Video: Traka 100 Rennbericht
Traka 100: der Gravel Spirit
„Wo ist der Gravel Spirit hin?“, habe ich mich schon öfter gefragt, wenn Leute aus meinem Rennrad-Umfeld mir von Gravel Qualifikations-Rennen für die UCI WM in den Niederlanden, Belgien, Dänemark oder wo auch immer erzählten. Ellbogen Ausfahren am Start und 30er Schnitte über Wald- und Wiesenwege – hört sich für mich nach der Verlängerung von Straßen-Jedermannrennen auf anderem Untergrund an.
Ich kenne den original Gravel Spirit gar nicht. Ich war ja noch nie in der Heimat der Gravel Rennen, USA, bei Schotter-Events unterwegs. Aber in Deutschland habe ich schon viele Gravel Rides mitgemacht: Hier begrüßt man sich, redet unterwegs, man wartet und scherzt und manchmal versucht man, alle stehen zu lassen. Eine RTF ist ein Rennen dagegen.

Eigentlich mag ich aber Rennatmosphäre genauso wie Ride-Laune. Und deshalb war ich heiß wie Frittenfett, als ich im Rahmen unserer Berichterstattung und eines Pressecamps zum neuen Grail CFR RIFT morgens um 07:00 Uhr auf das Eventgelände der Traka 100 rollte.
Fühlt sich erhebend an, mit echten Gravel-Racern am Start zu stehen. Allerdings nicht im selben Startblock. Denn ich hatte 6 Stunden Fahrzeit angegeben und war deshalb eher hinten zwischen den 4.500 Teilnehmenden aufgereiht (so die Lautsprecher-Durchsage).
Im Startblock setzt sich lockere Gravel- Ride-Atmo fort, die auch das Festival-Gelände bestimmt – ja, Gravel-Festival trifft es eigentlich ganz gut. Jetzt nicht die Sorte Festival mit Flannelhemden, Lagerfeuer und viel Hochprozentigem. Eher zu 50 % die Sorte „wer kann den engeren Race Cut tragen und hat die bessere Siebträgermaschine zuhause“ (internationale Fraktion) und zu 50 % „ich habe ein Gravel Bike, also, warum nicht auch mal an die Traka mit meinen Freunden fahren“ (nationale Fraktion).

„Niemand drängt nach vorne, große Lücken klaffen zwischen den Gravel Bikes. Entspanntes Warten und Labern in vor allem katalanischer und spanischer Sprache, statt nervöses Ein- und Ausklicken und aufgedrehtes Witzeln, wie ich es aus Straßen-Startblöcken kenne.“
Als die Drohne aufsteigt und der Tross sich langsam im Bewegung setzt, ist klar, der Gravel Spirit, oder was man dafür hält, lebt bei der Traka. Niemand drängelt, alle eiern geduldig wie die kleinen Enten hintereinander über die Wiese. Was gut ist, denn die „Startgerade“ ist ein kurviger Hindernis-Parcours mit Bordsteinen, Gebäude-Auffahrten und Verkehrsinseln.

Auch als es auf die Straße geht, auf der die ersten Rennkilometer verlaufen, bleibt alles ruhig und gelassen. Viele fahren in Gruppen und unterhalten sich angeregt. Als es zu regnen beginnt rollen nicht wenige rechts ran, um in aller Ruhe ihre Jacken überzuziehen. Später höre ich, dass Motorräder vorausgefahren sind und das Rennen in der Stadt neutralisiert haben. Ich rouliere entspannt mehrere hundert Plätze nach vorne, der Karoo zeigt nie mehr als 200 Watt, bevor es rechts ab auf eine schmale Straße in den Berg geht.
Der Berg ruft – alle antworten gleich
Der Traka 100 Streckenprofil Aufkleber und mein Recon auf Komoot sagen mir, der erste Berg ist der längste Anstieg (etwa 300 Höhenmeter). Ich erwarte ein rasches Zerteilen des kompakten Feldes. Das hat die Orga, klug gemacht, zumal der erste Teil des Anstiegs sogar auf Asphalt verläuft. Aber weil so viele mitfahren, wird der stetige Strom von Gravel Bikes zunächst nur einfach etwas lückenhafter.
Ich pace und dosiere meine Leistung. Aber links und rechts von mir düst im Wiegetritt die Hälfte der Aufgefahrenen wieder an mir vorbei. Alle geben, was sie können, wehende Westen im Anstieg, trotz Regen. Strava verrät mir später, dass ich mit 230 Watt Durchschnittsleistung den 2 Kilometer langen Asphaltteil geschafft habe, kurz unter meiner Schwelle also.

