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Reisebericht /// München-Arles-Marseille (vollständig !)

firlie

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München - Arles – Marseille (2023) ist wie bei allen meinen vorherigen Radreisen aus einer spontanen Idee (kurz nach meiner letztjährigen Tour "Budapest-Kotor") entstanden. Die genaue Ausarbeitung, Recherchen zu Sehenswürdigkeiten und auch die Unterkunftbuchung dauerten aber bis kurz vor Reiseantritt. Mein Rad ist seit 2014 dasselbe: Ein zum Reiserennrad umgebautes Strada900 mit 32mm Rennradreifen, an das ich hinten zwei 25 Liter Fahrradtaschen anhänge, vorn eine Lenkertasche habe. Ein etrex 30 von Garmin ist seit Anfang mein treuer Begleiter für die Streckenführung.

Die Strecke findet ihr unter: https://www.alltrails.com/de/explore/map/map-f1e5284-3
 
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Re: Reisebericht /// München-Arles-Marseille (vollständig !)
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Tag 1 München - Starnberger See 48km / 750Hm

Die Deutsche Bahn bringt mich am 15.07.2023 gegen 4 Uhr von Dresden über Leipzig nach München. Ab Leipzig ist ein Wagon des ICE komplett gesperrt, weil dort die Klimaanlage nicht funktioniert. Einige Leute müssen deshalb stehen obwohl eigentlich Platz genug wäre, ansonsten verläuft die Anreise problemlos. Wars am Morgen noch recht frisch, ich hatte ein Jäckchen an, überfällt mich am späten Vormittag, beim Verlassen des Münchner Bahnhofs, die Hitze mit über 30 Grad.

Mein kleines etrex30, auf dem Vorbau des Lenkers montiert, und auf dem ich nur den gespeicherten Track und meinen Standort sehe, führt mich durch die Straßen der Stadt, die gut ausgeschilderte Radwege bereithält, auf eine Art Fahrradautobahn im Forstenrieder Park und weiter an den Starnberger See.


Münchner Theresienwiese - es ist Mitte Juli, riesige Zelte werden schon fürs Oktoberfest aufgebaut


Radautobahn Forstenrieder Park


Sonne, blauer Himmel - Sommer von seiner schönsten Seite. Dazu ein Traumblick auf den glasklaren, malerischen See, den ich nur von Bildern kenne. Ich fühle, dass ich angekommen bin auf meiner Reise, habe Spaß, freue mich am Jetzt und das ich das erleben darf.



Ein Lokal direkt am Ufer bietet ein kleines Essen, dann fahre ich weiter zur Unterkunft für die erste Übernachtung, die ungefähr in der Mitte vom östlichen Ufer liegt. Den späten Nachmittag und den Abend relaxe ich, esse leckeren Saibling, trinke nicht nur ein Bier und lasse am Seeufer, im Liegestuhl, einen wunderbaren ersten, sonnigen Tag ausklingen.
 
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Tag 2 Starnberger See - Biberwier 88km / 1750Hm



Eigentlich sollte es schon gestern Abend regnen, auch in der Nacht. Aber nüscht kam von oben ! Um 6e nun, als ich in meinen 2ten Tag starten will, kommen erste Tropfen, die sich schnell zu einem mittelmäßig starken Landregen verdichten, der bis 8 Uhr anhält, und der es zumindest schafft, meine Schuhe zu durchweichen, denn ich bin zu faul meine Überzieher aus der Tasche zu kramen.


In Murnau am Staffelsee halte ich an einer kleinen Bäckerei, esse ein Stück Kuchen und trinke Kaffee, was mich schnell den nassen Start vergessen macht, denn inzwischen klart es auch auf.






Ich komme auf den "Loisach-Radweg" den ich so supergut finde, dass ich ihn nun bis zum Ziel Biberwier fast komplett befahre, auf die eigentlich geplante Straße verzichte. Der Untergrund ist zwar teilweise schottrig, lässt sich aber gut fahren. Allein die herrliche Landschaft ist es, die mich alles Negative ausblenden lässt, sie ist der Hauptgrund für alle RadReisen die ich mache, denn diese Ausblicke bedeuten mir unwahrscheinlich viel.

