schneiden des Leders)
5. Inbus (für die Bremsgriffe)
6. Ahle (zum Vorstechen der Nahtlöcher - ein spitz angeschliffener Schraubendreher geht auch)
7. Garn
8. Zwei Leder-Nähnadeln
9. Schere
10. Unterlage (schont Leder und/oder Arbeitstisch)
11. Schüssel mit warmem Wasser
12. Bienenwachs (ich habe eine gewöhnliche Kerze genommen)
13. Eine Flasche Tegernseer Hell (hier stellte sich im Nachhinein heraus, dass das deutlich zu wenig war)
14. Zeit
3. Vorbereitungen
Der Lenkerumfang ist: Durchmesser x 3,14. In meinem Fall waren das etwas über 75mm Umfang. Mit dem Stoffmaßband habe ich grob die benötigte Länge des Streifens gemessen (immer an den Außenradien des Lenkers) und noch gut etwas dazu gezählt. 'Unterwegs' zu merken, dass am Lederende noch viel zu viel Lenker übrig ist, ist ziemlich dämlich. So habe ich einen Streifen mit ca. 550x72mm auf der Lederrückseite angezeichnet und mit dem Cutter ausgeschnitten (Alulineal?). Dann habe ich die Löcher für die Naht angezeichnet - zuerst im 1cm-Abstand. Das ist zu wenig! Ich denke mit 5mm Lochabstand und genauso 5mm Abstand vom Lederrand fährt man ganz gut. Den ausgeschnittenen Lederstreifen habe ich dann auf ein Weichholzbrett gelegt und von der Rückseite die Löcher mit der Ahle gestochen. Ansetzen, kurzer, kontrollierter Schlag mit dem Handballen auf das Heft, fertig. Je genauer man hier arbeitet, desto schöner und gleichmäßiger wird die Naht. Das habe ich -natürlich- erst danach gemerkt.
Jetzt habe ich die Schüssel mit warmem Wasser gefüllt und das Leder rein gelegt - ca. 5min lang. Das ist wichtig! In der Zwischenzeit nahm ich etwa 3m Garn (zu langes Garn ist lästig, aber besser als unterwegs stückeln zu müssen - so wie ich), wickelte es ein mal um eine gewöhnliche Kerze und zog es durch. Jetzt ist es gewachst. Dann band ich an ein und denselben Faden an jedes Ende eine Leder-Nähnadel (anderthalb Rundtörns mit zwei halben Schlägen).
Das Leder ist mittlerweile fertig. Ich nehme es und drücke das Wasser aus (nicht wringen!).
4. Nähen
Jetzt kommt das Tegernseer ins Spiel! Einen ordentlichen Schluck; ab jetzt brauche ich nur noch den Lenker, das Leder und die Nadel-Garn-Kombination. Ich wickele das Leder um den Lenker und es ist eigentlich ein sehr großer Spalt - ca. 5mm. Egal.
Die beiden Nadeln beginnen von aussen an zwei gegenüberliegenden Löchern und wandern dann an das jeweils schräg gegenüber liegende Loch. Heisst das Kreuzstich? Es ist jedenfalls wie das Schuhebinden. Das ist der meditative Teil. Stechen, Garn festziehen (spätestens bei jedem zweiten Loch - man sieht, wie das Wasser aus dem Leder gedrückt wird).
Alles weitere ist schwer zu beschreiben. Aber man entwickelt recht schnell ein Gefühl für das Material. An der ersten Kurve zieht man im Mittelteil des Leders (da wo der Radius am größten ist) stärker, damit es gegenüber des Lenkers (an der Naht) keine Falten bildet.
]
An der Bremshebelschelle habe ich das erste Mal gepfuscht. Ich habe einfach vom Rand eingeschnitten - das wäre gar nicht nötig gewesen. Beim nächsten Mal werde ich folgendes machen: Über dem Mittelpunkt der Bremshebelschelle werde ich mit der Gürtelzange ein Loch in das Leder knipsen und dann vorsichtig und langsam mit diagonalen Schnitten das Loch vergrößern; bis der Leder über die Schelle flutscht. So bleibt die Naht unverletzt und durchgängig.
Generell ist diese Biegung etwas heikler als die Erste. Man muss das Leder immer wieder in Form ziehen und einen evtl. Faltenwurf an der Naht mit der Rückseite des Ahlenhefts platt drücken (weiss es jemand besser?). Ausserdem ist das Leder schon am Trocknen. Auf der Schlussgeraden gerät die Naht leicht aus der Spur. Lass sie. Das kann man korrigieren, wenn das Leder getrocknet ist.
]
Am Lenkerende nähe ich drei bis vier Stiche weiter und beende das mit einem Gegenüber-Stich (Tunnelstich?). Die Nadeln treffen sich in den Löchern. Das mache ich zwei Mal in ein und demselben Loch und verknote das Garn. Übriges Leder und Nadeln abschneiden, Leder in das Lenkerende stülpen. Fertig. Vorerst.
Weiter bin ich noch nicht. Vom Anzeichnen bis zum fertigen halben Lenker habe ich drei Stunden benötigt. Beim zweiten Mal geht das gewiss schneller. Erstens würde ich von Anfang an mehr Tegernseer bereit stellen. Zweitens habe ich zuerst mit Nahtlöchern im 1cm-Abstand begonnen und schnell gemerkt, dass das nicht funktioniert. Also musste ich 5cm wieder auftrennen und nach dem Stechen der zusätzlichen Löcher neu beginnen.
]
So. Wenn man das Material in dieser Größe in einer vernünftigen Form bekommt, schafft man damit zwei Räder (Lenker inkl. Sättel). Das ist ein toller Preis für viel Individualität!
Ich freue mich über weitere Tipps und Erfahrungsberichte.
Schönen Abend noch

Daniel