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hi leute.

ich komme seit vier jahren einfach nicht dazu mich um die restaurierung eines rades zu kümmern und möchte es in gute hände abgeben.

Anhang anzeigen 713988

weitere fotos

gios professional
(von marco gios schriftlich per mail bestätigt)
1983 oder 1984
columbus sl
original gios gabel ist natürlich dabei
mir unbekanntes tretlager ist auch dabei

alle anderen abgebildeten teile wurden anderweitig verbaut.

manko:
mini loch von 2 mm durchmesser an der unterseite des oberrohres.
farbe ist nicht original und stellenweise schon ab.

würde gerne wissen was ich dafür verlangen kann.

ohne zumindest ein aussagekräftiges Bild von der schadhaften Stelle dürfte das schwerlich zu ermitteln sein.
 

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Re: [Hilfe] Räder und Teile: Was ist das und was ist es wert?
ohne zumindest ein aussagekräftiges Bild von der schadhaften Stelle dürfte das schwerlich zu ermitteln sein.

ich hatte ja unterm bild zum album verlinkt.

hier zwei fotos:

AF3130AF-B8EB-4ECD-888C-A9B5144EC655.jpeg
DC45AF77-3295-4CA5-B134-8BD6527CA74D.jpeg
 
hi leute.

ich komme seit vier jahren einfach nicht dazu mich um die restaurierung eines rades zu kümmern und möchte es in gute hände abgeben.

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(von marco gios schriftlich per mail bestätigt)
1983 oder 1984
columbus sl
original gios gabel ist natürlich dabei
mir unbekanntes tretlager ist auch dabei

alle anderen abgebildeten teile wurden anderweitig verbaut.

manko:
mini loch von 2 mm durchmesser an der unterseite des oberrohres.
farbe ist nicht original und stellenweise schon ab.

würde gerne wissen was ich dafür verlangen kann.
Hört sich schwer nach Durchrostung an , oder es hat jemand mit Stahlschrot Kaliber 16 auf dich geschossen :rolleyes:
 
hi leute.

ich komme seit vier jahren einfach nicht dazu mich um die restaurierung eines rades zu kümmern und möchte es in gute hände abgeben.

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gios professional
(von marco gios schriftlich per mail bestätigt)
1983 oder 1984
columbus sl
original gios gabel ist natürlich dabei
mir unbekanntes tretlager ist auch dabei

alle anderen abgebildeten teile wurden anderweitig verbaut.

manko:
mini loch von 2 mm durchmesser an der unterseite des oberrohres.
farbe ist nicht original und stellenweise schon ab.

würde gerne wissen was ich dafür verlangen kann.

Ist das da ein Riss an der unteren Steuerkopfmuffe?

gios.JPG
 
hi leute.

ich komme seit vier jahren einfach nicht dazu mich um die restaurierung eines rades zu kümmern und möchte es in gute hände abgeben.

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gios professional
(von marco gios schriftlich per mail bestätigt)
1983 oder 1984
columbus sl
original gios gabel ist natürlich dabei
mir unbekanntes tretlager ist auch dabei

alle anderen abgebildeten teile wurden anderweitig verbaut.

manko:
mini loch von 2 mm durchmesser an der unterseite des oberrohres.
farbe ist nicht original und stellenweise schon ab.

würde gerne wissen was ich dafür verlangen kann.
Ich kann nichts zum Rahmen beitragen, aber da du in deiner Signatur sagst, dass man hier vernüftigen Ausdruck erwarten kann, möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass auch Groß- und Kleinschreibung sowie Satzzeichen zum Verständnis beitragen können.
 
boah :eek:
da bin ich echt überfragt
muss ich morgen direkt mal schaun
Du könntest auch einfach ein bisschen grauen Lack drauf streichen und Colnago Decals drauf bappen. Das einzige was dann noch fehlt ist ein M im Tretlagergehäuse und ein paar Campa teile, dann ab in die Bucht für 2000€. Schlimmer als eine Delle im Oberrohr ist sowas ja auch nicht ?
 
Wie ihr sicherlich merkt bin ich gerade am Aufräumen. Dabei ist mir dieser 8-fach Regina Extra Alu Schraubkranz (13-23) unter gekommen. Was kann ich dafür im biete Thread verlangen?
image1 (1).jpeg
 
Ich kann nichts zum Rahmen beitragen, aber da du in deiner Signatur sagst, dass man hier vernüftigen Ausdruck erwarten kann, möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass auch Groß- und Kleinschreibung sowie Satzzeichen zum Verständnis beitragen können.