In Garmisch suche ich eine Waschanlage, denn das Rad sieht nach dem Regen und dem Radweg schon am 2ten Tag aus, als wenns der 20te wäre. Als ich fündig werde gibt es da nichts zum selber Abspritzen. Ich umfahre die Anlage, sehe schließlich darin einen Schlauch liegen, den ich mir schnappen will, da tönt aus dem "off" eine Stimme, dass ich das zu unterlassen habe. Dazu kommt unerwartet ein total unfreundlicher Mensch, der mir den Schlauch entreißt. Ich frage höflich, ob ich kurz das Rad ... Aber auch, als anscheinlich der Chef persönlich dazu kommt, der den Schlauchentreißenden zurechtweist, ist da nichts zu machen.


Häselgehrbacher Wasserfall



Gegen Mittag bin ich Ehrwald, hole in einer Tanke ein paar Erfrischungen um danach in das wunderschöne "Ehrwalder Becken" einzufahren. Nicht nur von hier, auch vom Hotel "My Tirol", wo ich nächtige, habe ich traumhafte Blicke auf die Zugspitze und die Umgebung.


Die Loisach im Ehrwalder Becken, mit Blick auf die 2000er Gipfel.


Blick vom Hotelzimmerfenster auf die Zugspitze
 
Tag 3 Biberwier - Pfunds 82km / 1500Hm



Trübe, zugezogen und mit einer 6 Kilometer langen Steigung, hinauf zum Fernpass, geht es um 6 Uhr in den 3ten Tag. Wenig Verkehr auf der Straße und ich bin erstaunt, dass ich relativ schnell oben bin. Doch hier fängt es an zu regnen, was mir die Abfahrt zum Fernsteinsee total vermiest und mich frieren lässt wie einen jungen Hund.


Alpenidylle


In Nassereith kommt aber die Sonne und es kommt auch eine Bäckerei mit Kaffee, bei der ich nicht widerstehen kann, mich setzte, frühstücke und auflebe. Am Gurgelbach gehts dann weiter bis Imst, wo ich auf den "Inn-Radweg" stoße, auf dem ich bis zum Tagesziel Pfunds fahre. Diese Teilstücke des Loisach- und auch InnRadwegs, die ich fahre, sind landschaftlich traumhaft. Es gibt dann und wann mal ne Steigung, etwas Schotter hier und da, aber alles ist machbar für mich und mein Fahrrad. Es sind auch jede Menge andere Radler unterwegs, was die Beliebtheit der Strecke zeigt, viele mit Gepäck, einige haben sogar den halben Hausrat am Fahrrad. Aber jeder wie er mag, das gilt auch für die übervielen Radler mit nem dicken Akku am Rad.

 
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Innradweg


Straße neben dem Innradweg


Der Inn in Österreich


13 Uhr bin ich bei knallender Sonne in Pfunds. Hier gibt es eine kleine Pension, wo ich eine Bleibe für die Nacht mit Lunchpaket gebucht habe. Ich bin glücklich, dass ich vor der vereinbarten Zeit in mein Zimmer darf, leider wird diese Freude wieder relativiert, denn ich finde, obwohl es vereinbart war, obwohl ich nicht nur einmal daran erinnert habe, abends mein Lunchpaket nicht vor meiner Tür. Ich muss mehrfach telefonieren, dass ich meine Stärkung für den nächsten Tag erhalte. Aber im Großen und Ganzen waren diese ersten 3 Etappen ein super Tourauftakt. Die Freude am Fahren und vor allem an dieser wunderschönen Landschaft ist so riesig, da wäre das kleinste Meckern fehl am Platze.
 
Tag 4 Pfunds - Celerina/Schlarigna 90km / 2650Hm



Mit dem Radweg habe ich bisher gute Erfahrung gemacht, ich beschließe das auch an Tag 4 beizubehalten, komme so an der Feste "Alt Finstermünz" vorbei. Und weil es noch früh am Tage ist, habe ich diese ganz für mich alleine.


Kurz darauf fahre ich in die Schweiz ein, halte zum ersten Male im Leben "Sichere Währung" in den Händen


Kurios: mein Strada900 im Ort Strada, in der Schweiz

Leider musste ich nach der Feste Alt Finstermünz ein ganzes Stück des Weges nach oben schieben, zu steil, zu schotterig. Das schreckt mich ab, und in Anbetracht dessen, was ich an Strecke und Höhenmetern heute noch vor mir habe, wechsele ich dann doch auf die Straße ! Aber auch die hat es in sich ! 3 längere Rampen, vermeldet mein Tagebuch.

