Dass die "FTP-Schätzung" aus dem Stufentest erheblich höher ausfällt als aus einem 20 min. Test ist bei anderen auch schon passiert. Kann man z.B. im Weightweenies-Forum nachlesen. Der große Unterschied zwischen den Werten liegt darin begründet, dass ein Stufentest eigentlich etwas Anderes ermittelt als ein FTP-Test. Aus den Ergebnissen eines Rampen-Tests auf die FTP zu schließen ist daher mit sehr großen Unsicherheiten behaftet. Eigentlich wäre es auch gar nicht nötig, die FTP aus dem Stufentest zu schätzen, man könnte vielmehr direkt aus dem Rampentest Trainingsbereiche ableiten ohne den "Umweg" über die FTP zu machen. (siehe dazu z.B. hier
https://wattmatters.blog/home/2006/12/map-testing-where-failure-is-success.html Bei British Cycling wird glaube ich ebenfalls ein Rampentest zur Ermittlung der Trainingsbereiche genutzt. ) Vor dem Hintergrund ist das Verfahren von Trainerroad ausgesprochen - pardon - dämlich.
Bei einem FTP-Test geht es darum, die Wattleistung in Annäherung an einen metabolischen Gleichgewichtszustand, dem sogn. Maximalen Laktat Steady State (MLSS) zu ermitteln. Das MLSS ist die maximale Belastungsintensität, bei der eine Leistung über den Zeitraum von 30 Minuten konstant gehalten werden kann und sich dabei die Blutlaktatkonzentration über die letzten 20 Minuten um nicht mehr als 1 mmol/l Blut erhöht. Exakt ermitteln lässt sich das MLSS nur durch mehrere Zeitfahrtest mit Blutabnahme und Laktatbestimmung. Da dies sehr aufwändig ist, hilft man sich in der Praxis mit einem einzigen Zeitfahrtest von 20 bis 60 min. Dauer und ggf. einem Korrekturfaktor (z.B. MMP20*0,95).
Ein Stufentest hat gar nicht den Anspruch, einen metabolischen Gleichgewichtszustand zu ermitteln, vielmehr geht es darum, die maximale aerobe Leistung (MAP) zu bestimmen. Dabei werden Stufentests zusammen mit einer Spiroergometrie oft dazu eingesetzt, die maximale Sauerstoffaufnahme VO2max zu messen, denn diese wird bei den üblichen Testverfahren gegen Ende des Tests erreicht. Das dürfte beim Trainerroad-Test ebenfalls der Fall sein, wenn der voll ausgefahren wird.
Natürlich besteht zwischen VO2max und FTP/MLSS ein physiologischer Zusammenhang. Die FTP ist nichts anderes als ein Anteil der VO2max, der als Dauerleistung realisiert werden kann. Wie groß dieser Anteil ist, ist aber von Sportler zu Sportler - u.a. auch abhängig von der Trainingshistorie und dem aktuellen Trainingszustand - durchaus unterschiedlich. Laut Literatur schwankt er zwischen 70 und 90% der Vo2max - bei Sportlern mit einer langen Trainingshistorie im Ausdauersport liegt der Anteil dabei in der Regel höher, als bei einem Anfänger. Spätestens hier sollte jetzt deutlich werden, dass es ziemlich fragwürdig ist, die FTP mit einem einheitlichen Faktor aus einem Stufentest herauszurechnen, denn in dem verwendeten Faktor steckt letztlich eine Annahme darüber, wieviel Prozent der VO2max jemand als Dauerleistung realisieren kann.
In der Trainingspraxis haben Stufentests durchaus Vorteile gegenüber einem FTP-Test. Bei einem Stufentest muss man sich keine Gedanken übers Pacing machen, man tritt einfach entsprechend des Protokolls solange in die Pedale “bis die Lichter ausgehen“. Bei einem klassischen FTP-Test muss man vorher wenigstens ungefähr ahnen, wo die aktuelle FTP liegt (und damit bei einem Retest auch, um wieviel man sich seit dem letzten Test verbessert hat) und dann versuchen, den Test gut zu pacen, d.h. nicht überziehen, am Ende des Tests aber auch kein "Benzin im Tank lassen". Das ist keineswegs einfach. Wenn man sich für einen Stufentest entscheidet, um darauf basierend etwa Trainingsbereiche abzuleiten, muss man sich nur klar machen, dass ein Stufentest physiologisch nicht das selbe misst, wie ein FTP-Test und man die Werte aus verschiedenen Testverfahren auch nicht einfach durch Rechenfaktoren miteinander vergleichbar machen kann.