Wohl wissend, dass noch ein Gravel Anstieg über fast 3 km folgt, rolle ich auf der Abfahrt schnell. Ich suche Linien, wo andere Bremsen; und ich schöpfe meinen Federgabelvorteil voll aus. Nur um durch das Gerüttel am Heck das Di2-Schaltwerk in den Crash Mode zu versetzen. Das merke ich, als es wieder bergauf geht. Denn soviel ich auch am Hebel drücke, das Schaltwerk bleibt im zweitschwersten Gang. Nichts schaltet mehr.
Ich hatte die Dämpfung nicht eingelegt, erfahre ich später. Dennoch, denke ich ebenfalls später, sollte ein Di2 Schaltwerk nicht so leicht in den Schutzmodus wechseln. Was könnte helfen? Drücken und Halten der Junction Box Taste zum Zurücksetzen, wie ich es von meiner 11-Fach Di2 kenne? Das scheidet bei der 12-fach GRX Di2 aus, da es keine Junction Box gibt. Ich weiß nicht weiter, zumal im Rennfieber.

Zunächst entscheide ich, so lange wie möglich zu Treten, denke an Tour de France Helden vor 100 Jahren, die Singlespeed im Hochgebirge gefahren sind und drücke, was geht. Aber ich habe nicht die Oberschenkel eines Proletariers des 19. Jahrhunderts, sondern eines Monitor-Arbeiters mit 6 Stunden Training pro Woche und muss schnell in den Schiebemodus wechseln. Ich bleibe wild entschlossen, mein erstes Gravel Rennen durchzuziehen. Ich sage mir, dass ich notfalls jeden steilen Berg schiebe. Es gibt ja auch flache Partien. Etwas über 1.300 Höhenmeter auf 100 km Strecke stehen auf dem Plan, weniger, als bei den typischen Gravel Rides in meiner Heimat auf solchen Distanzen zusammenkommen.
Doch Rettung ist um die Ecke. In Gestalt von Cory Benson von Bikerumor. Seine Reparaturkünste in Notsituationen finden unter Cory Fixing Stuff auf Instagram Würdigung. Seine Methode: Das Schaltwerk einmal bis zum größten Ritzel durchdrücken. So koppelt die Motor-Kupplung wieder ein. Fertig. Kann weiter gehen.

Am Ende des ersten Gravel Anstiegs sehe ich die ersten schieben, aber nicht wegen kaputter Schaltung, sondern wegen kaputter Beine – oder falscher Übersetzung. Für Normalos bei der Traka empfehle ich 2-fach oder sogar Mullet Set-ups. Ich bin mit der GRX Di2 31 vorne zu 34 hinten sehr gut über die Runden gekommen. Bei einem 1-fach Set-up entspricht das grob einem 40er Kettenblatt vorne mit 44er oder 45er Ritzel hinten.
Nicht so gut über die Runden bin ich mit den Schwalbe G-One RS Pro Semi-Slicks gekommen. Schon auf der ersten Abfahrt hat der Regen den Boden so aufgeweicht, dass das Grail CFR unter mir jedesmal munter hin und her schlingert, wenn Richtungsänderungen anstehen. Es will vor Kurven dosiert verzögert und in Kurven sorgsam austariert werden. Weil ich das Schaltwerk nicht erneut in den Crash Mode versetzen will, lasse ich es ohnehin im Downhill ruhiger angehen. Hinzu kommt, dass bisweilen vor mir wild die Fahrlinie gewechselt wird. Man muss auf alles gefasst sein.

Reifentipp: Selbst wenn es nicht regnet, dürfte ein etwas breiterer und profilierterer Gravel-Reifen auf dem Traka Untergrund mit seiner häufig festen Basis und loser Deckschicht eine gute Wahl sein. Mit etwas Neid habe ich auf Profi-Racer mit dem Schwalbe G-One RX Pro in 45 mm geschielt.
Ich freue mich, dass ich wenigstens eine Federgabel habe, die den steinigen Downhills die Spitzen nimmt und nicht auch noch die Kontrolle am Lenker durch heftiges Rütteln erschwert. Was in den Abfahrten mit einer Auge für die Linie, und dem richtigen Reifen möglich ist, sehe ich als vor mir eine Frau auf dem Gravel Bike (ohne Federgabel) fließend wie die Sturzbäche die Traka-Abfahrten nimmt und viele leichthändig passiert.

