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Oxygenierung von weißem Fettgewebe?

Wie kann man sich erklären, dass Sport Verletzungen besser heilt, ich sehe oft (vor allem unsportliche)Leute in meinem Alter die haben nach einer Bagatellverletzung bakterielle Infektionen entwickelt, selber hab ich schon nach Blasen an den Füßen weiter trainiert und außer etwas Rötung war nicht viel. Die Verbesserung der lokalen Durchblutung und daher mehr Substrat zur Wundheilung leuchtet mir ein, aber es scheint auch ein Art Beeinflussung des Immunsystems zu geben die dann direkt im entzündeten Gebiet wirkt.Zu meiner Zeit gab es in der Physiologie noch keine Interleukine:idee:

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Ich mach einfach ein bisschen kleinschrittiges Brainstorming in freier Reihenfolge. Eine vollständige Theorie hat wohl niemand zu bieten.

Gehen wir von Verletzungen im Bewegungsapparat aus, also Muskel, Faszie, Sehne, sonstiges Bindegewebe, bei Läsionen unter etwa 1mm sogar Knorpel.

1. Die mechanische Belastung beim Sport sorgt als allererste akute Reaktion für einen erhöhten Nährstoffimport via Glucosetransporter, Aminosäurentransporter, LDL-Rezeptoren etc. und sekundär dazu zu einer erhöhten Durchblutung durch Weitstellung der Blutgefäße im betroffenen Gebiet. Dieser Effekt hält bei regelmäßiger Belastung mehrere Tage nach einer Trainingseinheit an. Dadurch können die betroffenen Gewebe selbst gegen einen Konzentrationsgradienten Nährstoffe in ihren Zellen konzentrieren.

2. Proliferation/Hypertrophie: Die erhöhte Nährstoffaufnahme wird für synthetische Prozesse verwendet, also Nucleotidsynthese, RNA-Synthese (=mRNA und Ribosomen), Expansion der Membransysteme. Das führt zu einer erhöhten Kapazität für Proteinsynthese, die als zweiter Schritt langfristig hochgefahren wird. Teilungsfähige Zellen (Fibroblasten, Stammzellen, usw.) werden durch erhöhtes Angebot entsprechender Wachstumsfaktoren zur Teilung angeregt. Fehlende Belastung hingegen führt zu einer reduktion aller synthetischen Kapazitäten.

3. Entzündungsreaktion. Diese wird in 2 Phasen namens TH1 und TH2 eingeteilt (nach Eigenschaften der beteiligten T-Helferzellen). TH1 = Abbau beschädigten Gewebes durch Fresszellen, also Macrophagen und neutrophile Granulocyten. TH2 = überschießender Wiederaufbau der entzündeten Gewebe, wobei die Fresszellen im Gewebe ihr Fressen einstellen und stattdessen Cytokine abgeben, die das umliegende Gewebe zur Reparatur anregen.
Bei verletztem Gewebe, dass ruhig gehalten wird (fehlende Belastung), hängt das System lange in der TH1-Phase fest und es kommt kein Stimulus für den TH2-Switch. Deswegen geht man in der Medizin immer konsequenter dazu über, Patienten früh zu angemessener Belastung anzuhalten. Die Tage ewiger Ruhigstellung und medikamentöser Entzündungshemmung sind vorbei.

4. Signalmoleküle. Belastete Gewebe geben entweder direkt oder als sog. tissue leakage hunderte von Signalstoffe ins Blut ab. Die vom Muskel ausgehenden Signalstoffe nennt man manchmal Myokine. Die Wirkung ist allgemein aufbauend/proliferativ für die meisten Gewebe, mit Ausnahme des weißen Fettgewebes, dass darauf mit Abbau und browning reagiert. Auch die Cytokine und Wachstumsfaktoren der gewebeständigen Entzündungszellen findet man im Blut, bei ausgeprägter TH2-Phase mit identischer Wirkung. So wirkt Training selbst dort, wo keine direkten mechanischen Wirkungen stattgefunden haben.

Es gibt sicher noch viele andere Mechanismen, die mir gerade nicht einfallen, aber es ist deutlich, dass gerade verletztes Gewebe in angemessener Weise belastet werden will, selbst wenn diese Belastung kurzfristig abbauend wirkt. Langfristig überwiegt die aufbauende Komponente.
 