Impressionen vom Innradweg - bzw. der Straße, der neben diesem verläuft:





Dazu ist die Sonne ab 8 Uhr da, knallt auf den immer langsamer werdenden Radfahrer, der laut vor sich her flucht und den Beginn der Engadiner Hochebene erwartet. Kurz vor Zuoz scheint es dann geschafft. Ich bin erst mal happy, bin auf etwa 1650 Metern Höhe, sehe die Ebene vor mir, die links und rechts von den Bergen flankiert ist.
 
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Der Fluss Inn, bzw. hier noch das Bächlein Inn, in seinen Anfängen.
Engadiner Hochebene / Schweiz



Es gibt neben langen und flachen, aber eher langweiligen- auch sehr schöne Radweg-Abschnitte, die mich begeistern. Doch umso näher ich meinem Tagesziel, dem Ort Celerina komme, umso kräftiger weht von vorn ein barbarischer Gegenwind. Die vielen Radler, die mir auf dem Radweg entgegenkommen, brauchen nicht zu treten, werden vom Wind geschoben. Am Tagesziel bin ich fix und fertig, darf aber im Hotel schon in mein Zimmer, das an Wünschen nichts offen lässt. Nach meinem täglich üblichen Ritual: die Radsachen durchwaschen, mich durchwaschen und ein kleines Schläfchen halten, gehe ich in den kleinen Ort und mache Bekanntschaft mit den Preisen hier in der Schweiz. Dass diese teilweise in Frankreich noch zu toppen sind, ahne ich noch nicht ....


Ja, das war ganz lecker !
 
Tag 5 Celerina - Comer See 101km / 1200Hm

Zu Beginn des 6ten Tages versuche ich noch den Radweg, komme an St.Moritz vorbei und weiche dann aber auf die Straße aus, die mir die kleinen, bösen Hügel zwischendurch erspart.




Am Silsersee in der Schweiz, kurz vorm Maloja-Pass.
Einmal mit der Sonne, einmal gegen die Sonne fotografiert


Gegen 8 Uhr bin ich auf dem Maloja-Pass, und damit einmal über die Alpen drüber


Deutlich schwerer: die Auffahrt vom Maloja-Pass von Italien her.
Die Serpentinen kurz vorm Gipfel.




Auf der Abfahrt friere ich mal wieder, trotzt 20°C und übergezogenem Jäckchen. Und vor Borgonuovo beginnt es auch noch zu regnen. Schlappernd suche ich einen Unterstand und muss an die vielen Radfahrer denken, die ich aufwärts fahrend traf.



Borgonuovo hält eine ganz besondere Überraschung bereit: einen sehenswerten Wasserfall. Und den habe ich, angesichts des Regens, für die 20 Minuten meines Aufenthalts ganz für mich allein. Darauf folgt der Ort Chiavenna, ebenfalls eine Perle mit einer schönen Altstadt und herrlichem Blick auf den Fluss.


Herrlicher Radweg zum Mezola-See


Am MezzolaSee vorbei, über die lange Ponte del Passo, erreiche ich schließlich den Lago di Como, wo ich angesichts von 30 Grad und Sonnenschein erst mal ein Bierchen in mich hinein gieße.
 
Nach 14 Uhr sitze ich Tagebuch schreibend auf dem Balkon vom Hotel Sole, das ungefähr in der Mitte des westlichen Ufers des Comer - Sees liegt. 40 Kilometer trennen mich jetzt noch vom eigentlichen Ort Como. Es ist ein heißer Sommertag und ich habe, abgesehen von der nervig lauten Straße am Hotel, einen wunderbaren Blick auf den See und auf das am Hang klebende Örtchen "Rezzonico", das für mich eins der ganz großen Höhenpunkte der Reise darstellen wird. Das Phänomen jeder Radreise, dass ich, ab dem 4ten ...5ten Tag nicht mehr weiß welcher Tag und welche Etappe gerade aktuell sind, hat sich eingestellt. Aber körperlich bin ich super drauf, und ja, das war heute aber auch eher eine "WarmduscherEtappe", denn es ging oben vom "MalojaPass" mehr oder weniger nur hinunter und dann flach zum Comer See. Das Abendessen im Hotel (ein Kellner spricht deutsch) und der Besuch des kleinen Örtchens Rezzonico beschließen einen wunderbaren Tag.


