Liebe ST-6600 Gemeinde,
zuerst: Dank an alle, die an diesem Thema hier bereits mitgewirkt haben. Ich habe alles mit Interesse gelesen, bevor ich meine Reserve ST-6600 (2x10) ĂŒberprĂŒft und gewartet habe. Von dem rechten Hebel kann ich nun selbst berichten, mit Fotos und Anmerkungen (nun ja, ist etwas lĂ€nglich geworden). Vielleicht kann es bei Fehlersuche und Instandsetzung ja hilfreich sein.
Bilder ST-6600 rechts, noch nicht vollstÀndig gereinigt, altes Fett sichtbar. Der Hebel wollte nicht mehr zuverlÀssig hochschalten, d.h. Schaltfunktion kleiner Schalthebel, hinten von groà Richtung klein, war gestört. Das kann verschiedene Ursachen haben. Blockaden durch gerissene Zugfragmente lasse ich weg, dies wurde bereits behandelt. Auch durch Gewalteinwirkung beschÀdigte oder verbogene Mechanik ist nicht mein Thema.
1) Zur grundsÀtzlichen Funktion
Zentrales Element ist die Trommel fĂŒr den Zug und die damit verbundene Hauptzahnscheibe, die die 10-Gang Rastung steuert, d.h. den Zug einzieht (spannt), fixiert oder freigibt (entlastet). Direkt vor der Zugtrommel sitzt eine flache Spiralfeder, die diese Trommel bei Entlastung in Richtung Zugfreigabe dreht, auch ohne eingebauten Zug, ohne Spannung auf dem Schaltzug. Oben ĂŒber der 10-Gang Zahnscheibe befindet sich eine Schaltwippe, die die Zahnscheibe in der gewĂ€hlten Gangstufe fixiert, bzw. beim Schalten freigibt.
2) Runterschalten, groĂer Schalthebel
Der groĂe Schalthebel wirkt direkt auf die Zugtrommel, die den Zug einzieht. Eine Nase der Schaltwippe oben fixiert die Zahnscheibe mit der Trommel in der jeweiligen Schaltposition- ein hörbarer Klick pro Schaltstufe.
3) Hochschalten, kleiner Schalthebel:
Der kleine Schalthebel betĂ€tigt bei Auslenkung eine bewegliche Klinke, die durch eine Feder auf eine Steuerscheibe gedrĂŒckt wird und dort in eine Nase/Schaltkante eingreift (siehe Bild). Dadurch wird die Steuerscheibe bei weiterer Auslenkung des kleinen Schalthebels verdreht.
Eine andere Nase oben an dieser Steuerscheibe hebt dabei die Schaltwippe an einer Seite an (siehe Bild). Diese Schaltwippe wird durch eine kleine Drehfeder in eine Ruheposition gezwungen, die die 10-Gang Zahnscheibe in der gewÀhlten Gangstufe blockiert, wenn die Wippe nicht (wie beim Schaltvorgang) durch die Nase der Steuerscheibe angehoben wird.
Der Schaltvorgang 'Hochschalten' ist nun zweistufig, es gibt zwei hörbare Klicks. Die Schaltwippe oben hat zwei Nasen, die wechselweise in die Hauptzahnscheibe eingreifen. Wird die eine Seite der Wippe beim Hochschalten durch die Steuerscheibe angehoben, so gibt Nase1 der Wippe ihren blockierten Zahn der Zahnscheibe frei, die Zahnscheibe mit Zugtrommel dreht sich unter ihrer Federspannung in Richtung Zugfreigabe, ein anderer Zahn fĂ€ngt sich jedoch sofort an Nase2, die nun runtergedrĂŒckt ist (Wippe) -> Zugtrommel wieder blockiert, halber Schaltschritt, erster Klick, maximale Auslenkung des kleinen Schalthebels.
Beim anschlieĂenden Loslassen des kleinen Schalthebels in seine Ruheposition dreht sich die Steuerscheibe zurĂŒck, gibt die Wippe oben wieder frei, diese fĂ€llt in ihre Ruheposition (wg. kleine Feder) und Nase2 gibt ihren gefangen Zahn der Zahnscheibe frei, die Trommel dreht wieder ein StĂŒck in Richtung Zugfreigabe, wird jedoch sofort gestoppt von Nase1, die nun wieder abgesenkt in einen weiteren Zahn eingreift -> neuer Gang fixiert, Schaltschritt vollendet, zweiter Klick, kleiner Schalthebel wieder in Ausgangsstellung.
(s. Bilder mit markiertem Zahn, roter Punkt, 1. Ausgangstellung, 2. halber Schritt, 3. voller Schaltschritt).
4) Störung Runterschalten:
Beim Runterschalten (Zug wird eingezogen) kann der Gang (Schaltzug) nur gehalten werden, wenn Zahnscheibe und damit Zugtrommel durch die Klinke oben fixiert werden. Ist die Klinke gebrochen, die Feder gebrochen oder die Klinke verklemmt, dann ist zuverlÀssiges Schalten nicht möglich.
