Ich hab erst gerade damit angefangen mich da rein zu lesen...warum wäre bei FTP Betimmung über den Puls die 30min Variante besser?
Die FTP (Functional Threshold Power in Watt ) ist ein Marker für die aerobe Leistungsfähigkeit. Sie ist statistisch
korreliert (d.h. nicht identisch) mit MLSS/LT/VT2 usw. und kann herangezogen werden, um Trainingsbereiche aus ihr abzuleiten (z.B. die Coggan-Power-Levels, siehe auf der der Trainingpeaks.com-Website). "Goldstandard" für die FTP-Messung ist ein etwa 60 min. langes Zeitfahren (auf der Google-Wattage-Liste gibt es gerade einen sehr länglichen Fred darüber, ob der "Goldstandard" unbedingt genau 60 min sein müssen, aber diese Details ersparen wir uns mal hier ...). Ein so langes Zeitfahren ist aber praktisch schwierig umzusetzen, man braucht eine passende Strecke, muss ausgeruht und hoch motiviert und noch das richtige Tempogefühl (neudeutsch „Pacing“) haben, um über die 60 min. die optimale Leistung abrufen zu können, ohne zu früh einzubrehcen oder am Ende "noch Körner übrig" zu haben. Außerdem ist ein so langes Zeitfahren ermüdend, man kann am nächsten Tag nicht einfach weiter in einem harten Intervallprogramm machen.
Auch wenn die 60 min. der Goldstandard sind, werden daher verschiedene andere Verfahren angewandt, um die FTP zu schätzen, z.B. durch mehrere kurze Zeitfahren, die im CP-Modell nach Monod und Scherer ausgewertet werden, oder durch ein kürzeres Zeitfahren, dass man dann umrechnet. Eine Faustregel für diese Umrechnung sagt etwa, dass die FTP im Durchschnitt 95% der Leistung in einem 20 min.-ZF entspricht. Daher wird vielfach der Wattwert über 20 min. *0,95 als FTP-Schätzer verwendet. Da aber über 20 min. nicht nur der aerobe Stoffwechsel relevant ist, sondern auch der anaerobe einen signifikanten Beitrag zur Energiebereitstellung leisten kann ist dieses Verfahren ungenau, denn je höher die anaerobe Kapazität eines Sportlers, desto weiter werden FTP und 20 min.-Leistung auseinander liegen, desto weniger stimmt die Faustregel
P@20min.*0,95 = FTP (wie hoch die anaerobe Kapazität ist hängt insb. von Genetik, Muskel-Faser-Zusamensetzung und Trainingshistorie eines Radsportlers ab, Sprinter haben eine höhere anaerobe Kapazität als typische Bergfahrer).
Wenn man nicht mit Wattwerten und darauf basierenden Trainingsbereichen arbeitet, weil man keinen Powermeter besitzt, braucht einen das Problem, wie nah ein 20 min. Zeitfahren an der FTP liegt nicht weiter zu interessieren, dann geht es nur darum, möglichst einfach eine HF zu ermitteln, die sich für die Ableitung von Trainingsbereichen eignet. Theoretisch könnte man dazu auch ein 60 min.-ZF machen, aber erstens ist das, wie oben ausgeführt, sehr schwierig. Ohne Powermeter als Hilfe für die Temposteuerung dürften wahrscheinlich nur gelernte Zeitfahrer so ein 60 min.-Zf auf Anhieb gleichmäßig auf den Asphalt bekommen. Außerdem sind die von Coggan in seiner Tabelle zu den Power-Levels angegebenen HF-Werte eh mehr oder weniger ein Abfallprodukt, im Mittelpunkt standen bei der Entwicklung die Wattwerte.
Ich halte es daher für sinnvoll, statt der Coggan-Levels bei Hf-gesteuertem Training auf Methoden zur Bestimmung der Trainingsbereiche zurückzugreifen, die mit weniger Aufwand umzusetzen sind und ursprünglich auch für das Anwendungsfeld Hf-Messung erdacht wurden. Da scheint mir das Verfahren von Friel eine Möglichkeit. Es gibt noch weitere, z.B. die Karvonen-Methode, die ebenfalls brauchbare Ergebnisse liefern. Wichtig ist, dass man bei der Bestimmung irgendwelcher HF-Werte und der Ableitung der Trainingsbereiche methodisch konsistent bleibt und nicht Testverfahren und Berechnungen miteinander kombiniert, die nicht zusammen entwickelt wurden, sonst kommen dabei unbrauchbare Ergebnisse heraus!
Eine Anmerkung zum Abschluss: Bei allen(!!!!) Methoden zur Bestimmung von Trainingsbereichen (auch bei laborgestützten Methoden wie Spiroergometrien) ist es von elementarer Wichtigkeit, zu verstehen, dass die Zahlen, die dabei herauskommen (egal ob Watt oder HF), nicht als exakte Wissenschaft fehlzuinterpretieren sind, sondern nur als Anhaltspunkte dienen sollen. Trainingsintensität und körperliche Reaktionen wie Stoffwechsel verlaufen in einem Continuum, die Unterteilung in Trainingsbereiche ist als Beschreibung und Orientierung für die Trainingspraxis zu verstehen, nicht als in Stein gemeißelte Gesetzmäßigkeiten, die es um jeden Preis einzuhalten gilt.