Malerisch und wunderwunderschön ! Blick auf den Lago di Como von Rezzonico aus.


Blick aufs Hotel Sole, wo ich nächtige.



"Rezzonico" ein kleiner Fischerort mit engen Gassen. Es sind Bilder ausgestellt, wie es früher mal war. Ich bin schwer beeindruckt !
 
Tag 6 Comer See - Tornavento 96km / 1550Hm

Es ist Donnerstag, der 20.07.2023. Wie immer ramme ich meine Clickis gegen 6 Uhr in die Pedale, fahre los. Eine Autostraße mit ständigem Auf und Ab, mal mehr- mal weniger am See entlang, führt mich bis kurz vor Como. Führt die Autostraße durch ein Tunnel, weichen die Radfahrer auf eine herrliche Umgehung um den Tunnel aus.


Umfahrung einer "Galleria"

Aber kurz vor Como ist man gerade dabei diese letzte Umgehung wegen Baumaßnahmen zu sperren. 2 Arbeiter bedeuten mir und einem italienischen Rennradfahrer, dass wir auf die "Galleria" ausweichen sollen, also dem Tunnel, der nur für Autofahrer gestattet ist. Zwar flucht mein rennradelnder Begleiter wie ein Rohrspatz, stürzt sich aber kurzerhand mit dem Rad in den 2 Kilometer langen Tunnel. Mir ist nicht wohl bei diesem aufgezwungenen Abenteuer, auf das auch ich mich einlasse, aber ich habe keine Wahl. Wie vom Teufel gejagt trete ich was die Beine hergeben. Und der Teufel hat eine beeindruckende Stimme und zwar in Form eines Dauerhupkonzertes der Autos, die mich auf den gesamten 2 Kilometern begleiten. Aber ich erreiche Como gesund, mache erst mal Rast und Frühstück.



Der Comer See liegt, von Bergen umrahmt, in ca. 200 Metern Seehöhe. Ich will weiter in Richtung Westen, ins Piemont, und muss jetzt stichartig hoch auf 450 Meter, was auch wegen der knallenden Sonne unheimlich schweißtreibend wird. Die nächsten 10 Kilometer sind dann wieder ein Auf und Ab, was mächtig an meine Substanz geht. Gehe ich nach meinen Aufzeichnungen, dann schleppe ich mich die restlichen 50 Tageskilometer, obwohl die Strecke eine sehr schöne ist.


Kurz hinter, bzw. über "Como" - die westlichen Alpen sind schon in der Ferne zu sehen.


Tornavento heißt mein Tagesziel und liegt 6 Kilometer vom riesigen "Malpensa-Airport" entfernt. Das winzige Örtchen hat eine wunderbare Aussichtsplatform, von der man in der Ferne die nordwestlichen Alpen sehen kann und die von einer Kirche und 2 Lokalen bestanden ist. Das ist aber auch schon alles.





Einer der zahlriechen Kanäle in und um Tornavento, die Wasser aus den Bergen zur Stromgewinnung bündeln.


In Tornavento gibts nicht viel. Mangels Alternative gehe ich in eine Bar und esse diese "Lasagne". Aber sie schmeckt, auch die herrlich kalten 2 Biere, die ich als Treibstoff in mich hinein kippe. Es sind wieder an die 40°C !
 
Tag 7 Tornavento - Chivasso 99km / 1150Hm

Gestern und heute fahre ich durchs Piemont. Was ich sofort mit dieser Gegend in Verbindung bringe ist die "Piemont-Kirsche", die in der süßen Versuchung namens "Mon Cherie" drinstecken soll. Aber keine Kirschbäume weit und breit, ich fahre, vor allem heute, durch flaches Land, das von Kanälen durchzogen und mit Reisfeldern (!!!!) übersäht ist. Städte wie Novara oder Vercelli bieten ansehlich sakrale Bauten und historisches AltstadtFlair. Der Wind kommt günstig, ich fliege nur so dahin. Dann Chivasso, am Fluss Po liegend, meine Zwischenstation für die Nacht, bevor es weiter in die französischen Alpen geht. Die Stadt hat eine wunderschöne Flaniermeile, die ich etliche Mal auf und ab gehe, mich schließlich für eine frisch gemachte, superleckere Pizza als Abendbrot entscheide.


Abschied am Vorabend vom 7ten Tag in Tornavento.



Reisfelder im Piemont


...und ein gewaltiges Gewitter, durch das ich fahre.
 
