Wir schreiben den fünften Tag meines spontan geborenen Radlurlaubes im Tessin - hinter mir liegen inzwischen auch eine moderate Tour das
Val Verzasca hoch, welches für seine im Bond "Golden Eye" spektakulär präsentierte 220m hohe Staumauer bekannt ist, und ein Ruhetag, an dem ich "nur mal" an den See runter gefahren bin, um beim Migros ein paar Kleinigkeiten einzuholen.
Gute Voraussetzungen und ausgeruhte Beine also für ein neues Abenteuer! Heute, das ist beschlossene Sache, wird es Höhenmeter geben. Im Val Maggia ganz bis nach hinten hoch, so will es meine Vorstellung.
Ein ordentliches Frühstück später sause ich also auch schon wieder die Abfahrt runter an den See, und von dort gleich rechts weg, leicht ansteigend hoch ins Val Maggia. Die Routenplanung lässt auf den ersten rund 30 oder 40 km noch die Wahl zwischen der schnellen, aber deutlich befahrenen Landstrasse oder einem sich immer wieder durch die Ortschaften schlängelnden und aus vielen Teilstücken zusammengesetzten Radweg. Ich probiere für 20 km den Radweg, aber irgendwann dauert es mir zu lange, immer wieder Kreuz und Quer zu fahren und den Weg finden zu müssen, auch wenn er grundsätzlich überwiegend gut beschildert und schön abseits der Landstrasse gelegen ist. Weiter hinten bei Cevio und dann wieder bei Bignasco teilt sich das Tal eh, und der Autoverkehr wird deutlich weniger auf der Strasse. Bei Brontallo kurbele ich schon bald die ersten echten Rampen hoch, alles easy bis jetzt, und auch die nächsten paar Kilometer bis Fusio.
Gleich dort bekomme ich dann allerdings auch, was ich mir für den Tag gewünscht habe, und gerate das erste mal heute so richtig ins Schwitzen - An die 500 Hm sind es, wenn ich mich recht erinnere, bis über ein Dutzend steiler Kehren der aufgestaute Lago del Sambuco erreicht ist..
Die ein oder zwei Kilometer am Lago entlang sind eine willkommene kurze Erholung.. aber dann kommt es zu meiner zugegebenen Überraschung echt dick … Höhenmeter kompakt und satt!
Leute, lasst es euch an dieser Stelle gesagt sein: Wer diese Tour ins Auge fasst, sollte als Breitensportler unbedingt was besseres als 41/28 mitbringen!
Ich habe geschwitzt, geflucht, geschwiegen, gebetet, und zwischendrin - ganz ehrlich - auch geschoben
Es geht wirklich scheixxe-steil da rauf ..
Da hilft es auch wenig, dass mein Bock den heimischen Bergziegen irgendwo ähnlich ist ..
So richtig schnell vorwärts komme ich nicht mehr, doch irgendwie weiter geht es immer noch. Aufgeben kommt nicht in Frage, und so passiere ich mitten am Nachmittag auf wieder etwas flacheren Wegen stolz die 2000 Hm ..
Eine gigantische Aussicht inzwischen rundherum, und der Blick voraus verrät: Da muss ich noch rauf! Es geht da oben an zwei oder drei kleinen, vorgelagerten Schmelzwasserseen vorbei - und dann bin ich angekommen!
Eine riesige, zweiteilige Staumauer hält auf 2300 Meter Höhe über dem Tal den Lago Naret zurück. Kaum Menschen da oben, ich bin wirklich am hintersten Ende des Tales, wo sich nur vereinzelte Touristen hinbemühen, und feiere mit zwei anderen Radlern bei einer trockenen Brotkante den Sieg über die Rampen
Der Weg da hoch existiert durchwegs geteert wohl auch nur, damit die Staumauer gebaut werden konnte.
Inzwischen wird es aber höchste Zeit für die Abfahrt, die bis runter zum Lago del Sambuco auch wieder eine Weile dauert. Laufen lassen ist nicht, dafür ist der Weg zu steil und die Kurven sind zu eng.
Kurz geniesse ich noch die Kulisse in der schon etwas späten Sonne, dann muss ich mich sputen, damit ich rechtzeitig zurück komme..
Der Rest des Tales ist trotz Gegenwind bald abgespult - Doch ganz zum Schluss warten natürlich wieder mal auf mich ..
Die letzten 500 Hm hoch zur Unterkunft in Mergoscia!
Kein Bild davon - Heute haben die tatsächlich weh getan