Danke für das Brainstorming Cmus,
meine Herangehensweise war ja, warum kann ich als "Trainierter " mit einer Wunde weiter trainieren , ich aber bei "Untrainierten" sehe wie sich kleinere Wunden zum z.B. Phlegmonen oder schlecht heilenden Geschwüren entwickeln.
Da leuchten mir die erhöhte Kapazität der Proteinsynthese, der verbesserte TH2-Switch und die erhöhten Myokine durchaus ein. Es ist wohl die Summe der einzelnen Komponenten die man bei der Wundheilung durch regelmäßiges Training erreicht.
Bei Erkältungen schaffe ich leider keine Verhinderung durch den Ausdauersport, da kann ich aber mit dem Stimulus für das Immunsystem ganz gut leben, ich würde mir mehr Sorgen machen wenn ich keine mehr bekäme.
Grüsse
 
Gewebe, welches in Bewegung bleibt, neigt auch weniger zur Flüssigkeits-Stase. Ein fettes Hämatom (Prellung) wird halt unter "innerer Selbstmassage" schneller mobilisiert als bei kompletter Ruhigstellung. Gerade im Bewegungsapparat gehören Druck und Spannung zu den Mechanismen, die Wassereinlagerung und damit ein Aufquellen von Sehnen und Knorpel eher verhindern.

Der typische Ausdauersportler ist ein vagotoner Mensch, dessen Stresshormone nicht so leicht in Wallung geraten. Stressoren kann er leichter ausweichen oder sie zumindest besser kompensieren.

Am Ende wird aber auch einfach das psychologische Moment eine wichtige Komponente sein. Der Bewegungsdrang eines Sportlers ist bei Verletzung mit massivem Spassverlust bestraft und wird sich entsprechend rasch wieder aufrappeln, wobei restliche Schmerzen entweder real oder in der Wertigkeit als geringer empfunden werden. Einen "Krankheitsvorteil", den manche bewusst oder unbewusst geniessen, wird man beim notorischen Freiluftmenschen seltener antreffen.

Will meinen: eine möglicherweise real schnellere Heilungstendenz ist das eine, die (unbewusste) Bewertung des Krankheits- und Gesundungsgeschehens die zweite Sache.
 
Am Ende wird aber auch einfach das psychologische Moment eine wichtige Komponente sein. Der Bewegungsdrang eines Sportlers ist bei Verletzung mit massivem Spassverlust bestraft und wird sich entsprechend rasch wieder aufrappeln, wobei restliche Schmerzen entweder real oder in der Wertigkeit als geringer empfunden werden. Einen "Krankheitsvorteil", den manche bewusst oder unbewusst geniessen, wird man beim notorischen Freiluftmenschen seltener antreffen.

Will meinen: eine möglicherweise real schnellere Heilungstendenz ist das eine, die (unbewusste) Bewertung des Krankheits- und Gesundungsgeschehens die zweite Sache.

Das würde ich auch als Knackpunkt ansehen. Sportler sind härter im nehmen, gewohnt, an ihre Grenzen zu gehen, mit Schmerzen zu trainieren, sich selbst zu überwinden. Die Psyche und Einstellung ist eben ein wichtiger Faktor.
 
@cmus:

weiter oben hast du von der zentralen ermüdung geschrieben. gibt es erkenntnisse über die regeneration der "zentralen steuerelemente", so wie man das von der muskulären ermüdung her kennt?
 
@cmus:

weiter oben hast du von der zentralen ermüdung geschrieben. gibt es erkenntnisse über die regeneration der "zentralen steuerelemente", so wie man das von der muskulären ermüdung her kennt?

Ja, gibt es. Ich bin leider nicht allzu belesen auf diesem Gebiet, aber ich werde heute Abend mal einen Blick in die Literatur werfen.

Ich weiß aber, dass die zentrale Ermüdung langfristige und akute Zeitverläufe hat, je nach dem, wie sehr man sich ermüdet. D.h. die zentrale Ermüdung bleibt auch nach dem Ende einer Trainingseinheit bestehen und nimmt langsam ab (vermutlich logarithmisch, also erst schnell dann immer langsamer). Die zentrale Ermüdung scheint auch zu kumulieren, wenn man sich vor der entgültigen Regeneration erneut belastet. Letzteres führt einerseits zu einem längeren zeitlichen Verlauf der Regeneration, andererseits ist es in gewissem Rahmen notwendig, um sich eine Ermüdungsresistenz anzutrainieren, bzw. die willkürlich mobilisierbaren Leistungsreserven zu vergrößern, wie der Physiologe sagt.

Unterm Strich heißt das, es ist lohnenswert, in angemessenem Rahmen auch ermüdet zu trainieren, um seine Ermüdungsresistenz auszubauen. Wer immer nur tip top erholt losfährt, baut sich kaum Ermüdungsresistenz auf. Andererseits sollte man das nicht durchgehend machen, sonst kommt man irgendwann in einen Zustand des Übertrainings, in dem man übermäßig viel Regeneration braucht, um sich zu erholen.
 
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