Tag 8
Chivasso - Turin - Susa 91km / 1200Hm

Umso südlicher ich komme, umso weniger ist in meinem Lunchpaket, was ich mir bei jeder Unterkunft anstatt meines Frühstücks bestelle. Und es gibt mitunter massive Probleme dieses überhaupt zu bekommen. Anders als die Deutschen, scheint das Volk im südlichen Europa morgens, außer einem Espresso, nichts zu sich zu nehmen. Aber das kenne ich von vergangenen Reisen schon. Die wirkliche Überraschung erlebe ich, wenn ich mein Lunchtütchen öffne, was da wohl drinnen ist, und vor allem, ob es mich halbwegs satt macht. Der Beginn meiner 8ten Etappe lässt vom Fahrbahnbelag zu wünschen übrig. Ein ausgewiesener Radweg entpuppt sich als dreckiger Feldweg, versaut mein Rad derart mit Schlamm, dass ich nur noch das Bestreben habe, irgendeine Waschanlage zu finden um das Rad abzuspritzen.


Diese Waschanlage zum selber Abspritzen finde ich am späten Vormittag und sie treibt mich kurzzeitig an den Rand der Verzweiflung, denn Münzen schluckt der Automat nicht. Ich solle meinen Münzen in einem separaten Automaten in "other Coins" umtauschen, die eine Art Wertbon darstellen, mit dem ich dann die Anlage bedienen könne. So sagt man mir es, oder besser, so verstehe ich es. Aber auch das funktioniert nicht. Ein total freundlicher Betreuer der Anlage beschenkt mich aber kurzerhand mit einer Münze, die der Automat schluckt, und so bekommt mein Rad dann doch seine verdiente Dusche.



Parkanlagen vor Turin


Der Fluss Po in Turin. Diese Szenerie erinnert mich stark an meine Einfahrt in Rom (Radreise Dresden-Venedig-Rom), nur dass es dort der Tiber war und die Gebäude ein paar andere.


Turin durchfahre ich nur, ich habe keinen konkreten Plan was anzuschauen wäre. Danach geht es wellig und stetig ansteigend weiter nach Susa.
 

Auf der Straße nach Susa


Der Ort "Susa"

Und auf Susa hatte ich mich so wahnsinnig gefreut!!!
Ein kleiner, geschichtsträchtiger Ort, denn die Römer haben hier kräftig gebaut, dazu die Übernachtung in einem alten Kloster. Meine verfrühte Ankunft in diesem ist jedoch ein Fehler. Ein junger Schnösel an der Rezeption, gekleidet in feinem Tuch, gibt mir in schnellem Englisch und unverwechselbar ganz von oben herablassend zu verstehen, dass ein Einlass vor 14 Uhr nicht möglich ist. Es ist jetzt 13:50. Ich bezahle bei ihm mein Zimmer und muss dann noch immer warten, obwohl es nur noch 2...3 Minuten bis zur vollen Stunde sind. Ich verkrümle mich also nach draußen, um tief durchzuatmen und um mich kurz darauf erneut zu melden, bzw. anzustellen, denn jetzt sind noch 2 weitere Herbergsuchende vor mir da. Als ich dann dran bin, fragt er mich nach meinem Namen (den er vor einer viertel Stunde in seinen Computer getippt hat) und ersucht mich um die (erneute) Bezahlung der Unterkunft. Nach meinem Entgegnen: ich hätte doch gerade schon bezahlt, fragt der doch dummdreist: " Bei wem ?" Mir platzt jetzt der Kragen und zwar auf Deutsch ! ... womit er wohl nicht gerechnet hat, er wird mit einem Schlag deutlich freundlicher und entschuldigt sich für sein "Versehen". Und ab hier wird alles gut. Ich bekomme 99 Schlüssel ausgehändigt, die ich hierfür und dafür verwenden muss und beziehe mein Zimmer oberhalb eines malerischen alten Innenhofs des alten Klosters. Die anschließende Besichtigung der alten RömerBauten gleich daneben, der kleine, superschöne Ort Susa selbst und ein reichlich, leckeres Abendbrot versöhnen mich wieder.



Die Kirche, rechts dahinter das Kloster


Das alte Kloster, zum Hotel umgebaut, indem ich übernachte. Hinter den Fenstern im 2ten Stock befinden sich die Zimmer


Kleiner historischer Rundgang in Susa ...


