Rennrad-News

So war’s
London- Edinburgh-London 2017

London-Edinburgh-London gehört zu den legendären Audax-Veranstaltungen, weshalb es auch wie PBP ein eigenes Kürzel besitzt. Wer LEL bestehen will, muss in 117 Stunden die 1.441 km lange Strecke zurücklegen, also eine ähnliche Distanz wie beim noch berühmteren Paris-Brest-Paris. Dabei werfen sich den Randonneuren in den hügeligen Landstrichen Englands und Schottlands 11.128 Höhenmeter entgegen. Anders als bei PBP müssen sich die Starter nicht über die Teilnahme an einer Reihe von Brevets qualifizieren.Das Ereignis findet aber nur alle vier Jahre statt. 2017 war ein LEL-Jahr. Und Harald Legner aus Hamburg war unter 1500 Fahrern, die sich der Herausforderung Ende Juli stellten. Wir haben ihn gefragt, wie es war.

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# London-Edinburgh-London 2017 - Schlange am Start
# London-Edinburgh-London 2017 - Harald Legner: Selfie
# London-Edinburgh-London 2017 - Aufmunterung an der Kontrollstelle

Harald, wann hast Du die Entscheidung getroffen, an London-Edinburgh-London teilzunehmen? Was hat Dich daran so gereizt?

Das war eine schleichende Entscheidung über mehrere Jahre hinweg. Seit Ende 2014 war ich mir sicher, dass ich 2017 mitfahren werde. Gereizt hat mich anfangs ganz eindeutig nur die Länge der Tour. Ich wusste auch gar nichts von den vorherigen Austragungen. Nachdem ich mittlerweile immer häufiger lange Touren gefahren war, war die Zeit langsam reif für ein großes Brevet. London-Edinburgh-London (LEL) bot sich da aus verschiedenen Gründen an: Es passte zeitlich gut, so dass es sich prima in einen Familienurlaub einbinden liess. Ich war noch nie in Großbritannien. Es gab keine Qualifikation (wie bei Paris-Brest-Paris (PBP)), mit der ich mich schwer tue – ich will doch nur Rad fahren und kann auf die Formalien gerne verzichten.

# London-Edinburgh-London 2017 - Die Landschaft für über 11.000 Höhenmeter

War das Deine erste Veranstaltung dieser Art? Wie würdest Du Deine Rennradevent-Biografie in 5 Sätzen beschreiben – 1.000 Eventkilometer oder eher 10.000?

Ja, ich bin vorher noch nie ein Brevet gefahren. Langstrecken bin ich zuvor schon gefahren, aber dann eher als Bikepacking-Tour. Anfangs meiner Rennradkarriere war ich bei den Cyclassics und RTFs unterwegs. Das steigerte sich dann zu Radmarathons. Da ich der Helm-Diskussionen in dieser Szene überdrüssig wurde, bin ich lange Zeit alleine unterwegs gewesen und steigerte die Streckenlängen immer mehr. Mittlerweile bin ich aber wieder mehr im eher privaten Rahmen mit anderen unterwegs. Insgesamt kommen bei mir aber sicherlich eher die 10.000 Eventkilometer zusammen als “nur” 1000.

# London-Edinburgh-London 2017

War es schwer einen Startplatz zu bekommen?
Für mich gar nicht. Das lag daran, dass es Ende 2014 ein Crowdfunding für einen LEL-2013-Film gab, bei dem eine der Prämien ein sicherer Startplatz war. Da habe ich natürlich mitgemacht. Deshalb musste ich mich nicht Anfang 2017 um einen Startplatz “kloppen”, die da in 3 Chargen online vergeben wurden.

Wie lief es dann vor Ort? Entsprach es Deinen Erwartungen?

Perfekt. Die Organisation bei LEL ist fantastisch gewesen. Nicht nur vor Ort während der Veranstaltung, sondern auch bezüglich der Informationen, die im Vorfeld per Webseite und Mail gegeben wurden. Unterwegs an den vielen Kontrollstellen gab es auch enorm viele Freiwillige, die einem jederzeit eigentlich alle Infos gegeben haben, die man sich nur wünschen konnte.

# London-Edinburgh-London 2017 - Bequem aber voll?

Wie fandest Du die Streckenführung?

