Fr., 07.07
Um 2:30 geht der Wecker. Die Nacht mit klebriger Haut im Schlafsack war noch ekliger als die vorangegangene - wenn ich denn mal wach war. Los gehts auf kleinen einsamen Straßen in wirklich stockfinsterer Nacht. Der Vollmond ist untergegangen und es geht vorwiegend durch den Wald. Mein Horror beim Brevetfahren ist immer ein Wildunfall. Hier gehts zwar kaum mal bergab, aber auch mit 30 möchte ich mit keinem Reh kollidieren.
In Rotenburg a.d. Wümme ist es dann zwar hell aber vor 6:00 schläft diese Kreisstadt noch völlig. Eine offene Tankstelle gibt es nicht. So muss das Frühstück bis Sittensen warten. Hier hat wieder ein hervorragendes Bäckerei-Cafe ab 6:00 geöffnet und bietet leckere Sandwiches feil. Dermaßen motiviert und aufgepäppelt möchte ich nun gerne die Elbfähre um 9:30 erreichen. Mein wohl zu optimistischer ursprünglicher Plan sah vor, die erste um 4:30 zu nehmen. Da der Wind günstig steht, machen wir die nächsten rund 70km in 2h 40min "nieder". Ob wir diese forsche Gangart wohl noch büßen müssen? Die Abfahrt der 9:30-Fähre lässt auf jeden Fall noch Zeit für Cola und Fischbrötchen. Als wir dann über die Elbe schippern denke ich mir und sage auch "Irgendwie ist die Tour für mich jetzt schon gelaufen." Ein Irrtum, wie sich wenig überraschend im Laufe des Tages herausstellen soll.
Jetzt zieht Alex das Tempo mächtig an. Der Wind ist dabei weiterhin durchaus förderlich. Schließlich werden wir durch vielleicht eine halbe Stunde Regen ausgebremst. Unterstellen, Regensachen anziehen, Weiterfahren, Regensachen wieder ausziehen. Der Nord-Ostsee-Kanal wird bereits wieder bei Sonnenschein gequert.
Es folgen etliche eher stark befahrene Kilometer entlang der L149 - Albersdorf, Tellingstedt, Hennstedt. Ich kann es nicht fassen, dass es irgendwie die ganze Strecke über bergab zu gehen scheint. Wo kommen nur die Höhenmeter her? Doch wirklich Spass macht es trotzdem nicht. Für mich ist es eine Phase des eher lustlosen Hinterherfahrens. Alex hat dann auch noch einen Platten, der auch seine Zeit braucht. Mit Rat bedacht werden wir dabei von einem sehr interessierten Rentner, der uns außerdem wissen lässt, dass hier einst die Schlagersängerin Alexandra - die Älteren erinnern sich - gleich da vorne an der Ecke tragisch verunglückte.
Es geht durch Husum. Gefült ist es ja nicht mehr weit. Die von mir mit dem Ziel Bundesstraße zu vermeiden neu geplante Route endet nach kurzer Zeit in einem umgegrabenen Feldweg, der vielleicht mal ein Radweg war oder wieder werden könnte. Also dann doch für einige Kilometer die B5. Schließlich geht es Richtung Meer und ab gegen den strammen Westwind - wie es sich für die See gehört. Alex macht das Tempo, ich bin zusehens frustriert, ja wütend darüber, dass wir hier am Ende dieser Tour nur noch hetzen müssen, um noch irgendwie unser Quartier zu erreichen, bevor dort die Küche um 21:00 schließt. Luftlinie zum Ziel sind es immer noch 35km. Es zieht sich und zieht sich. Vom Meer hinterm Deich ist absolut nichts zu sehen. Dieser Frust führt bei mir schließlich noch zu einem längeren Anfall von Tempobolzerei, von dem ich nicht gedacht hätte, dass ich dazu noch fähig wäre. Endlich ist das so ersehnte Klanxbüll erreicht. Jetzt konsequent "Kette links", ausrollen lassen, unseren Erfolg genießen, wie auch die Abendsonne. So rollen wir nebeneinander auf autofreier Straße zum nördlichsten Punkt der deutsch-dänischen Grenze auf dem Festland (nördlichster Punkt Deutschlands liegt auf Sylt). Nach 71h 50min, 1.103km und 8.229hm sind wir am Ziel - wohl eher meiner Träume. Im Angesicht der norddeutschesten Schafe und mit Blick auf dänische Wiesen werden Dosenbiere geöffnet. Prost auf diese Tour und auf die Freundschaft!