Interessant und soweit eigentlich bekannt. Die Frage ist für uns Nicht-Profis aber wohl eher, welche Reifenbreite noch problemlos in den Rahmen und durch die
Bremsen passt - und, wie gut wir die wenig rennmäßige Optik ertragen können und wollen.
Gewicht
Das Gewicht ist eigentlich kein soo großes Argument gegen breitere
Reifen am Rennrad, wenn man nur die richtigen nimmt. Der von Panaracer für Rivendell hergestellte "Jack Brown green label" wiegt in 33 mm Breite unter 300 g, der Grand Bois Cyprès kaum mehr; beide sind im Grunde genommen frisierte Paselas, was man auch deutlich sieht. Einen faltbaren Pasela Tourguard 32 mm habe ich gerade mit 350 g gewogen, einen faltbaren
Schwalbe Kojak 35 mm mit 330 g.
Cyprès, Pasela und Kojak rollen, wie sau, den Jack Brown bekommt man in D ja leider nicht. Der Kojak ist aber bei Nässe fürchterlich schlecht und kommt sehr schnell ins Rutschen.
Veloflex Corsa 23 mm wiegen um die 190 g, 25 mm habe ich gerade mit 205 g gewogen (und ganz unabhängig vom Artikel vor einigen Tagen bestellt). Conti
Grand Prix 24 mm habe ich mit 240 g in Erinnerung.
Latexschläuche von
Michelin wiegen in rennradtypischen Größen um die 70 g, hauchdünne Butylschläuche von Conti unter 60 g, beide füllen auch 35er
Reifen noch problemlos aus und halten.
Bleibt also ein Nachteil von durchschnittlich etwa 100 g pro Rad, was außen am Umfang natürlich grausam ist, in Wirklichkeit aber gar nicht sooo sehr auffällt.
Etwa 40 g davon kann man zumindest am Vorderrad durch dünnere Speichen mit 1,5 mm Mittelteil und Alunippel einsparen, weitere 15-20 g durch Glasfilamentband, drei Lagen Tesa oder Veloplugs statt normalem Textilfelgenband.
Bleibt also bei vernünftig gebauten Rädern ein Nachteil von ca. 50 g pro Rad gegenüber Allerweltsrädern mit 23er
Reifen.
Wenn man die Sache vernünftig zu Ende denkt, wäre der völlige Verzicht auf
Schläuche die logische Folge. Dieser Weg ist längst in der Realität angekommen und überzeugt beim MTB auch als simple Bastelarbeit, verlangt beim Rennrad wegen des nötigen Reifendrucks aber eigentlich nach speziellen
Felgen.
Spezielles
Felgenband mit Ventil oder ein zerschnittener, etwas zu kleiner
Schlauch für Ghetto-Tubeless und die nötige
Dichtmilch wiegen etwa so viel, wie ein
Schlauch, aber echte Tubeless-Systeme kommen ohne sowas aus und sparen mit den richtigen
Felgen auch gleich das
Felgenband, weil das Felgenbett sowieso keine Löcher mehr hat. Macht also letztendlich einen Vorteil von etwa 10 g pro Rad gegenüber klassischen Systemen mit 23er
Reifen, wenn man das System wirklich ausreizen würde. Plus weniger Rollwiderstand, weil
Schläuche ja völlig fehlen.
Das "Problem" dabei ist, dass breitere
Reifen eigentlich auch breitere
Felgen brauchen, um ihre Vorteile ausspielen zu können.
35er
Reifen auf richtig schmalen Rennfelgen fahren sich vor allem bei etwas niedrigerem Luftdruck seltsam und schlagen dann auch schneller durch, außerdem erreichen sie ihre angegebene Breite gar nicht. Nachgemessen: Pasela 32 mm auf T217 ist tatsächlich 32 mm breit, auf Reflex aber nur 29.
Eine sinnvoll gemachte, 2-3 mm breitere Felge legt etwa 50-70 g drauf, damit wären wir dann mit Schläuchen wieder bei den ursprünglichen 100 g Mehrgewicht.
American Classic und Hutchinson gehen bei ihren Tubeless-Sachen übrigens den Weg mit etwas breiteren Rennreifen auf etwas breiteren Tubeless-
Felgen und bleiben ohne
Schläuche gerade so eben noch etwas leichter, als klassische Systeme. Ob sie wirklich leichter rollen, ist noch nicht seriös getestet worden, soweit ich weiß.
Aerodynamik
Mal ganz ehrlich: Der Luftwiderstand eines Fahrrads samt Fahrer darauf ist eine komplette Vollkatastrophe und schlechter kaum vorstellbar, da schaden ein paar Millimeter Reifenbreite ganz sicher nicht in einem für Hobbyradler spürbaren Ausmaß.
Fast alle Windkanaltests mit Fahrrädern haben außerdem den großen Fehler, dass sich die Räder dabei nicht drehen und der Fahrer nicht tritt - beides macht in Wahrheit aber einen deutlichen Teil des Luftwiderstands aus. Ich möchte jetzt mal mutmaßen, dass ein breiterer
Reifen zwar mehr Luftwiderstand erzeugt, aber auch einen größeren Abschnitt der windigen Speichen vor dem Fahrtwind verstecken kann und am Ende vielleicht überhaupt kein messbarer Nachteil ist; jedenfalls aber im Gesamtsystem mit zappelndem Fahrer ein noch geringerer, als im Artikel errechnet wird.
Aerodynamik spielt ihre Vorteile erst bei vergleichsweise hohen Geschwindigkeiten aus; vor einigen Jahren gab es in der "Tour" mal einen wirklich sinnvollen Fahr(!)test mit Leistungsmessung dazu, der bestätigte, was Smolik noch einige Jahre früher einfach behauptet hatte, Walser vermutlich blind unterschreiben würde und Radplan Delta akribisch nachgerechnet hat: Bis 25 km/h zählt leichter Lauf, ab 40 km/h zählt ausgefeilte Aerodynamik.
Rollwiderstand
Hier wäre eine echte, groß angelegte Vergleichsmessung unter Laborbedingungen mal interessant!
Mal ganz abgesehen davon, dass es in schmalen wie breiten Formaten sehr schlechte und sehr gute
Reifen gibt, zwischen denen schon bei gleicher Breite Welten liegen, die auch ein Hobbyfahrer bemerkt.
Der breitere
Reifen rollt natürlich bei gleichem Luftdruck leichter, als der schmale und bei etwas weniger Luftdruck zumindest noch nicht schlechter - aber ehrlich gesagt kann ich bei 35er
Reifen gern auf das 7-Bar-Rumpelfeeling eines Rennrads verzichten, denn dafür haben ich sie ja gerade. Nämlich für entspannte Touren auf schlechten und richtig schlechten Straßen mit sehr viel weniger Druck.
Und da komme ich auch zu meinem persönlichen Fazit:
Es macht großen Spaß, ein Rad mit etwas aufrechterer Sitzposition mit 35er
Reifen energisch um enge Stadtkurven zu wuchten und die dabei mögliche Geschwindigkeit ist beeindruckend; am Rennrad vermisse ich das aber nicht und fahre damit auch ganz anders.
Es ist eine feine Sache, mit breiten
Reifen zu "touren" und dabei auch mal durch Wälder und Felder zu fahren, wenn mir danach ist. Mit Rennradtraining hat das aber wenig zu tun.
Für mich gehören Breiten bis 25 mm zu Rennrädern, bis ca. 32 mm zu längeren Touren und darüber zu Spaß auf kurzen Strecken.