Ich bin der offiziellen Route zu 100% gefolgt und damit vollkommen zufrieden. Das war eine ausgesprochen schöne Route, die sich hervorragend fahren ließ. Da ich vorher noch nie in England oder Schottland war, wollte ich auch lieber nicht das Wagnis eingehen und eine Route zu Hause am Computer zusammenklicken. Anders als bei PBP musste man nur die Kontrollstellen anfahren und es gab auch keine Geheimkontrollen.
Unterwegs habe ich dann ab und an mitbekommen, wie andere Mitfahrer alternative Routen gefahren sind. Z.B. sind manche nachts auf die größeren Straßen ausgewichen, wo man oftmals zügiger vorankommt. Oder auch um hügelige Abschnitte (wie die Howardian Hills) zu vermeiden.

# London-Edinburgh-London 2017 - Das Rad, die Straße...
# London-Edinburgh-London 2017 - Velomobil
# London-Edinburgh-London 2017 - Fast zurück in London

War die Region es wert, den Kopf zu heben und auch mal die Beine hängen zu lassen?

Definitiv! Ich bin sehr angetan von England und Schottland. Sicherlich gibt es auch Abschnitte, die eher langweilig waren. Es gab aber exakt keine Gegend, an die ich mich mit Grausen erinnere und die ich nie, nie, nie wieder befahren möchte.
Ich bin eher ein touristischer als ein sportlicher Fahrer. Sicherlich liefere ich auch ordentliche sportliche Leistungen ab, aber ich bin weit davon entfernt, nur auf den Tacho zu starren.

# London-Edinburgh-London 2017 - Die Strecke bis Moffat auf Strava

Wie wird bei London-Edinburgh-London gefahren? Gemütlich oder eher Puls 200 mit Ansage?

Da sind alle Typen von Fahrern dabei. Leute, denen es wichtig ist, als “Erster” – es gibt bei diesem Brevet nur Finisher und Nicht-Finisher, keine Ergebnisliste mit den gefahrenen Zeiten – zurück in London zu sein und Leute, die die Maximalzeit von ca. 117 Stunden möglichst komplett nutzen wollen. Ich bin wie meist irgendwo im Mittelfeld rumgefahren.

# London-Edinburgh-London 2017 - Skin-Seitenwände liegen auch bei Randonneuren im Trend

Wie war die Stimmung? Freunde gefunden?

Die Stimmung war ganz freundlich und entspannt, jedenfalls soweit ich es direkt mitbekommen habe. Etwas angespannter war es wohl an manchen Kontrollstellen, als dort nach mir sehr viele Leute gleichzeitig eintrafen. Dort gab es dann Versorgungsengpässe und keine freien Schlafplätze. Da lagen dann bei Manchem wohl etwas die Nerven blank.
Freunde habe ich unterwegs nicht gefunden – ich habe aber auch gar nicht gesucht. Nachdem mein Freund Joas, mit dem ich die Tour gemeinsam fahren wollte, kurzfristig seine Teilnahme absagen musste, wollte ich mir auch keinen “Ersatz” für ihn suchen. Ich bin deshalb die Tour auch sehr bewusst nahezu alleine gefahren. Dadurch, dass “nur” 1500 Leute mitgefahren sind, hatte man nicht dauernd irgendwen um sich herum. Ich habe über lange Zeiten keine anderen Fahrer um mich herum gesehen.
Toll war aber, dass mich mein in Kingston-upon-Hull lebender Freund Mika auf Hin- und Rückweg abgepasst und jeweils einige Kilometer über die beeindruckende Humberbridge begleitet hat.
Ich denke aber, dass man während dieser Tour problemlos hätte Freundschaften schließen können. OK, ich habe seit LEL tatsächlich ein paar Facebookfreunde mehr.

# London-Edinburgh-London 2017 - Selfie mit Mika
# London-Edinburgh-London 2017 - Urinprobe mal anders

Was waren Deine Highlights – menschliche, sportliche landschaftliche?