... unter anderem ist der "Augustusbogen" zu sehen, den die Römer vor über 2000 Jahren hier hin setzten.



Schon seit der schweizerischen Grenze meide ich Restaurants, denn es gibt überwiegend "Menüs" die bekanntlich aus mehreren Gängen bestehen. Was hier in Susa noch bezahlbar ist, wird in Frankreich doppelt so teuer, außerdem ist es für mich von der Menge her nicht schaffbar.
 
Tag 9 Susa - L'Argentière-la-Bessée 70km / 2400Hm

Die Nacht schlafe ich schlecht. Höre immer wieder das Dröhnen der Motorradmotoren von der oberhalb liegenden Straße mit den Serpentinen. Ich bin aufgeregt, bin in Gedanken bei dieser Etappe heute, die mich erneut in die Alpen und schließlich ein zweites Mal darüber hinweg führen soll. Und los geht es dann auch gleich mit einem 3 Kilometer langen Stich, mit bis zu 20 % Steigung. 40 Kilometer Daueranstieg insgesamt, der mich hinauf zum Col de Montgenèvre bringt.



Auffahrt zum Col de Montgenèvre



10 Kilometer vorm Gipfel rutscht mir dann das Herz in die Hose, ich sehe in der Ferne die weit oben liegende Straße mit den Galerien, wo ich nun hoch und hin muss. Und ja, ein Leichtes wird es nicht, aber ich stecke "das Ding" ganz gut weg.


Die Stelle, wohin im oberen Bild der Pfeil zeigt.


In der "Galleria"


Gegen 10 Uhr bin ich oben und öffne mein Lunchpaket, das außer diversen Knabberzeug wenigstens eine Banane enthält.

 

In der Abfahrt vom Col de Montgenèvre


Es gibt immer wieder sausteile Abschnitte


Herrliche Blicke in das sich vor mir ausbreitende Tal der Durance mit den bis zu 3000 Metern hohen Bergen links und rechts davon.

Ich bin das erste Mal im Leben in Frankreich, stelle mich auf das Klischee des stolzen Franzosen ein, der kein Englisch spricht und es nicht verstehen will. Das habe ich im Vorfeld von diesem und jenem gehört, aber nicht ein Fitzelchen Wahres ist da dran, zumindest nicht auf dieser, meiner Reise. Ein kräftiger Wind bläst talaufwärts in meinem Zielort L'Argentière-la-Bessée und es ist unglaublich heiß. Den Supermarkt habe ich um 30 min verpasst, denn es ist Sonntag und nachmittags hat alles geschlossen. Immerhin darf ich sofort in mein Hotelzimmer obwohl der Check In erst 17:30 Uhr ist. Vom abendlichen Essen, so wie ich es zeitmäßig gewohnt bin, habe ich mich seit den letzten 2 oder 3 Tagen verabschiedet. Es gibt erst ab 19 Uhr etwas und dann sind es meist "Menüs", also mehrere Gänge zu stolzen Preisen. Dieser Umstand soll, umso südlicher ich komme, umso schlimmer werden. Ich begnüge mich also mit Pizza des Hauses, die aber vorzüglich schmeckt. Und eigentlich kann ich voll zufrieden sein, denn heute, das war die härteste Etappe. Das, was kommt, ist nicht zu unterschätzen, aber raubt mir nicht den Schlaf.


L'Argentière-la-Bessée und der Fluss Durance


Mein Hotel, mein Zimmer, mein Bier ...

...und meine Pizza
 
Tag 10 L'Argentière-la-Bessée - Tallard 85km / 1600Hm

Und wieder schlafe ich schlecht ! Dies ist mit Sicherheit der Vorahnung auf den Beginn dieses Tages zu schulden, der nämlich nicht planmäßig verläuft. Denn als ich wie immer gegen 6 Uhr starten will ist der Keller, wo mein Rad sicher untergestellt ist, verschlossen. 6:30 Uhr soll laut Aushang jemand im Hotel sein. Pustekuchen ! Ich versuche anzurufen, nichts. Kurz vor 7 Uhr lässt sich dann die Chefin blicken, die mich gestern noch freundlicherweise eher ins Hotel lies, die aber jetzt bis aufs Messer streitet und behauptet, dass der Fahrradraum, wie vereinbart, offen war. Ich bin bedient, kann dieses Abstreiten von offensichtlichen Fehlern überhaupt nicht ab und trage dieses Problem wohl eine Stunde mit mir herum. Ein einfaches "Sorry" von ihr hätte doch genügt ...