5) Störung Hochschalten:
a) Die Klinke am kleinen Schalthebel greift nicht in die Nase der Steuerscheibe (siehe Fehler im Bild oben), die Steuerscheibe kann somit nicht verdreht werden und die Wippe oben nicht betĂ€tigen. Dies kann auftreten, wenn die Klinke durch altes, verklebtes Fett festsitzt oder nur sehr trĂ€ge reagiert, insbesondere zĂ€h bei KĂ€lte. Ihre kleine Feder schafft es dann nicht die Klinke in die Mitnahmeposition gegen die Steuerscheibe zu drĂŒcken. Man schaltet leer, nix passiert. Oder es geht nur manchmal bei sehr langsamer Auslenkung des kleinen Schalthebels, so dass die Klinke genug Zeit hat (2-3sec) trĂ€ge und zĂ€h doch noch einzurasten. Das war bei meinem (faulen) Schalthebel der Fall. Diese Fehlfunktion kann wahrscheinlich ebenso durch eine gebrochene Klinke oder Klinkenfeder an dieser Stelle verursacht werden.
b) Der Hochschaltvorgang wird nur dann vollstÀndig ablaufen, wenn die Schaltwippe auch den 2. Schritt absolviert, also durch ihre Feder wieder in ihre Ruheposition fÀllt (2. Klick). Sind Wippe oder Feder etwa gebrochen, auf der Achse verklemmt oder durch altes Fett verklebt, so wird es Fehlfunktion geben.
c) Die Zugtrommel dreht nicht selbsttĂ€tig zurĂŒck in die entlastete Position. Die Feder ist relativ krĂ€ftig, Verklebung durch altes Fett ist hier nicht sehr wahrscheinlich. Diese Feder vor der Trommel ist im entlasteten Zustand deutlich sichtbar. Mit zunehmendem Zugeinzug (Spannung) verringert sich der sichtbare Durchmesser der Spiralfeder, wenn sie intakt ist (siehe Bild). Ist das nicht der Fall, so ist sie wahrscheinlich gebrochen. Oder ausgehĂ€ngt, sofern das möglich ist, soweit habe ich nicht demontiert.
Meine Hebel musste ich nur gut reinigen, vom alten Fett befreien und neu schmieren. Danach alles top.
Das alte Fett und Schmutz möglichst gut entfernen. Einfach nur WD40 o. Ă€. hilft lediglich kurzfristig fĂŒr einen ersten Funktionstest. Sind die lösenden, flĂŒchtigen Bestandteile dann verflogen, klebt die alte Pampe wieder.
Zudem hat SprĂŒhöl/Kriechöl ja eben die Eigenschaft ĂŒberall hinzukriechen, auch auĂen auf die Hebel (glitschige Bremshebel), auf die Hoods, man hat es an den HĂ€nden, am Lenkerband, an den Klamotten.
Zum Thema reinigen und schmieren hat sicher jeder seine eigenen Erfahrungen und Mittelchen.
Allgemeine Anmerkung zur erweiterten Demontage ST-6600:
Die 'böse' Schraube wurde hier bereits mehrfach erwĂ€hnt. Ich musste da bisher nicht dran, bin hier aber darĂŒber gestolpert. Es wurde beschrieben, die Krallen der Verdrehsicherung vor dem Losdrehen runter zu biegen und hinterher wieder hoch(?).
Nee, nee, wie soll das gehen? Hier geht's andersrum. Die eine Lasche, die runtergebogen ist und gegen das GehÀuse sichert muss hochgebogen werden, dann dreht man die Schraube mitsamt Kragen raus. So hat sie die freundliche Japanerin bei Shimano wohl auch reingedreht: Alle Laschen hoch zum Kranz, reindrehen und dann eine Lasche runter zur Blockierung. Alles andere wÀre ja Ninja-Magic oder schlimmer.
ZusÀtzlich ist die Schraube wohl mit Loctite gesichert und hat den typischen Shimano Weicheisenkopf. Diesen Murks gibt's ja leider auch anderen Bauteilen.
Vorschlag, habe ich aber nicht ausprobiert:
1) Erhitzen mit Lötkolben (fĂŒr Elektronik, nicht der fĂŒr die Dachrinne). Schraubensicherung wird so ab 100+°C wohl zerstört, wenn ich mich recht erinnere. Gasbrenner wurde ja bereits frĂŒher erwĂ€hnt, wĂ€re mir aber zu heikel. Daher Lötkolben, mit alter Spitze, die nicht mehr fĂŒr Elektronik taugt, evtl. passend zurechtfeilen. HeiĂ auf den Schraubenkopf aufsetzten. Vorteil: Man erhitzt punktuell nur die gewĂŒnschte Stelle, benötigte Zeitdauer einfach auszuprobieren ohne Schaden anzurichten.
2) Oder abgesÀgte alte Schraubenzieherklinge (Kreuz PH2), nur zum Erhitzen, z.B. einfach statt Lötspitze in einen ERSA30.
3) Oder den alten unbrauchbaren Kreuzschlitzdreher an der Spitze gleich mit Flamme erhitzen, dann damit auf den Schraubenkopf, nur zum heizen. Je nach Temperatur (GlĂŒhfarbe) ist der Kreuzer danach ganz hinĂŒber und der Kunststoffgriff angesichts der Prozedur zunehmend 'fassungslos', heiĂ und klebrig zwischen den Fingern. Rausschrauben danach natĂŒrlich nur mit 1A-Werkzeug.
Wer's mal macht, ...
auf eigene Verantwortung! Und bitte dann berichten, ob das so geht, bzw. was nicht.
GrĂŒĂe Andreas