gedanken zur kleinschreibung
im august habe ich das buch „phi phi island“ von josef haslinger gelesen. er berichtet, wie er und seine familie den tsunami von weihnachten 2004 in thailand überlebt hat. ungewöhnlich: das buch ist – so wie dieser blogeintrag – in konsequenter kleinschreibung verfasst. das hat mich anfangs irritiert, aber nach einigen seiten hatte ich mich daran gewöhnt.
im alltag ist es uns normalerweise nicht bewusst, dass wir in unserem schriftsystem eigentlich zwei unterschiedliche alphabete nutzen: groß- und kleinbuchstaben. damit sind wir nicht allein, denn auch im kyrillischen, griechischen, armenischen oder georgischen verwendet man großbuchstaben. viele sprachen funktionieren aber auch „monoalphabetisch“, zum beispiel arabisch, hebräisch, bengalisch oder chinesisch. diese schriftsysteme kommen ohne großbuchstaben aus.
lange zeit waren auch im deutschen nur kleinbuchstaben üblich. erst im mittelalter begann man damit, kapitelanfänge oder absätze mit einem besonders hervorgehobenen anfangsbuchstaben auszuzeichnen. personen- und ortsnamen werden seit dem 16. jahrhundert fast durchwegs großgeschrieben. das weitete sich allmählich auf anredefürwörter und titel aus („papst“, „könig“), auf wörter von großer bedeutung („konzil“) und schließlich auf alle substantive.
kann man das nun als weiterentwicklung der sprache sehen? oder stünde es dem heutigen deutsch gut, wieder weniger bedeutsam daher zu kommen? was verliert man durch eine durchgängige kleinschreibung? ist es nicht logischer und ästhetischer, wenn ein text nur ein alphabet verwendet und nicht durch versalien unterbrochen wird?
drei, die bewusst klein schreiben
ein vertreter der konsequenten kleinschreibung ist der autor und projektleiter felix schwenzel. in einem faq-artikel erklärt er, dass ihm die kleinschreibung den schreibfluss erleichtere und er so rotziger (=direkter?) schreiben könne. zudem findet er kleinschreibung ansprechender, keineswegs schlechter lesbar und sie sei mittlerweile zu einem markenzeichen geworden. kleinschreibung diene sogar als eine art „arschlochfilter“, weil es denjenigen, die seine texte lesen, tatsächlich um den inhalt gehe.
eine ganz andere begründung habe ich in einem blogartikel von rudolf greger gefunden. der wiener designer sieht großbuchstaben als irrtümlich eingeführtes mittel der repräsentation, um lesern die eigene wichtigkeit vorzuspiegeln und unterschiede sichtbar zu machen. mit seiner konsequenten kleinschreibung will sich rudolf greger von dieser aufwertung distanzieren, weil „werten nicht zum erfolg führt“.
eine ähnliche ansicht vertrat auch otl aicher (1922–1991). der schriftgestalter und designer gründete die hochschule für gestaltung in ulm und hat unter anderem das design der olympischen spiele in münchen entwickelt. im buch „gehen in der wüste“ kritisiert otl aicher unter der überschrift „rückkehr zu den verben“, wie sehr sich substantive durch ihre großschreibung in den vordergrund drängen. als statische objekte verstellen sie die beweglichen, lebendigen verben (siehe buchbesprechung auf kaffeehaussitzer.de).
wissenschaftliche untersuchung 1
aber großbuchstaben schaffen doch orientierung, unterstützen das querlesen von texten und machen wortbilder einprägsamer, oder? laut einer studie von herbert haberl werden großbuchstaben da überschätzt. der österreichische pädagoge hat 1976 in lesetests mit grundschülern und studenten erforscht, wie gut lesbar texte in kleinschreibung sind (es ging hier um die gemäßigte kleinschreibung, bei der satzanfänge und eigennamen weiterhin großgeschrieben bleiben).
in seiner 96-seitigen arbeit kommt er zu dem schluss, dass sich texte in (gemäßigter) kleinschreibung nach kurzer eingewöhnungszeit genauso gut oder leichter läsen als die großschreibung. das gälte für erwachsene wie auch für kinder. die optische akzentuierung der hauptwörter durch majuskeln wirke für die leser eher störend. so sei die großschreibung dem leser keine hilfe; eine gliederung durch groß geschriebene hauptwörter würde den lesevorgang eher beeinträchtigen.
das ergebnis ist allerdings ein wenig mit vorsicht zu genießen. leider lässt sich aus dem mitgelieferten zahlenmaterial nicht erkennen, ob der versuchsaufbau durch das statistische phänomen „regression zur mitte“ verzerrt wurde.[1]
wissenschaftliche untersuchung 2
wer den wikipedia-artikel über kleinschreibung durchliest, stößt auf zwei studien aus dem jahr 1989. die erste studie hat die augenbewegungen von 22 niederländischen studenten beim lesen aufgezeichnet. die versuchspersonen hatten gute deutschkenntnisse und bekamen fabeln auf deutsch und niederländisch auf einem bildschirm angezeigt. dabei wurde die groß-/kleinschreibung für beide sprachen variiert.[2]
überraschendes ergebnis: die versuchspersonen konnten die niederländischen texte schneller lesen, wenn darin die substantive nach deutscher regel großgeschrieben waren. die leser fixierten dann die wortbilder kürzer und erfassten mit einem blick mehr buchstaben. die zufällige, inverse oder konsequente großschreibung brachte dagegen schlechtere ergebnisse als die gewohnte kleinschreibung.
die autoren der studie folgern daraus, dass guten deutschlesern die gelernte regel auch für niederländische texte hilft. noch bevor der leser die bedeutung eines wortes kennt, erfährt er durch die großschreibung, dass es ein nomen und argument ist.
wissenschaftliche untersuchung 3
die zweite studie von 1989 hinterfragt, ob sich eine lesesituation wie in der vorher beschriebenen studie überhaupt mit alltäglichem lesen vergleichen lässt. zwar mag die messung der augenbewegungen genauer sein als wenn die lesezeit per stopptaste festgehalten wird. allerdings hatte jede versuchsperson eine 15 minütige kalibrierung über sich ergehen lassen müssen und war beim lesen mit zwei gurten auf einem zahnarztstuhl festgeschnallt gewesen.
diese studie arbeitete dagegen mit je 100 deutschen und niederländischen studenten. das textmaterial und die schreibvarianten waren identisch mit dem des zuvor beschriebenen versuchs; zusätzlich gab es weitere fabeln und deren übersetzung ins englische. die versuchpersonen erhielten die texte als diaprojektion in deutsch und englisch (für deutsche studenten) bzw. in deutsch und niederländisch (für niederländische studenten).
ergebnis bei den deutschen lesern: sie haben die englischsprachigen fabeln gleich schnell in gemäßigter kleinschreibung gelesen wie in gemischtschreibung nach deutscher regel. (kleine unterschiede: gute englischleser haben sie in kleinschreibung etwas schneller gelesen, schlechtere englischleser in gemischtschreibung). die deutsche schreibung erleichterte den deutschen versuchspersonen das lesen also mehr, als die ungewohnte wortbilder störten.
bei den niederländischen lesern gab es keine vorteile der deutschen schreibung. es ließ sich nur festhalten, dass gute deutschleser die schreibung nach deutscher regel in niederländischen texten weniger störend fanden. gleichzeitig wurden sie durch die kleinschreibung in deutschen texten mehr behindert. für gute wie schlechte deutschleser unter den niederländischen versuchspersonen war es besser, wenn die texte in gewohnter schreibweise präsentiert wurden.
die beiden studien trugen übrigens die titel „augenbewegungen und substantivgroßschreibung – eine pilotstudie“ beziehungsweise „zur funktion der groß- und kleinbuchstaben beim lesen deutscher, englischer und niederländischer texte“. sie erschienen 1989 in „schriftsystem und orthographie“ von den herausgebern peter eisenberg und hartmut günther.
eine diskussion unter typografen
mitte juli ging es im swr2-forum um typografie. es diskutierten die typografen prof. hans andree, prof. dr. erik spiekermann und prof. ulrike stoltz. ab minute 16 ging es auch um die kleinschreibung.
ulrike stoltz schreibt auf einigen tastaturen gern mal konsequent klein. sie hat aber beobachtet, dass die gemischtschreibung für leichter erkennbare wortbilder sorgt. bei schriften wie der johnston sans, die im öffentlichen nahverkehr in london verwendet wird, hat sie eine größere x-höhe bemerkt und schlussfolgert, dass dies bei der gemäßigten kleinschreibung für eine bessere unterscheidbarkeit der buchstaben nötig ist. allgemein schätzt sie die größere visuelle abwechslung bei gemischtschreibung.
erik spiekermann schreibt seine mails pragmatisch klein – allerdings mit großem satzanfang und großgeschriebenen eigennamen. das liegt vor allem daran, weil er mehr englische als deutsche e-post verschickt. den gänzlichen verzicht auf großbuchstaben findet er allerdings „eine rein ideologische forderung, die völlig bescheuert ist“, weil man dann nur noch schwer erkennen könne, wo ein satz endet und ein neuer anfängt.
hans andree verweist auf die brüder grimm, die zeitlebens gegen die verwendung von großbuchstaben gewettert haben (wie im band 1 ihres wörterbuchs: „ch wollte auch den wust und unflat unsrer schimpflichen die gliedmaszen der sprache ungefüg verhüllenden und entstellenden schreibweise ausfegen“; oder in deutsche grammatik: „wer große buchstaben für den anlaut der substantive [braucht], schreibt pedantisch.“). nach dem krieg mit der umstellung von fraktur auf antiqua forderten auch typografen wie paul renner einen neuanfang und die rückkehr zur kleinschreibung (d. h. die rückkehr vor die zeit des barock).
mehrdeutigkeiten, weniger ausdrucksvielfalt
natürlich kann es zu missverständnissen kommen, wenn zur unterscheidung keine großbuchstaben mehr zur verfügung stehen. im deutschen entstehen solche mehrdeutigkeiten besonders leicht, erklärt der literaturwissenschaftler andreas digeser in seinem beitrag „lese-erschwernis oder neue syntax?“ (erschienen in „groß- oder kleinschreibung? – beiträge zur rechtschreibreform“, 1974). die gründe sind:

    • andere wortarten können wie ein substantiv verwendet werden: „was gibt den faulen antrieb?“
    • substantivisch, verbale und adjektivische formen haben gleichlautende endungen: „nur alte wagen gefahren“
    • subjekt und objekt können direkt aufeinander folgen (ohne verb dazwischen): „es sollte jeder höfliche rhetorik beherrschen.“, also jeder höfliche sollte rhet… oder jeder sollte höfliche rhet…
    • der, die und das können bestimmter artikel oder demonstrativpronomen sein: „sie sollte besser das schreiben lassen.“, also das sollte sie schreib… oder das schreiben sollte sie …
viele der beispiele[3] lassen sich zwar schnell aus dem kontext erschließen, also ob es sich bei „der gefangene floh“ um einen geflüchteten häftling handelt oder um ein eingesperrtes insekt. einige formulierungen versteht man aber erst im größeren zusammenhang. reicht es wirklich, wenn der leser erst nach zwei weiteren sätzen versteht, worum es geht?
damit solche sätze in kleinschreibung eindeutig sind, müssen sie umformuliert werden; das kann man als eingeschränkte ausdrucksvielfalt betrachten.
beleidigen kleinschreiber ihre leser?
warum die kleinschreibung derzeit bei einigen leuten nicht gut ankommt, hat in einem forumsthread auf wer-weiss-was.de die nutzerin klara_673311 schon 2003 recht schön erklärt: man unterstellt dem schreiber faulheit, arroganz („ich stehe über der rechtschreibung“) oder respektlosigkeit den lesern gegenüber. das würde natürlich wegfallen, wenn sich die forderungen nach gemäßigter oder konsequenter kleinschreibung durchsetzten, wie sie beispielsweise der bund für vereinfachte rechtschreibung oder die kleinschriftbewegung aufstellen.
bis nach dem zweiten weltkrieg gab es neben deutsch übrigens eine weitere sprache, in der substantive mitten im satz mit großbuchstaben geschrieben wurden: dänisch. mit der rechtschreibreform von 1948 hat sich dänemark dann aber für die gemäßigte kleinschreibung entschieden. möglicherweise spielte dabei auch eine rolle, dass man sich damit nach dem zweiten weltkrieg von deutschland abgrenzen konnte.
eine entscheidung zwischen schreiber und leser
schrift wird von ganz unterschiedlichen leuten zu unterschiedlichen zwecken benutzt. dementsprechend breit gefächert sind die anforderungen und wünsche, die schreibende haben: formulierung spontaner gedanken, erörterung exakter argumente, poetischer ausdruck von gefühlen, schnelle kommunikation über alltägliches, festhalten von erinnerungen, formelle mitteilungen, …
ich finde, als schreibender sollte man seine leser im blick haben. sie müssen verstehen können, was man sagen möchte, und das geschieht wohl am einfachsten, wenn man die möglichkeiten der großschreibung für sich nutzt. als lesender, so würde ich mir wünschen, sollte man aber ruhig ein wenig offener dafür sein, wie ein autor sich ausdrückt. wenn jemand eine ungewohnte rechtschreibung anwendet, steckt dahinter nicht automatisch dummheit, boshaftigkeit oder wichtigtuerei.
im grunde bin ich recht froh darüber, großbuchstaben zur verfügung zu haben. zum glück sind aber auch blogeinträge wie dieser oder bücher wie „phi phi island“ ganz ohne großbuchstaben möglich. ich mag gedichte mit zurückhaltender kleinschreibung und bleibe im chat auch gerne mal monoalphabetisch (auch wenn der grund dann eher faulheit ist).

quelle ... gerhard großmann ... https://charakterziffer.github.io/kleinschreibung.html (29.10.2019)
...
 