Aber dann dieses Tal, auf das ich blicken darf, diese unbeschreiblich schöne Landschaft ringsherum !!! Zwar muss ich immer mal wieder hoch, aber von nichts kommt nichts. Wäre ich unten auf der regulären Autostraße gefahren, hätte ich das hier alles nicht sehen können.


Die Durance - wild, klar ... einfach herrlich !


Am Lac de Serre-Ponçon, der die Durance aufstaut, geht es bergmäßig noch mal richtig zur Sache, aber danach rollt es gut, es geht immer mehr bergab.


Kurz vorm Tagesziel


Meine Unterkunft in Tallard liegt außerhalb des Ortes, an einem kleinen Airport. In der Nähe ist gleich ein Supermarkt und 500 Meter weiter ein kleines Airport-Restaurant, wo ich zwar kein Essen à la carte bekomme, weil man gegen 17 Uhr niemanden in der Küche hat, wo man mir aber superfreundlich ein Gedeck mit Schinken, Käse und Brot bereitet, das vorzüglich mundet und noch dazu bezahlbar ist. Relaxend und leckeres, kühles französisches Bier trinkend, sitze ich bis zum Dunkelwerden auf der schattigen Terrasse meines Hotelzimmers, beende so diese 10te Etappe.


Das sieht doch lecker aus - oder ?
 
Tallard - Sault 86km / 1700Hm


Obstanbaugebiet soweit das Auge reicht, Kanäle, die diese mit Wasser versorgen. Mit diesem Eindruck fahre ich die ersten 30 Kilometer des neuen Tages.


Und dann kommt so ein alles überragendes Highlight, auf das ich mich schon im Vorfeld mächtig freute: "Gorges de la Méouge" - die Schlucht der Méouge. Wie unzählige Male davor bin ich auch jetzt glücklich ganz früh und mit dem Fahrrad hier zu sein. Denn ich habe die fotogene Römerbrücke, den Bach und alles andere für mich allein. Die kleinen Ausbuchtungen an der Straße hat man zudem mit großen Steinquadern versperrt: Autoparken unmöglich!





Das Tal aufwärts fahrend, was ganz easy ist, geht es immer weiter in die Provence hinein.


Auffahrt zum Col de Macuègne


Ich habe mir als letzten größeren Berg den Col de l'Homme Mort herausgesucht um danach nach Sault zu kommen. Und auch hier muss ich nicht jammern, es rollt zwar nicht allein, aber es fährt sich ganz locker nach oben.
 
Viele Radler sind unterwegs, die bergige Landschaft ist atemraubend. Zudem sind da noch einige Lavendelfelder, die ich sehen darf, denn das ist ja immer so ein Bild, was man sofort mit der Provence in Verbindung bringt. Leider soll das aber auch fast alles an Lavendelfeldern sein, was ich zu sehen bekomme, denn die Erntezeit ist fast vorbei. Auf dem Gipfel des Col de l'Homme Mort mache ich Frühstück, die Abfahrt ist dann geprägt durch starken Gegenwind, der zudem noch recht kühl ist.


Lavendel am Col de l'Homme Mort



Abfahrt vom Col de l'Homme Mort

Recht schnell bin ich in Sault, welches das Lavendelzentrum der Gegend ist und auch das Ziel unzähliger Radfahrer. Ein sehenswertes kleines Städtchen mit Belvedere auf die Ebene darunter. Leider komme ich erst um 15 Uhr in die Unterkunft und habe dort auch keine Aussicht auf ein Lunchpaket. Aber mit einer leckeren und handgemachten Pizza bin ich satt für heute, besorge mir noch 2 sandwichartige Brote für morgen und schlendere durch das Städtchen.


Belvedere von Sault.


Einfahrt in Sault.


Sault- am Belvedere. Rechts, im Wagen an der Straße, hole ich mir total leckere Pizza.


LavendelLaden in Sault
 
Tag 12 Sault - Arles 112km / 1250Hm

Gegenüber den Tagen zuvor ist es heute früh schweinekalt, es sind nur wenig über 10 Grad. Schnell lasse ich Sault hinter mir, schaue mich aber immer wieder danach um. Vielleicht eine Eingebung, denn es soll die letzte Begegnung mit der lavendelnden Landschaft und der Provence - so wie ich sie mir vorgestellt hatte - sein.



