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Pulsdrift während des Trainings - Entgegenwirken?

Chris0287

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Hallo zusammen,

ich beschäftige mich inzwischen seit etwa einem Jahr mit dem Thema Training mit PM, insbesondere der Zusammenhang zwischen Watt über Zeit und Pulsdrift fällt mir aber immer noch nicht leicht zu verstehen.

Gestern bin ich eine Intervalleinheit gefahren. (Gesamtzeit 02:40 - FTP: 280W)
Ablauf: 20mins (NP 200W), 20mins (NP250W) - das ganze drei Mal.
Danach sollte es eigentlich mit 20mins (NP 200W) und 20mins (NP 220W) weitergehen.

Ab der 2. Stunde wollte mein Puls interessanterweise aber nicht mehr wirklich runter.
In der Zeit fühlte es sich fast härter an, als die 250W Intervalle zuvor.
Ich hatte ein Riegel bei 01:20 und genug zum Trinken dabei. Mittag war gefühlt ausreichend.

Seht ihr einen Grund, woran der Pulsdrift liegen kann? Der Literatur folgend müsste ich eigentlich in der Lage sein eine Maximalbelastung über 3 Stunden von 255W zu ertragen...
Muss ich einfach mehr trainieren, um nicht nach zwei Stunden "einzubrechen", oder sollte ich das Thema unter schlechte Beine und Tagesform abhaken?

Besten Dank für eine kurze Einschätzung.
Chris

P.S. Bei Interesse kann die Aktivität gern hier eingesehen werden: https://connect.garmin.com/modern/activity/766884863
 

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Re: Pulsdrift während des Trainings - Entgegenwirken?
Pulsdrift wird - gerade bei Verfügbarkeit eines PM - überbewertet. Trainermythen, dass Pulsdrift ein Zeichen geringer Ausdauertrainiertheit sei, sind schlichtweg falsch. Selbst sehr gut trainierte Sportler haben eine Pulsdrift - je wärmer es ist, um so ausgeprägter.

Wenn Du nach 2 Stunden einbrichst, dann war schlichtweg das Muskelglycogen aufgebraucht. Hattest Du davor 1-2 Ruhetage und wieder aufgefüllte Glycogenspeicher oder hattest Du an den Vortagen schon Trainingseinheiten absolviert? Kalkuliere mal, wie viel KH pro Stunde zugeführt wurden (woraus bestand das Getränk?) und um wie viel Zeit (oder km) Deine Glycogenreserven damit geschont werden konnten.

Hilfestellung: bei 80-100% der FTP verbrennt man fast ausschließlich KH; die intramuskulären Glycogenspeicher sind ca. 400 g KH und bieten somit ca. 1680 kCal Brennwert, was ca. 7000 kJ entspricht und bei einem Wirkungsgrad von 23% eine Antriebsenergie von 1612 kWs bzw. 448 Wattstunden ergibt. Nach 2 Stunden bei 225 W sind die Glycogenreserven also verfeuert. Alles Zusätzliche an Leistung müsste zustandekommen über:

- Nahrungsaufnahme (bis zu 100/130 g/h KH möglich)
- Fettverbrennung (trainierbar)
- Glycogenolyse in der Leber (max. 120 g KH zur Stabilisierung des Blutzuckers und Versorgung des Hirns)
- Gluconeogenese (geringer Beitrag; bis ca. 10 g/h - und das Hirn benötigt auch Zucker!)
 
Danke für die interessante Einschätzung Mi67 - klingt sehr plausibel.

Zählen wir mal zusammen:
- Tag davor habe ich auch trainiert (Rolle 205W / 1:45h)
- Zugeführt habe ich lediglich 30G KH über den Riegel und nochmal etwa 30G KH übers Getränk
-> KH Zuführung bis zum Einbruch von 30G/H

Nimmt man an, dass der Glycogenspeicher auf Grund der Trainingseinheit am Vortag noch nicht komplett aufgefüllt war kommt der Einbruch bei etwa 2h rechnerisch nahezu perfekt hin.