gedanken zur kleinschreibung
im august habe ich das buch „phi phi island“ von josef haslinger gelesen. er berichtet, wie er und seine familie den tsunami von weihnachten 2004 in thailand überlebt hat. ungewöhnlich: das buch ist – so wie dieser blogeintrag – in konsequenter kleinschreibung verfasst. das hat mich anfangs irritiert, aber nach einigen seiten hatte ich mich daran gewöhnt.
im alltag ist es uns normalerweise nicht bewusst, dass wir in unserem schriftsystem eigentlich zwei unterschiedliche alphabete nutzen: groß- und kleinbuchstaben. damit sind wir nicht allein, denn auch im kyrillischen, griechischen, armenischen oder georgischen verwendet man großbuchstaben. viele sprachen funktionieren aber auch „monoalphabetisch“, zum beispiel arabisch, hebräisch, bengalisch oder chinesisch. diese schriftsysteme kommen ohne großbuchstaben aus.
lange zeit waren auch im deutschen nur kleinbuchstaben üblich. erst im mittelalter begann man damit, kapitelanfänge oder absätze mit einem besonders hervorgehobenen anfangsbuchstaben auszuzeichnen. personen- und ortsnamen werden seit dem 16. jahrhundert fast durchwegs großgeschrieben. das weitete sich allmählich auf anredefürwörter und titel aus („papst“, „könig“), auf wörter von großer bedeutung („konzil“) und schließlich auf alle substantive.
kann man das nun als weiterentwicklung der sprache sehen? oder stünde es dem heutigen deutsch gut, wieder weniger bedeutsam daher zu kommen? was verliert man durch eine durchgängige kleinschreibung? ist es nicht logischer und ästhetischer, wenn ein text nur ein alphabet verwendet und nicht durch versalien unterbrochen wird?
drei, die bewusst klein schreiben
ein vertreter der konsequenten kleinschreibung ist der autor und projektleiter felix schwenzel. in einem faq-artikel erklärt er, dass ihm die kleinschreibung den schreibfluss erleichtere und er so rotziger (=direkter?) schreiben könne. zudem findet er kleinschreibung ansprechender, keineswegs schlechter lesbar und sie sei mittlerweile zu einem markenzeichen geworden. kleinschreibung diene sogar als eine art „arschlochfilter“, weil es denjenigen, die seine texte lesen, tatsächlich um den inhalt gehe.
eine ganz andere begründung habe ich in einem blogartikel von rudolf greger gefunden. der wiener designer sieht großbuchstaben als irrtümlich eingeführtes mittel der repräsentation, um lesern die eigene wichtigkeit vorzuspiegeln und unterschiede sichtbar zu machen. mit seiner konsequenten kleinschreibung will sich rudolf greger von dieser aufwertung distanzieren, weil „werten nicht zum erfolg führt“.
eine ähnliche ansicht vertrat auch otl aicher (1922–1991). der schriftgestalter und designer gründete die hochschule für gestaltung in ulm und hat unter anderem das design der olympischen spiele in münchen entwickelt. im buch „gehen in der wüste“ kritisiert otl aicher unter der überschrift „rückkehr zu den verben“, wie sehr sich substantive durch ihre großschreibung in den vordergrund drängen. als statische objekte verstellen sie die beweglichen, lebendigen verben (siehe buchbesprechung auf kaffeehaussitzer.de).
wissenschaftliche untersuchung 1
aber großbuchstaben schaffen doch orientierung, unterstützen das querlesen von texten und machen wortbilder einprägsamer, oder? laut einer studie von herbert haberl werden großbuchstaben da überschätzt. der österreichische pädagoge hat 1976 in lesetests mit grundschülern und studenten erforscht, wie gut lesbar texte in kleinschreibung sind (es ging hier um die gemäßigte kleinschreibung, bei der satzanfänge und eigennamen weiterhin großgeschrieben bleiben).
in seiner 96-seitigen arbeit kommt er zu dem schluss, dass sich texte in (gemäßigter) kleinschreibung nach kurzer eingewöhnungszeit genauso gut oder leichter läsen als die großschreibung. das gälte für erwachsene wie auch für kinder. die optische akzentuierung der hauptwörter durch majuskeln wirke für die leser eher störend. so sei die großschreibung dem leser keine hilfe; eine gliederung durch groß geschriebene hauptwörter würde den lesevorgang eher beeinträchtigen.
das ergebnis ist allerdings ein wenig mit vorsicht zu genießen. leider lässt sich aus dem mitgelieferten zahlenmaterial nicht erkennen, ob der versuchsaufbau durch das statistische phänomen „regression zur mitte“ verzerrt wurde.[1]
wissenschaftliche untersuchung 2
wer den wikipedia-artikel über kleinschreibung durchliest, stößt auf zwei studien aus dem jahr 1989. die erste studie hat die augenbewegungen von 22 niederländischen studenten beim lesen aufgezeichnet. die versuchspersonen hatten gute deutschkenntnisse und bekamen fabeln auf deutsch und niederländisch auf einem bildschirm angezeigt. dabei wurde die groß-/kleinschreibung für beide sprachen variiert.[2]
überraschendes ergebnis: die versuchspersonen konnten die niederländischen texte schneller lesen, wenn darin die substantive nach deutscher regel großgeschrieben waren. die leser fixierten dann die wortbilder kürzer und erfassten mit einem blick mehr buchstaben. die zufällige, inverse oder konsequente großschreibung brachte dagegen schlechtere ergebnisse als die gewohnte kleinschreibung.
die autoren der studie folgern daraus, dass guten deutschlesern die gelernte regel auch für niederländische texte hilft. noch bevor der leser die bedeutung eines wortes kennt, erfährt er durch die großschreibung, dass es ein nomen und argument ist.
wissenschaftliche untersuchung 3
die zweite studie von 1989 hinterfragt, ob sich eine lesesituation wie in der vorher beschriebenen studie überhaupt mit alltäglichem lesen vergleichen lässt. zwar mag die messung der augenbewegungen genauer sein als wenn die lesezeit per stopptaste festgehalten wird. allerdings hatte jede versuchsperson eine 15 minütige kalibrierung über sich ergehen lassen müssen und war beim lesen mit zwei gurten auf einem zahnarztstuhl festgeschnallt gewesen.
diese studie arbeitete dagegen mit je 100 deutschen und niederländischen studenten. das textmaterial und die schreibvarianten waren identisch mit dem des zuvor beschriebenen versuchs; zusätzlich gab es weitere fabeln und deren übersetzung ins englische. die versuchpersonen erhielten die texte als diaprojektion in deutsch und englisch (für deutsche studenten) bzw. in deutsch und niederländisch (für niederländische studenten).
ergebnis bei den deutschen lesern: sie haben die englischsprachigen fabeln gleich schnell in gemäßigter kleinschreibung gelesen wie in gemischtschreibung nach deutscher regel. (kleine unterschiede: gute englischleser haben sie in kleinschreibung etwas schneller gelesen, schlechtere englischleser in gemischtschreibung). die deutsche schreibung erleichterte den deutschen versuchspersonen das lesen also mehr, als die ungewohnte wortbilder störten.
bei den niederländischen lesern gab es keine vorteile der deutschen schreibung. es ließ sich nur festhalten, dass gute deutschleser die schreibung nach deutscher regel in niederländischen texten weniger störend fanden. gleichzeitig wurden sie durch die kleinschreibung in deutschen texten mehr behindert. für gute wie schlechte deutschleser unter den niederländischen versuchspersonen war es besser, wenn die texte in gewohnter schreibweise präsentiert wurden.
die beiden studien trugen übrigens die titel „augenbewegungen und substantivgroßschreibung – eine pilotstudie“ beziehungsweise „zur funktion der groß- und kleinbuchstaben beim lesen deutscher, englischer und niederländischer texte“. sie erschienen 1989 in „schriftsystem und orthographie“ von den herausgebern peter eisenberg und hartmut günther.
eine diskussion unter typografen
mitte juli ging es im swr2-forum um typografie. es diskutierten die typografen prof. hans andree, prof. dr. erik spiekermann und prof. ulrike stoltz. ab minute 16 ging es auch um die kleinschreibung.
ulrike stoltz schreibt auf einigen tastaturen gern mal konsequent klein. sie hat aber beobachtet, dass die gemischtschreibung für leichter erkennbare wortbilder sorgt. bei schriften wie der johnston sans, die im öffentlichen nahverkehr in london verwendet wird, hat sie eine größere x-höhe bemerkt und schlussfolgert, dass dies bei der gemäßigten kleinschreibung für eine bessere unterscheidbarkeit der buchstaben nötig ist. allgemein schätzt sie die größere visuelle abwechslung bei gemischtschreibung.
erik spiekermann schreibt seine mails pragmatisch klein – allerdings mit großem satzanfang und großgeschriebenen eigennamen. das liegt vor allem daran, weil er mehr englische als deutsche e-post verschickt. den gänzlichen verzicht auf großbuchstaben findet er allerdings „eine rein ideologische forderung, die völlig bescheuert ist“, weil man dann nur noch schwer erkennen könne, wo ein satz endet und ein neuer anfängt.
hans andree verweist auf die brüder grimm, die zeitlebens gegen die verwendung von großbuchstaben gewettert haben (wie im band 1 ihres wörterbuchs: „ch wollte auch den wust und unflat unsrer schimpflichen die gliedmaszen der sprache ungefüg verhüllenden und entstellenden schreibweise ausfegen“; oder in deutsche grammatik: „wer große buchstaben für den anlaut der substantive [braucht], schreibt pedantisch.“). nach dem krieg mit der umstellung von fraktur auf antiqua forderten auch typografen wie paul renner einen neuanfang und die rückkehr zur kleinschreibung (d. h. die rückkehr vor die zeit des barock).
mehrdeutigkeiten, weniger ausdrucksvielfalt
natürlich kann es zu missverständnissen kommen, wenn zur unterscheidung keine großbuchstaben mehr zur verfügung stehen. im deutschen entstehen solche mehrdeutigkeiten besonders leicht, erklärt der literaturwissenschaftler andreas digeser in seinem beitrag „lese-erschwernis oder neue syntax?“ (erschienen in „groß- oder kleinschreibung? – beiträge zur rechtschreibreform“, 1974). die gründe sind:


    • andere wortarten können wie ein substantiv verwendet werden: „was gibt den faulen antrieb?“
    • substantivisch, verbale und adjektivische formen haben gleichlautende endungen: „nur alte wagen gefahren“
    • subjekt und objekt können direkt aufeinander folgen (ohne verb dazwischen): „es sollte jeder höfliche rhetorik beherrschen.“, also jeder höfliche sollte rhet… oder jeder sollte höfliche rhet…
    • der, die und das können bestimmter artikel oder demonstrativpronomen sein: „sie sollte besser das schreiben lassen.“, also das sollte sie schreib… oder das schreiben sollte sie …
viele der beispiele[3] lassen sich zwar schnell aus dem kontext erschließen, also ob es sich bei „der gefangene floh“ um einen geflüchteten häftling handelt oder um ein eingesperrtes insekt. einige formulierungen versteht man aber erst im größeren zusammenhang. reicht es wirklich, wenn der leser erst nach zwei weiteren sätzen versteht, worum es geht?
damit solche sätze in kleinschreibung eindeutig sind, müssen sie umformuliert werden; das kann man als eingeschränkte ausdrucksvielfalt betrachten.
beleidigen kleinschreiber ihre leser?
warum die kleinschreibung derzeit bei einigen leuten nicht gut ankommt, hat in einem forumsthread auf wer-weiss-was.de die nutzerin klara_673311 schon 2003 recht schön erklärt: man unterstellt dem schreiber faulheit, arroganz („ich stehe über der rechtschreibung“) oder respektlosigkeit den lesern gegenüber. das würde natürlich wegfallen, wenn sich die forderungen nach gemäßigter oder konsequenter kleinschreibung durchsetzten, wie sie beispielsweise der bund für vereinfachte rechtschreibung oder die kleinschriftbewegung aufstellen.
bis nach dem zweiten weltkrieg gab es neben deutsch übrigens eine weitere sprache, in der substantive mitten im satz mit großbuchstaben geschrieben wurden: dänisch. mit der rechtschreibreform von 1948 hat sich dänemark dann aber für die gemäßigte kleinschreibung entschieden. möglicherweise spielte dabei auch eine rolle, dass man sich damit nach dem zweiten weltkrieg von deutschland abgrenzen konnte.
eine entscheidung zwischen schreiber und leser
schrift wird von ganz unterschiedlichen leuten zu unterschiedlichen zwecken benutzt. dementsprechend breit gefächert sind die anforderungen und wünsche, die schreibende haben: formulierung spontaner gedanken, erörterung exakter argumente, poetischer ausdruck von gefühlen, schnelle kommunikation über alltägliches, festhalten von erinnerungen, formelle mitteilungen, …
ich finde, als schreibender sollte man seine leser im blick haben. sie müssen verstehen können, was man sagen möchte, und das geschieht wohl am einfachsten, wenn man die möglichkeiten der großschreibung für sich nutzt. als lesender, so würde ich mir wünschen, sollte man aber ruhig ein wenig offener dafür sein, wie ein autor sich ausdrückt. wenn jemand eine ungewohnte rechtschreibung anwendet, steckt dahinter nicht automatisch dummheit, boshaftigkeit oder wichtigtuerei.
im grunde bin ich recht froh darüber, großbuchstaben zur verfügung zu haben. zum glück sind aber auch blogeinträge wie dieser oder bücher wie „phi phi island“ ganz ohne großbuchstaben möglich. ich mag gedichte mit zurückhaltender kleinschreibung und bleibe im chat auch gerne mal monoalphabetisch (auch wenn der grund dann eher faulheit ist).

quelle ... gerhard großmann ... https://charakterziffer.github.io/kleinschreibung.html (29.10.2019)
...
ui.
 
gedanken zur kleinschreibung
im august habe ich das buch „phi phi island“ von josef haslinger gelesen. er berichtet, wie er und seine familie den tsunami von weihnachten 2004 in thailand überlebt hat. ungewöhnlich: das buch ist – so wie dieser blogeintrag – in konsequenter kleinschreibung verfasst. das hat mich anfangs irritiert, aber nach einigen seiten hatte ich mich daran gewöhnt.
im alltag ist es uns normalerweise nicht bewusst, dass wir in unserem schriftsystem eigentlich zwei unterschiedliche alphabete nutzen: groß- und kleinbuchstaben. damit sind wir nicht allein, denn auch im kyrillischen, griechischen, armenischen oder georgischen verwendet man großbuchstaben. viele sprachen funktionieren aber auch „monoalphabetisch“, zum beispiel arabisch, hebräisch, bengalisch oder chinesisch. diese schriftsysteme kommen ohne großbuchstaben aus.
lange zeit waren auch im deutschen nur kleinbuchstaben üblich. erst im mittelalter begann man damit, kapitelanfänge oder absätze mit einem besonders hervorgehobenen anfangsbuchstaben auszuzeichnen. personen- und ortsnamen werden seit dem 16. jahrhundert fast durchwegs großgeschrieben. das weitete sich allmählich auf anredefürwörter und titel aus („papst“, „könig“), auf wörter von großer bedeutung („konzil“) und schließlich auf alle substantive.
kann man das nun als weiterentwicklung der sprache sehen? oder stünde es dem heutigen deutsch gut, wieder weniger bedeutsam daher zu kommen? was verliert man durch eine durchgängige kleinschreibung? ist es nicht logischer und ästhetischer, wenn ein text nur ein alphabet verwendet und nicht durch versalien unterbrochen wird?
drei, die bewusst klein schreiben
ein vertreter der konsequenten kleinschreibung ist der autor und projektleiter felix schwenzel. in einem faq-artikel erklärt er, dass ihm die kleinschreibung den schreibfluss erleichtere und er so rotziger (=direkter?) schreiben könne. zudem findet er kleinschreibung ansprechender, keineswegs schlechter lesbar und sie sei mittlerweile zu einem markenzeichen geworden. kleinschreibung diene sogar als eine art „arschlochfilter“, weil es denjenigen, die seine texte lesen, tatsächlich um den inhalt gehe.
eine ganz andere begründung habe ich in einem blogartikel von rudolf greger gefunden. der wiener designer sieht großbuchstaben als irrtümlich eingeführtes mittel der repräsentation, um lesern die eigene wichtigkeit vorzuspiegeln und unterschiede sichtbar zu machen. mit seiner konsequenten kleinschreibung will sich rudolf greger von dieser aufwertung distanzieren, weil „werten nicht zum erfolg führt“.
eine ähnliche ansicht vertrat auch otl aicher (1922–1991). der schriftgestalter und designer gründete die hochschule für gestaltung in ulm und hat unter anderem das design der olympischen spiele in münchen entwickelt. im buch „gehen in der wüste“ kritisiert otl aicher unter der überschrift „rückkehr zu den verben“, wie sehr sich substantive durch ihre großschreibung in den vordergrund drängen. als statische objekte verstellen sie die beweglichen, lebendigen verben (siehe buchbesprechung auf kaffeehaussitzer.de).
wissenschaftliche untersuchung 1
aber großbuchstaben schaffen doch orientierung, unterstützen das querlesen von texten und machen wortbilder einprägsamer, oder? laut einer studie von herbert haberl werden großbuchstaben da überschätzt. der österreichische pädagoge hat 1976 in lesetests mit grundschülern und studenten erforscht, wie gut lesbar texte in kleinschreibung sind (es ging hier um die gemäßigte kleinschreibung, bei der satzanfänge und eigennamen weiterhin großgeschrieben bleiben).
in seiner 96-seitigen arbeit kommt er zu dem schluss, dass sich texte in (gemäßigter) kleinschreibung nach kurzer eingewöhnungszeit genauso gut oder leichter läsen als die großschreibung. das gälte für erwachsene wie auch für kinder. die optische akzentuierung der hauptwörter durch majuskeln wirke für die leser eher störend. so sei die großschreibung dem leser keine hilfe; eine gliederung durch groß geschriebene hauptwörter würde den lesevorgang eher beeinträchtigen.
das ergebnis ist allerdings ein wenig mit vorsicht zu genießen. leider lässt sich aus dem mitgelieferten zahlenmaterial nicht erkennen, ob der versuchsaufbau durch das statistische phänomen „regression zur mitte“ verzerrt wurde.[1]
wissenschaftliche untersuchung 2
wer den wikipedia-artikel über kleinschreibung durchliest, stößt auf zwei studien aus dem jahr 1989. die erste studie hat die augenbewegungen von 22 niederländischen studenten beim lesen aufgezeichnet. die versuchspersonen hatten gute deutschkenntnisse und bekamen fabeln auf deutsch und niederländisch auf einem bildschirm angezeigt. dabei wurde die groß-/kleinschreibung für beide sprachen variiert.[2]
überraschendes ergebnis: die versuchspersonen konnten die niederländischen texte schneller lesen, wenn darin die substantive nach deutscher regel großgeschrieben waren. die leser fixierten dann die wortbilder kürzer und erfassten mit einem blick mehr buchstaben. die zufällige, inverse oder konsequente großschreibung brachte dagegen schlechtere ergebnisse als die gewohnte kleinschreibung.
die autoren der studie folgern daraus, dass guten deutschlesern die gelernte regel auch für niederländische texte hilft. noch bevor der leser die bedeutung eines wortes kennt, erfährt er durch die großschreibung, dass es ein nomen und argument ist.
wissenschaftliche untersuchung 3
die zweite studie von 1989 hinterfragt, ob sich eine lesesituation wie in der vorher beschriebenen studie überhaupt mit alltäglichem lesen vergleichen lässt. zwar mag die messung der augenbewegungen genauer sein als wenn die lesezeit per stopptaste festgehalten wird. allerdings hatte jede versuchsperson eine 15 minütige kalibrierung über sich ergehen lassen müssen und war beim lesen mit zwei gurten auf einem zahnarztstuhl festgeschnallt gewesen.
diese studie arbeitete dagegen mit je 100 deutschen und niederländischen studenten. das textmaterial und die schreibvarianten waren identisch mit dem des zuvor beschriebenen versuchs; zusätzlich gab es weitere fabeln und deren übersetzung ins englische. die versuchpersonen erhielten die texte als diaprojektion in deutsch und englisch (für deutsche studenten) bzw. in deutsch und niederländisch (für niederländische studenten).
ergebnis bei den deutschen lesern: sie haben die englischsprachigen fabeln gleich schnell in gemäßigter kleinschreibung gelesen wie in gemischtschreibung nach deutscher regel. (kleine unterschiede: gute englischleser haben sie in kleinschreibung etwas schneller gelesen, schlechtere englischleser in gemischtschreibung). die deutsche schreibung erleichterte den deutschen versuchspersonen das lesen also mehr, als die ungewohnte wortbilder störten.
bei den niederländischen lesern gab es keine vorteile der deutschen schreibung. es ließ sich nur festhalten, dass gute deutschleser die schreibung nach deutscher regel in niederländischen texten weniger störend fanden. gleichzeitig wurden sie durch die kleinschreibung in deutschen texten mehr behindert. für gute wie schlechte deutschleser unter den niederländischen versuchspersonen war es besser, wenn die texte in gewohnter schreibweise präsentiert wurden.
die beiden studien trugen übrigens die titel „augenbewegungen und substantivgroßschreibung – eine pilotstudie“ beziehungsweise „zur funktion der groß- und kleinbuchstaben beim lesen deutscher, englischer und niederländischer texte“. sie erschienen 1989 in „schriftsystem und orthographie“ von den herausgebern peter eisenberg und hartmut günther.
eine diskussion unter typografen
mitte juli ging es im swr2-forum um typografie. es diskutierten die typografen prof. hans andree, prof. dr. erik spiekermann und prof. ulrike stoltz. ab minute 16 ging es auch um die kleinschreibung.
ulrike stoltz schreibt auf einigen tastaturen gern mal konsequent klein. sie hat aber beobachtet, dass die gemischtschreibung für leichter erkennbare wortbilder sorgt. bei schriften wie der johnston sans, die im öffentlichen nahverkehr in london verwendet wird, hat sie eine größere x-höhe bemerkt und schlussfolgert, dass dies bei der gemäßigten kleinschreibung für eine bessere unterscheidbarkeit der buchstaben nötig ist. allgemein schätzt sie die größere visuelle abwechslung bei gemischtschreibung.
erik spiekermann schreibt seine mails pragmatisch klein – allerdings mit großem satzanfang und großgeschriebenen eigennamen. das liegt vor allem daran, weil er mehr englische als deutsche e-post verschickt. den gänzlichen verzicht auf großbuchstaben findet er allerdings „eine rein ideologische forderung, die völlig bescheuert ist“, weil man dann nur noch schwer erkennen könne, wo ein satz endet und ein neuer anfängt.
hans andree verweist auf die brüder grimm, die zeitlebens gegen die verwendung von großbuchstaben gewettert haben (wie im band 1 ihres wörterbuchs: „ch wollte auch den wust und unflat unsrer schimpflichen die gliedmaszen der sprache ungefüg verhüllenden und entstellenden schreibweise ausfegen“; oder in deutsche grammatik: „wer große buchstaben für den anlaut der substantive [braucht], schreibt pedantisch.“). nach dem krieg mit der umstellung von fraktur auf antiqua forderten auch typografen wie paul renner einen neuanfang und die rückkehr zur kleinschreibung (d. h. die rückkehr vor die zeit des barock).
mehrdeutigkeiten, weniger ausdrucksvielfalt
natürlich kann es zu missverständnissen kommen, wenn zur unterscheidung keine großbuchstaben mehr zur verfügung stehen. im deutschen entstehen solche mehrdeutigkeiten besonders leicht, erklärt der literaturwissenschaftler andreas digeser in seinem beitrag „lese-erschwernis oder neue syntax?“ (erschienen in „groß- oder kleinschreibung? – beiträge zur rechtschreibreform“, 1974). die gründe sind:


    • andere wortarten können wie ein substantiv verwendet werden: „was gibt den faulen antrieb?“
    • substantivisch, verbale und adjektivische formen haben gleichlautende endungen: „nur alte wagen gefahren“
    • subjekt und objekt können direkt aufeinander folgen (ohne verb dazwischen): „es sollte jeder höfliche rhetorik beherrschen.“, also jeder höfliche sollte rhet… oder jeder sollte höfliche rhet…
    • der, die und das können bestimmter artikel oder demonstrativpronomen sein: „sie sollte besser das schreiben lassen.“, also das sollte sie schreib… oder das schreiben sollte sie …
viele der beispiele[3] lassen sich zwar schnell aus dem kontext erschließen, also ob es sich bei „der gefangene floh“ um einen geflüchteten häftling handelt oder um ein eingesperrtes insekt. einige formulierungen versteht man aber erst im größeren zusammenhang. reicht es wirklich, wenn der leser erst nach zwei weiteren sätzen versteht, worum es geht?
damit solche sätze in kleinschreibung eindeutig sind, müssen sie umformuliert werden; das kann man als eingeschränkte ausdrucksvielfalt betrachten.
beleidigen kleinschreiber ihre leser?
warum die kleinschreibung derzeit bei einigen leuten nicht gut ankommt, hat in einem forumsthread auf wer-weiss-was.de die nutzerin klara_673311 schon 2003 recht schön erklärt: man unterstellt dem schreiber faulheit, arroganz („ich stehe über der rechtschreibung“) oder respektlosigkeit den lesern gegenüber. das würde natürlich wegfallen, wenn sich die forderungen nach gemäßigter oder konsequenter kleinschreibung durchsetzten, wie sie beispielsweise der bund für vereinfachte rechtschreibung oder die kleinschriftbewegung aufstellen.
bis nach dem zweiten weltkrieg gab es neben deutsch übrigens eine weitere sprache, in der substantive mitten im satz mit großbuchstaben geschrieben wurden: dänisch. mit der rechtschreibreform von 1948 hat sich dänemark dann aber für die gemäßigte kleinschreibung entschieden. möglicherweise spielte dabei auch eine rolle, dass man sich damit nach dem zweiten weltkrieg von deutschland abgrenzen konnte.
eine entscheidung zwischen schreiber und leser
schrift wird von ganz unterschiedlichen leuten zu unterschiedlichen zwecken benutzt. dementsprechend breit gefächert sind die anforderungen und wünsche, die schreibende haben: formulierung spontaner gedanken, erörterung exakter argumente, poetischer ausdruck von gefühlen, schnelle kommunikation über alltägliches, festhalten von erinnerungen, formelle mitteilungen, …
ich finde, als schreibender sollte man seine leser im blick haben. sie müssen verstehen können, was man sagen möchte, und das geschieht wohl am einfachsten, wenn man die möglichkeiten der großschreibung für sich nutzt. als lesender, so würde ich mir wünschen, sollte man aber ruhig ein wenig offener dafür sein, wie ein autor sich ausdrückt. wenn jemand eine ungewohnte rechtschreibung anwendet, steckt dahinter nicht automatisch dummheit, boshaftigkeit oder wichtigtuerei.
im grunde bin ich recht froh darüber, großbuchstaben zur verfügung zu haben. zum glück sind aber auch blogeinträge wie dieser oder bücher wie „phi phi island“ ganz ohne großbuchstaben möglich. ich mag gedichte mit zurückhaltender kleinschreibung und bleibe im chat auch gerne mal monoalphabetisch (auch wenn der grund dann eher faulheit ist).

quelle ... gerhard großmann ... https://charakterziffer.github.io/kleinschreibung.html (29.10.2019)
...