Schon gestern war in der Ferne der legendäre Mont Ventoux zu sehen, den ich von der Tour de France kenne, den ich aber rechts liegen lasse, weil ich ganz einfach aus Zeitgründen Prioritäten setzen muss. Auf die „Gorges de la Nesque“ hatte ich mich riesig gefreut, denn sie ist auch so ein Higlight, das ich von der „Tour“ kenne und ich werde nicht im geringsten enttäuscht. Im obersten Drittel bin ich ganz allein. Kein Auto, kein Mensch, nichts ! Die Straße, die sich an den Felsen der Schlucht entlangschlängelt ist, genau wie der immer wieder in der Ferne auftauchende Mont Ventoux, bei Radfahrern legendär. Ich fahre mit offenstehenden Mund, staunend, wenn auch frierend und immer wieder anhaltend diese endlose Schlucht hinunter. Diese Landschaft ist grandios !










Zwischen dem Nesquetal und Saint-Rémy-de-Provence dieser 1 Kilometer lange Stich mit bis zu 20 Steigungsprozenten. Rechts oben auf dem Kamm (wie auch beim vorletzten Bild) der Mont Ventoux


Toller Radweg vor Saint-Rémy-de-Provence

Leider kommt dann, bis auf immer mehr Rennradfahrer, für mich bis Saint-Rémy-de-Provence nichts Sehenswertes. Das Gebiet ist stark besiedelt, und ja, das ist nicht so das, was ich mir vorgestellt hatte. Angestachelt von meiner Tochter, die eine Vincent van Gogh Verehrerin ist, habe ich Saint-Rémy-de-Provence und auch Arles zusätzlich in meine Tour integriert, denn der Maler lebte und wirkte hier eine Zeitlang, malte etliche seiner bekanntesten Werke. In Saint-Rémy-de-Provence gibt es den "van Gogh Walk", der in der alten Innenstadt beginnt. Aber leider erhalte ich hier einen fürchterlichen Dämpfer auf meine Vorfreude: es ist später Vormittag, es ist furchtbar heiß mit knallender Sonne und es sind so viele Menschen unterwegs, dass ich mein Rad kaum durch die Massen schieben kann. Das alles nervt mich und außerdem meldet sich der Hunger, eine Cola oder ein Bier wären auch nicht schlecht. Ich fahre und schiebe bis hoch zur Ausgrabungsstädte "Glanum" und sehe dann zu, dass ich weiterkomme.


Gewusel in Saint-Rémy-de-Provence


Unweit der Ausgrabungsstätte "Glanum" die Orte an denen Vincent van Gogh malte.
 
25 flache Kilometer sind es jetzt noch bis zum Tagesziel. Unterwegs bringen etwas Süßes und Kaffee aus einer Bäckerei wieder Leben in mich, und in Arles versuche ich so schnell wie möglich ins Hotel zu kommen, wo ich mich erst mal dusche, dann eine Stunde tief schlafe. Auch wenn es mir abertausende Touristen gleichtun, ein unheimliches Gewusel herrscht - logisch, denn es ist Hauptsaison - so ist die alte Innenstadt von Arles wunderschön. Nicht nur wegen dem erwähnten Maler, auch die historischen Gemäuer, die Gassen dazwischen und nicht zuletzt das große Amphitheater, das einst die Römer bauten. Ich schlendere planlos und staunend, setze mich schließlich zum krönenden Abschluss in den Innenhof, in dem van Gogh einst sein Bild "Garten des Hospitals in Arles" malte und lasse mir ein kühles Bier schmecken.


Einfahrt in die Altstadt von Arles


Das Gelbe Cafe, das van Gogh 1888 al "Cafeterasse am Abend" verewigte



Imposant und gigantisch- das Amphitheater, das die Römer hier hin setzten.


Als Kunstfreund, Bunt- und Bleistiftmaler, der ich selber bin, eins der schönsten Erlebnisse der Reise:
ich sitze abends genau an der Stelle, an der "van Gogh" sein Bild "Garten des Hospitals in Arles" malte, trinke eine Bier, nehme diese Energie, die irgendwie in der Luft zu liegen scheint, in mich auf.

Der Bericht wird fortgesetzt - bitte noch nicht kommentieren - Danke !
 
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