Die spannendste Erkenntnis für mich: Selbst wenn der Puls am Ende einer Einheit weiter oben ist hätte ich wahrscheinlich gut weiter treten können, sofern ich genug KH zugeführt hätte. (Von der max Zufuhr pro Stunde war ich ja weit entfernt)
Besten Dank!

Gruß,
Chris
 
Übrigens: der Puls bleibt u.a. auch deswegen hoch, weil der Stressnerv (Sympathikus) nach Glycogenerschöpfung zur Abwehr einer drohenden Unterzuckerung aktiviert bleibt, auch wenn nur eine geringere Leistung abgerufen wird.
 
Ich fand deine Erklärung - Mi67 - so gut, dass ich gestern damit noch ein wenig gerechnet habe.

Bleiben wir bei 400g KH Speicher und einer nahezu optimalen Zuführung von 110g KH/h durch Ernährung.
Selbst dann wird es mit der Erbringung hoher Leistung über lange Zeiträume schwierig bzw. schnell unmöglich.
Wenn ich mich nicht verrechnet habe komme ich auf


Daraus ergeben sich für mich zwei neue Fragen:
- Wie verschiebt sich die KH / Fett Nutzung für die Leistungserbringung über die FTP Bereiche? Kann man das ggf. sogar über eine Funktion vereinfachen? (80% - 100% FTP = ~100% KH | ~0% Fett)
- Dreht ein trainierter Fettstoffwechsel das Bild signifikant, oder ist dieser eher ein Tropfen auf den heißen Stein?

Besten Dank fürs Wecken der Neugier :)

Gruß,
Chris
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich fand deine Erklärung - Mi67 - so gut, dass ich gestern damit noch ein wenig gerechnet habe. ...
08-05-2015 11-13-14.png


Daraus ergeben sich für mich zwei neue Fragen:
- Wie verschiebt sich die KH / Fett Nutzung für die Leistungserbringung über die FTP Bereiche? Kann man das ggf. sogar über eine Funktion vereinfachen? (80% - 100% FTP = ~100% KH | ~0% Fett)
- Dreht ein trainierter Fettstoffwechsel das Bild signifikant, oder ist dieser eher ein Tropfen auf den heißen Stein?
Du triffst den Nagel (fast) auf den Kopf!

Bis etwa 2-2,5 h kommt man als trainierter Sportler bei optimaler KH-Zufuhr mit reiner KH-Verstoffwechslung über die Runden, d.h. die Leistung sinkt nur um 5-8% gegenüber der FTP ab. Soll eine Dauerleistung über noch längere Zeiträume erbracht werden, dann muss man pro weiterer Stunde wiederum ca. 5% Leistungsabschlag kalkulieren. Damit rutscht man in einen Bereich unterhalb der FTP, in dem langsam die Fettsäureverbrennung zum Energiemix mit beiträgt. Bei mir startet z.B. die Fettverbrennung laut Spiroergometrie bei Intensitäten ab 10%-15% unter der FTP - so ganz genau sind die Daten dazu leider nicht.

Durch Fettsäuren im Energiemix sinkt der tatsächliche Wert Av. Watt (es sind nach Bildung des Quotienten aus Wh und h keine WattSTUNDEN mehr!) nicht ganz so steil ab, wie es Deine reine KH-Vorhersage besagt. Du liegst aber richtig damit, dass die von Dir kalkulierten Av. Watt(stunden) dem KH-Anteil am Energiemix entsprechen. Rechnest Du nun die Fette mit hinzu dann kannst Du damit die Lücke decken, die sich ab 3h aufwärts zwischen Deiner Rechnung und der Realität auftut.

Überschlagsweise kann die real (maximal) erzielbare Av. Watt für Zeitbereiche gemäß "Patrice Clerk-Formel" bis ca. 6-8 h abgeschätzt werden als:
P = FTP * 0,95 ^ (Stundenzahl - 1)

Bei FTP = 300 W also etwa:
285 W über 2 h; 270 W über 3 h; 255 W über 4 h; 245 W über 5 h; 230 W über 6 h und 220 W über 7 h