Nach 10 Minuten Quälerei durch eine Textwüste habe ich "Gefällt mir" beim Beitrag von @Bianchi-Hilde angewählt.
 
gedanken zur kleinschreibung
im august habe ich das buch „phi phi island“ von josef haslinger gelesen. er berichtet, wie er und seine familie den tsunami von weihnachten 2004 in thailand überlebt hat. ungewöhnlich: das buch ist – so wie dieser blogeintrag – in konsequenter kleinschreibung verfasst. das hat mich anfangs irritiert, aber nach einigen seiten hatte ich mich daran gewöhnt.
im alltag ist es uns normalerweise nicht bewusst, dass wir in unserem schriftsystem eigentlich zwei unterschiedliche alphabete nutzen: groß- und kleinbuchstaben. damit sind wir nicht allein, denn auch im kyrillischen, griechischen, armenischen oder georgischen verwendet man großbuchstaben. viele sprachen funktionieren aber auch „monoalphabetisch“, zum beispiel arabisch, hebräisch, bengalisch oder chinesisch. diese schriftsysteme kommen ohne großbuchstaben aus.
lange zeit waren auch im deutschen nur kleinbuchstaben üblich. erst im mittelalter begann man damit, kapitelanfänge oder absätze mit einem besonders hervorgehobenen anfangsbuchstaben auszuzeichnen. personen- und ortsnamen werden seit dem 16. jahrhundert fast durchwegs großgeschrieben. das weitete sich allmählich auf anredefürwörter und titel aus („papst“, „könig“), auf wörter von großer bedeutung („konzil“) und schließlich auf alle substantive.
kann man das nun als weiterentwicklung der sprache sehen? oder stünde es dem heutigen deutsch gut, wieder weniger bedeutsam daher zu kommen? was verliert man durch eine durchgängige kleinschreibung? ist es nicht logischer und ästhetischer, wenn ein text nur ein alphabet verwendet und nicht durch versalien unterbrochen wird?
drei, die bewusst klein schreiben
ein vertreter der konsequenten kleinschreibung ist der autor und projektleiter felix schwenzel. in einem faq-artikel erklärt er, dass ihm die kleinschreibung den schreibfluss erleichtere und er so rotziger (=direkter?) schreiben könne. zudem findet er kleinschreibung ansprechender, keineswegs schlechter lesbar und sie sei mittlerweile zu einem markenzeichen geworden. kleinschreibung diene sogar als eine art „arschlochfilter“, weil es denjenigen, die seine texte lesen, tatsächlich um den inhalt gehe.
eine ganz andere begründung habe ich in einem blogartikel von rudolf greger gefunden. der wiener designer sieht großbuchstaben als irrtümlich eingeführtes mittel der repräsentation, um lesern die eigene wichtigkeit vorzuspiegeln und unterschiede sichtbar zu machen. mit seiner konsequenten kleinschreibung will sich rudolf greger von dieser aufwertung distanzieren, weil „werten nicht zum erfolg führt“.
eine ähnliche ansicht vertrat auch otl aicher (1922–1991). der schriftgestalter und designer gründete die hochschule für gestaltung in ulm und hat unter anderem das design der olympischen spiele in münchen entwickelt. im buch „gehen in der wüste“ kritisiert otl aicher unter der überschrift „rückkehr zu den verben“, wie sehr sich substantive durch ihre großschreibung in den vordergrund drängen. als statische objekte verstellen sie die beweglichen, lebendigen verben (siehe buchbesprechung auf kaffeehaussitzer.de).
wissenschaftliche untersuchung 1
aber großbuchstaben schaffen doch orientierung, unterstützen das querlesen von texten und machen wortbilder einprägsamer, oder? laut einer studie von herbert haberl werden großbuchstaben da überschätzt. der österreichische pädagoge hat 1976 in lesetests mit grundschülern und studenten erforscht, wie gut lesbar texte in kleinschreibung sind (es ging hier um die gemäßigte kleinschreibung, bei der satzanfänge und eigennamen weiterhin großgeschrieben bleiben).
in seiner 96-seitigen arbeit kommt er zu dem schluss, dass sich texte in (gemäßigter) kleinschreibung nach kurzer eingewöhnungszeit genauso gut oder leichter läsen als die großschreibung. das gälte für erwachsene wie auch für kinder. die optische akzentuierung der hauptwörter durch majuskeln wirke für die leser eher störend. so sei die großschreibung dem leser keine hilfe; eine gliederung durch groß geschriebene hauptwörter würde den lesevorgang eher beeinträchtigen.
das ergebnis ist allerdings ein wenig mit vorsicht zu genießen. leider lässt sich aus dem mitgelieferten zahlenmaterial nicht erkennen, ob der versuchsaufbau durch das statistische phänomen „regression zur mitte“ verzerrt wurde.[1]
wissenschaftliche untersuchung 2
wer den wikipedia-artikel über kleinschreibung durchliest, stößt auf zwei studien aus dem jahr 1989. die erste studie hat die augenbewegungen von 22 niederländischen studenten beim lesen aufgezeichnet. die versuchspersonen hatten gute deutschkenntnisse und bekamen fabeln auf deutsch und niederländisch auf einem bildschirm angezeigt. dabei wurde die groß-/kleinschreibung für beide sprachen variiert.[2]
überraschendes ergebnis: die versuchspersonen konnten die niederländischen texte schneller lesen, wenn darin die substantive nach deutscher regel großgeschrieben waren. die leser fixierten dann die wortbilder kürzer und erfassten mit einem blick mehr buchstaben. die zufällige, inverse oder konsequente großschreibung brachte dagegen schlechtere ergebnisse als die gewohnte kleinschreibung.
die autoren der studie folgern daraus, dass guten deutschlesern die gelernte regel auch für niederländische texte hilft. noch bevor der leser die bedeutung eines wortes kennt, erfährt er durch die großschreibung, dass es ein nomen und argument ist.
wissenschaftliche untersuchung 3
die zweite studie von 1989 hinterfragt, ob sich eine lesesituation wie in der vorher beschriebenen studie überhaupt mit alltäglichem lesen vergleichen lässt. zwar mag die messung der augenbewegungen genauer sein als wenn die lesezeit per stopptaste festgehalten wird. allerdings hatte jede versuchsperson eine 15 minütige kalibrierung über sich ergehen lassen müssen und war beim lesen mit zwei gurten auf einem zahnarztstuhl festgeschnallt gewesen.
diese studie arbeitete dagegen mit je 100 deutschen und niederländischen studenten. das textmaterial und die schreibvarianten waren identisch mit dem des zuvor beschriebenen versuchs; zusätzlich gab es weitere fabeln und deren übersetzung ins englische. die versuchpersonen erhielten die texte als diaprojektion in deutsch und englisch (für deutsche studenten) bzw. in deutsch und niederländisch (für niederländische studenten).
ergebnis bei den deutschen lesern: sie haben die englischsprachigen fabeln gleich schnell in gemäßigter kleinschreibung gelesen wie in gemischtschreibung nach deutscher regel. (kleine unterschiede: gute englischleser haben sie in kleinschreibung etwas schneller gelesen, schlechtere englischleser in gemischtschreibung). die deutsche schreibung erleichterte den deutschen versuchspersonen das lesen also mehr, als die ungewohnte wortbilder störten.
bei den niederländischen lesern gab es keine vorteile der deutschen schreibung. es ließ sich nur festhalten, dass gute deutschleser die schreibung nach deutscher regel in niederländischen texten weniger störend fanden. gleichzeitig wurden sie durch die kleinschreibung in deutschen texten mehr behindert. für gute wie schlechte deutschleser unter den niederländischen versuchspersonen war es besser, wenn die texte in gewohnter schreibweise präsentiert wurden.
die beiden studien trugen übrigens die titel „augenbewegungen und substantivgroßschreibung – eine pilotstudie“ beziehungsweise „zur funktion der groß- und kleinbuchstaben beim lesen deutscher, englischer und niederländischer texte“. sie erschienen 1989 in „schriftsystem und orthographie“ von den herausgebern peter eisenberg und hartmut günther.
eine diskussion unter typografen
mitte juli ging es im swr2-forum um typografie. es diskutierten die typografen prof. hans andree, prof. dr. erik spiekermann und prof. ulrike stoltz. ab minute 16 ging es auch um die kleinschreibung.
ulrike stoltz schreibt auf einigen tastaturen gern mal konsequent klein. sie hat aber beobachtet, dass die gemischtschreibung für leichter erkennbare wortbilder sorgt. bei schriften wie der johnston sans, die im öffentlichen nahverkehr in london verwendet wird, hat sie eine größere x-höhe bemerkt und schlussfolgert, dass dies bei der gemäßigten kleinschreibung für eine bessere unterscheidbarkeit der buchstaben nötig ist. allgemein schätzt sie die größere visuelle abwechslung bei gemischtschreibung.
erik spiekermann schreibt seine mails pragmatisch klein – allerdings mit großem satzanfang und großgeschriebenen eigennamen. das liegt vor allem daran, weil er mehr englische als deutsche e-post verschickt. den gänzlichen verzicht auf großbuchstaben findet er allerdings „eine rein ideologische forderung, die völlig bescheuert ist“, weil man dann nur noch schwer erkennen könne, wo ein satz endet und ein neuer anfängt.
hans andree verweist auf die brüder grimm, die zeitlebens gegen die verwendung von großbuchstaben gewettert haben (wie im band 1 ihres wörterbuchs: „ch wollte auch den wust und unflat unsrer schimpflichen die gliedmaszen der sprache ungefüg verhüllenden und entstellenden schreibweise ausfegen“; oder in deutsche grammatik: „wer große buchstaben für den anlaut der substantive [braucht], schreibt pedantisch.“). nach dem krieg mit der umstellung von fraktur auf antiqua forderten auch typografen wie paul renner einen neuanfang und die rückkehr zur kleinschreibung (d. h. die rückkehr vor die zeit des barock).
mehrdeutigkeiten, weniger ausdrucksvielfalt
natürlich kann es zu missverständnissen kommen, wenn zur unterscheidung keine großbuchstaben mehr zur verfügung stehen. im deutschen entstehen solche mehrdeutigkeiten besonders leicht, erklärt der literaturwissenschaftler andreas digeser in seinem beitrag „lese-erschwernis oder neue syntax?“ (erschienen in „groß- oder kleinschreibung? – beiträge zur rechtschreibreform“, 1974). die gründe sind:


    • andere wortarten können wie ein substantiv verwendet werden: „was gibt den faulen antrieb?“
    • substantivisch, verbale und adjektivische formen haben gleichlautende endungen: „nur alte wagen gefahren“
    • subjekt und objekt können direkt aufeinander folgen (ohne verb dazwischen): „es sollte jeder höfliche rhetorik beherrschen.“, also jeder höfliche sollte rhet… oder jeder sollte höfliche rhet…
    • der, die und das können bestimmter artikel oder demonstrativpronomen sein: „sie sollte besser das schreiben lassen.“, also das sollte sie schreib… oder das schreiben sollte sie …
viele der beispiele[3] lassen sich zwar schnell aus dem kontext erschließen, also ob es sich bei „der gefangene floh“ um einen geflüchteten häftling handelt oder um ein eingesperrtes insekt. einige formulierungen versteht man aber erst im größeren zusammenhang. reicht es wirklich, wenn der leser erst nach zwei weiteren sätzen versteht, worum es geht?
damit solche sätze in kleinschreibung eindeutig sind, müssen sie umformuliert werden; das kann man als eingeschränkte ausdrucksvielfalt betrachten.
beleidigen kleinschreiber ihre leser?
warum die kleinschreibung derzeit bei einigen leuten nicht gut ankommt, hat in einem forumsthread auf wer-weiss-was.de die nutzerin klara_673311 schon 2003 recht schön erklärt: man unterstellt dem schreiber faulheit, arroganz („ich stehe über der rechtschreibung“) oder respektlosigkeit den lesern gegenüber. das würde natürlich wegfallen, wenn sich die forderungen nach gemäßigter oder konsequenter kleinschreibung durchsetzten, wie sie beispielsweise der bund für vereinfachte rechtschreibung oder die kleinschriftbewegung aufstellen.
bis nach dem zweiten weltkrieg gab es neben deutsch übrigens eine weitere sprache, in der substantive mitten im satz mit großbuchstaben geschrieben wurden: dänisch. mit der rechtschreibreform von 1948 hat sich dänemark dann aber für die gemäßigte kleinschreibung entschieden. möglicherweise spielte dabei auch eine rolle, dass man sich damit nach dem zweiten weltkrieg von deutschland abgrenzen konnte.
eine entscheidung zwischen schreiber und leser
schrift wird von ganz unterschiedlichen leuten zu unterschiedlichen zwecken benutzt. dementsprechend breit gefächert sind die anforderungen und wünsche, die schreibende haben: formulierung spontaner gedanken, erörterung exakter argumente, poetischer ausdruck von gefühlen, schnelle kommunikation über alltägliches, festhalten von erinnerungen, formelle mitteilungen, …
ich finde, als schreibender sollte man seine leser im blick haben. sie müssen verstehen können, was man sagen möchte, und das geschieht wohl am einfachsten, wenn man die möglichkeiten der großschreibung für sich nutzt. als lesender, so würde ich mir wünschen, sollte man aber ruhig ein wenig offener dafür sein, wie ein autor sich ausdrückt. wenn jemand eine ungewohnte rechtschreibung anwendet, steckt dahinter nicht automatisch dummheit, boshaftigkeit oder wichtigtuerei.
im grunde bin ich recht froh darüber, großbuchstaben zur verfügung zu haben. zum glück sind aber auch blogeinträge wie dieser oder bücher wie „phi phi island“ ganz ohne großbuchstaben möglich. ich mag gedichte mit zurückhaltender kleinschreibung und bleibe im chat auch gerne mal monoalphabetisch (auch wenn der grund dann eher faulheit ist).

quelle ... gerhard großmann ... https://charakterziffer.github.io/kleinschreibung.html (29.10.2019)
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