Menschlich waren das Highlight ganz klar die Freiwilligen, die Volunteers. Die sind die Seele der Veranstaltung, ohne die wäre sowas kaum machbar. Unfassbar freundlich, hilfreich und fleissig. Ich denke, viele der Volunteers haben in den Tagen deutlich mehr Leistung gebracht als wir Fahrer. Danke nochmal dafür!
Eine der tollen Geschichten, die ich vom Hörensagen mitbekommen habe: An einer Kontrolle trafen sich zwei Fahrer. Einer war dort mit einem kaputten Rahmen gestrandet. Ein anderer beendete dort sein LEL, weil er nicht mehr konnte. Und gab dem Ersten sein Rad, damit der weiterfahren kann. Ob er’s dann so geschafft hat, weiß ich aber leider nicht…
Die für mich bewegendste Geschichte unterwegs ging so: An der Kontrolle in Eskdalemuir sprach mich ein niederländischer Mitfahrer auf meine Transcontinental Race-Cap (bin ich nicht mitgefahren!) an. Ich war just dabei, mein wöchentliches “#CyclingCapTuesday”-Bild auf dem Handy vorzubereiten und versah es mit den Hashtags #bemoremike #bemoreeric #bemorefrank, um an die in diesem Jahr bei Langstreckenrennen Getöteten zu erinnern. In dem Moment fragt mich der Niederländer, ob ich von Franks tödlichem Unfall erfahren habe? Er sei kürzlich noch mit Frank gemeinsam ein Brevet gefahren. Da musste ich schon ordentlich schlucken …
Sportliche Highlights gab es wohl mehrere. Mein eigenes sicherlich: Ich habe die komplette Tour geschafft.
Toll fand ich die Leute, die längst die Maximalzeit von 117 Stunden überzogen hatten, aber dennoch weitergefahren sind. Landschaftlich sind mir die Howardian Hills, die Northern Pennines (beide in England) und Devil’s Beeftub (Schottland) besonders im Gedächtnis geblieben. Aber auch “The Fens” (England), unendliches plattes Land, das mir auf dem Rückweg mit dem Gegenwind etwas wehgetan hat …

# London-Edinburgh-London 2017

Welche Ausrüstung hattest Du, also was für ein Rad und welche Kleidung?

Ich bin mit meinem neuen Mawis-Titanrad unterwegs gewesen, das ich mir als “gemütliche” Randonneuse habe bauen lassen. Das hat sich bewährt! Dank der dicken Reifen (650Bx42) hatte ich auch keine Probleme mit dem relativ rauen Asphalt. Die mit den Rennradreifen haben da wohl etwas mehr geflucht.
Bei den Klamotten war ich nicht ganz so sparsam wie bei anderen, vergleichbaren Touren. Da man an zwei Kontrollen Beutel hinterlegen konnte, kam ich unterwegs noch an frische Klamotten, Schläuche und Powerbanks. War aber eigentlich nicht notwendig.
Was genügt hätte:
Sommerschuhe, Merinosocken, Bib-Short, Knicker-Hose, ärmelloses Unterhemd, Kurzarmtrikot, Windweste, Ärmlinge, Regenjacke, Handschuhe, Cap. Die Regenjacke brauchte ich eigentlich nur als Wärmeschicht in der Nacht, ich habe kaum Regen abbekommen. Die zweite Radhose habe ich irgendwann dann tatsächlich angezogen, aber eigentlich auch nur, weil sie eben dank des Bagdrops “da” war.

# London-Edinburgh-London 2017

Warst Du zufrieden damit oder hat Dir irgendwas unterwegs gefehlt?

Das war nahezu perfekt. Die Elektrik war nicht ganz wie erhofft, aber ich hatte ordentliches Dynamo-Licht und konnte tagsüber den Garmin aufladen. Nicht funktioniert hat das hintere Standlicht und das direkte Laden des Handys mit Dynamostrom. Halb so wild. Gefehlt hat mir absolut nichts. An den Kontrollstellen gab es Vollverpflegung. Ich habe während der gesamten Tour kein weiteres Geld ausgegeben. Nicht mal für die sonst bei langen Touren von mir reichlich getrunkene Cola. Auch Kaffee habe ich fast keinen getrunken, nachdem ich festgestellt habe, dass es an den Kontrollen nur löslichen Kaffee gab. Dafür habe ich reichlich Tee getrunken.

# London-Edinburgh-London 2017 - Schottland

Kennst Du vergleichbare Veranstaltungen auf dem Rennrad?

Ich kenne nichts Vergleichbares. LEL hat für mich die perfekte Mischung aus persönlicher Freiheit (keine Qualifikation, freie Streckenwahl und auch sonst muss man nichts weiter tun als bezahlen und fahren) und maximalem Service.

Was müsste passieren, damit Du dort nochmal am Start stehst – oder was könnte Dich davon abhalten?

Ich hoffe sehr, dass ich 2021 wieder in London am Start stehen kann. Sicher ist’s nicht, dafür ist es auch noch zu weit weg (und wenn das mit dem Brexit so richtig schlecht läuft und ich ein Visum benötige, verkneife ich’s mir wohl auch). Aber wenn ich dann noch Langstrecken fahren kann und will, werde ich mich um einen Startplatz bemühen.

# London-Edinburgh-London 2017 - Finisher Medaille in der Hand

Harald, wir danken Dir sehr für den spannenden Bericht!

Interview: Redaktion / Fotos: Harald Legner
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