Fettsäuren tragen also bei mehrstündiger, konstanter Maximalleistung und kräftiger KH-Zufuhr bis 2 h kaum zum Energiemix bei. Bei 3-7 h Belastungsdauer sind es dann steigend 15-25%. Wer weniger als 110 g KH/h zufuttern kann, der wird zwar prozentual mehr Fette heranziehen, dabei aber auch nicht die "Optimalleistung" aufrechterhalten können. Ultramarathon-Cracks trainieren und pröbeln mit Getränken/Gels/..., bis sie ca. 150 g KH pro Stunde aufnehmen können. Zudem unterliegt der Fettstoffwechsel nicht mehr einer 5%-pro-Stunde-Limitierung, so dass bei Belastungen länger als 8 h die "Patrice-Clerk-Formel" nicht mehr greift, sondern der Leistungsabfall nochmals gebremster abläuft (Strasser: ca. 250 W über 24 h bei FTP von 380 W).

Anderer Punkt, wie die KH-Rechnung umgedreht angewendet werden kann:
Indem Du an einem gut ausgeruhten Tag eine 2-2,5 h lange Zeitfahrsimulation fährst, bis ein deutlicher Leistungsknick unabwendbar ist, hast Du einen Wert für die KH-gestützten Wattstunden. Wenn Du dann die (sinnvolle!) KH-Zufuhr während der Belastung zum Abzug bringst, ergibt der verbleibende Wh-Wert nach Rückrechnung in Gramm KH die Größe Deines nutzbaren Glycogenpools.
 
...

Fettsäuren tragen also bei mehrstündiger, konstanter Maximalleistung und kräftiger KH-Zufuhr bis 2 h kaum zum Energiemix bei. Bei 3-7 h Belastungsdauer sind es dann steigend 15-25%. Wer weniger als 110 g KH/h zufuttern kann, der wird zwar prozentual mehr Fette heranziehen, dabei aber auch nicht die "Optimalleistung" aufrechterhalten können. Ultramarathon-Cracks trainieren und pröbeln mit Getränken/Gels/..., bis sie ca. 150 g KH pro Stunde aufnehmen können.

Auch wenn es nicht mehr viel mit dem eigentlichen Thema hier zu tun hat, so interessiert es mich, wo du das mit den 150 g KH pro Stunde her hast!? Gibt es wirklich Personen, die das über viele Stunden hinweg zuführen und vorallem verdauen können?o_O Mir ist darüber nichts bekannt.
Die Obergrenze sollte doch eher bei 110 g bzw. noch etwas tiefer liegen. Auch wenn man von den 24 h vom Strasser eine Energiebilanz aufstellt, kommt man nicht auf solche Werte, wenn man bedenkt, dass er nicht nur KH mit der Nahrung zuführt, sondern auch einen beachtlichen Teil an Fetten.
 
Der Wert ist zugegebenermaßen ein Hörensagen aus der Marathonszene. Trotzdem finde ich das interessant, denn auch bei sehr gut Ausdauertrainierten ist bei einer Grundausdauer-Leistung (65% der VO2max) nur ca. 53% aus Fetten/Fettsäuren, der Rest aus KH-Verstoffwechslung zu bestreiten (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/3571098). Wenn man nur 100 g/h an KH zugeführt bekommt, ist spätestens nach Leeren der Glycogenspeicher der kontinuierliche Zustrom über die Ernährung die führende KH-Quelle (plus ein geringer Zustupf durch die Gluconeogenese).

Wenn ich also weniger als 100 g KH/h hineinbekomme, dann wird die Extrem-Dauerleistung (8-24 h) selbst bei sehr gut Ausdauertrainierten unter 250 W fallen müssen. Man kann also abschätzen, dass Strasser mindestens diese 100 g KH/h über seinen 24-h-Rekord hinweg kontinuierlich zuführen konnte - plus entsprechend vielleicht auch noch Fette/Aminosäuren/.... Bei ihm kam hinzu, dass es nachts kühl und am Morgen gar noch regnerisch wurde. Die eventuell zusätzlich benötigte Kalorik addiert sich dann natürlich noch hinzu.
 
Sollte das Wetter am Sonntag mitspielen, so werde ich die theoretische Herangehensweise mit mir als Testobjekt verproben und gern berichten.
khberechnung.jpg

Ich bin mir darüber im Klaren, dass es sich hier - insbesondere - ohne den von Mi67 vorgeschlagenen Glycogenspeichertest doch eher um eine Scheingenauigkeit bei den Zahlen handelt. Dennoch bin ich gespannt, wie sich das deutliche mehr an KH Zuführung beim Fahren anfühlt :)

Beste Grüße und Danke!
Chris
 
Zeit für das versprochene Resümee - 135KM mit ausreichender KH Versorgung:
- Ein um etwa 10-15 Schläge niedrigerer Durchschnittspuls im Vergleich zu ähnlichen, früheren Belastungen mit "Nahrungseinnahme nach Gefühl".
- Weder ein Mentaler noch körperlicher "Knick", den ich sonst häufig ab Stunde 3+ gewohnt war.
- Trotz Gegenwind ohne Ende hätte ich am Ende noch gut (gelaunt) weiterfahren können.

Mit der KH Aufnahme hat es recht gut geklappt. Im Vergleich zum Plan habe ich nur zu wenig getrunken und damit ein paar KHs ungewollt weggelassen. Da ich schneller als erwartet mit der Strecke fertig war hat sich das ggf. aber wieder ausgeglichen. (20 Minuten gespart)

Hier die Statistik:
130.jpg


Laut Patrice Clerk-Formel wäre noch deutlich Luft nach oben (Av 230W max) - Vor dem Test heute hätte ich nie gewagt auch nur in diese Richtung zu schielen.
Mit dem guten Gefühl bei der Tour aber - bei der im Nachhinein ggf. 10 bis 15W mehr drin gewesen wären - bin ich gespannt, wo das noch hinführen wird.
Ich bin in Summe hoch zufrieden :)

Dinge, die mir heute durch den Kopf gegangen sind:
- Die Normalized Power ist für das Thema KH Aufnahme nicht von Belang, oder?
- Was passiert, wenn ich mehr KH zu mir nehme, als mein Körper annehmen kann - dreht es mir den Magen um, oder wird diese Energie einfach nicht verwertet?

Besten Dank - das ganze Thema hat mich gut weitergebracht!
Als Nächstes heißt es dann durch den Glycogenspeichertest beißen ;-)

Grüße,
Chris
 
Zuletzt bearbeitet:
Zeit für das versprochene Resümee ...
... hätte ich am Ende noch gut (gelaunt) weiterfahren können.
Na fein!

Dinge, die mir heute durch den Kopf gegangen sind:
- Die Normalized Power ist für das Thema KH Aufnahme nicht von Belang, oder?
- Was passiert, wenn ich mehr KH zu mir nehme, als mein Körper annehmen kann - dreht es mir den Magen um, oder wird diese Energie einfach nicht verwertet?
Zu Frage 1:
Die Normalized Power ist für die KH-Aufnahme weniger bzw. nur in indirekter Weise von Belang, sehr wohl aber für den Glycogenverbrauch. Tatsächlich ist die "Normalized Power" von Coggan genau unter der Vorstellung entwickelt worden, dass Dinge wie die Glycogen-Utilisation damit besser abgebildet werden, als per Av-Power: http://home.trainingpeaks.com/blog/article/normalized-power,-intensity-factor-training-stress

Zu Frage 2:
Wenn Du mehr KH herunterschluckst, als der Darm es aufnehmen kann, dann kommt es auf deren Aggregatszustand an. Bei Flüssignahrung gluckst Dir die Flüssigkeit länger im Gedärme herum (die KH binden Wasser, bis sie isoton verdünnt sind) und wenn Du es übertreibst, kann auch Übelkeit provoziert werden. Rechne nach: alleine 50 g Überschuss an freier Glucose binden im Darm 1 l Wasser! Bei fester Kost bremsen einfach die Magenentleerung und die folgende Darmpassage das Tempo so ein, dass eine effektive Resorption laufen kann, dabei aber trotzdem kaum KH in die mit vielen Bakterien besiedelten, tieferen Dickdarmabschnitte gelangen. Bei zu starker Magenfüllung wird ein fester Nahrungsüberschuss während intensiver sportlicher Belastung auch in Übelkeit münden.
 
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