Kilometer später an der Verpflegung erkenne ich sie wieder und mache ihr ein Kompliment für ihre Linienwahl. Ich erfahre, dass sie Ex Downhill-Weltmeisterin Petra Wilshire ist. Konnte man sehen. Später lese ich auf Instagram von ihr, dass sie das Rennen in ihrer Altersklasse gewonnen hat und diesen Satz. „Today was incredibly hard riding with dusty tracks turning in mud baths and sketchy descents, ruts and deep river crossings. Huge storms during the 100 km“. Da kann ich mich nur anschließen und gratuliere nachträglich.
Die einzige Verpflegung liegt übrigens bei rund 60 km Renndistanz. Selbst Nahrung mitzuführen und regelmäßig nachzulegen, ist also unbedingt anzuraten. Ich schiebe alle halbe Stunde ein Teil eines Riegels von 226ers oder eine halbe Gummy Bar rein. Schmeckt gut und bekommt mir gut – ich kannte die spanische Marke vorher nicht.

Auch gut: Nachfüll-Riegel werden an der Verpflegung mit Namen versehen, um achtloses Wegwerfen zu verhindern. Es gibt reichlich Riegel, Gels, Herzhaftes sowie Wasser mit und ohne isotonischen Zusatz; auch eine Service-Station von Canyon ist aufgebaut. Ich habe das Vertrauen in mein Schaltwerk zurück gewonnen und lasse sie links liegen.

Das Rad macht allerdings inzwischen jede Menge Geräusche, die erhöhten Verschleiß verheißen. Die Kette schmirgelt laut auf den großen Ritzeln. Über Marginal Gains kann man unter solchen Umständen nur lachen. Die Bremsen quietschen und das Schmatzen kommt nicht aus meinen Kauwerkzeugen, sondern von den Schuhen. Kudos an dieser Stelle an die Garmin Rally XC-Pedale, die nicht nur diverse CX-Rennen, sondern auch dieses Regeninferno in Spanien ohne Probleme trotz sensibler Leistungsmesstechnik überstanden haben.

Während das Rad langsam aufzugeben scheint, ist es bei mir umgekehrt: Ich lebe auf. Die Platzierung des Stopps bei Kilometer 60 funktioniert wie ein Psychotrick. Fast da, denke ich. Und der Blick auf das Profil am Lenker zeigt auch nur noch einen großen Zacken.
Es geht zügig, hügelig und flach dem Zacken entgegen, während sich der Regen uns inzwischen als gehöriger Gewittersturm entgegenwirft. Ich habe eine Art Gruppe gefunden. Ein loser Verbund aus Fahrern und Fahrerinnen, die ich immer wieder treffe.
Es fällt mir übrigens auf, dass gefühlt beinahe die Hälfte der Mitfahrenden in meinem Teil des Traka-Pelotons Frauen sind. Etwas, das ich von Straßen-Events so nicht kenne. Einige wenige von ihnen sind offenkundig im Windschatten eines männlichen Zugpferdes unterwegs, um irgendwie schneller ins Ziel zu kommen – ein Vorwurf, der bei manchen Gravel-Rennen kursiert. Den allermeisten scheint es aber eher um das Erlebnis in einer gleichgesinnten und oft auch gleichgeschlechtlichen Gruppe zu gehen.

Rund 10 km lang läuft sogar eine Art Windstaffel, was auf den flachen Sektionen durchaus lohnt. Der Karoo zeigt tatsächlich immer über 30 km/h und auch mal 38 km/h an und die Kilometer fliegen. Wir fliegen an anderen vorbei.
Jetzt zahlt sich das Pacing vom Rennanfang aus, meine Beine fühlen sich gut an, mein Körpergedächtnis hat sich an die winterlichen CX-Rennen erinnert. Mir macht das Schlittern und Rutschen über die schmalen Pfade an einem gefährlich angeschwollenen Flüsschen schon richtig Spaß.
Fehlende Kondition essen Konzentration auf.
Aber auch Stürze sehe ich einige, gegen Ende werden es immer mehr. Fehlende Kondition essen Konzentration auf. Der Regen tut sein übriges. Auf einer Asphaltabfahrt kurz vor Girona rutscht mir jemand ins Hinterrad, den es hinter mir zerlegt hat. Ich balanciere es irgendwie mit einem Ausflug in die Wiese aus und schaue, ob bei ihm alles ok ist. Er kann später weiterfahren. Wenig „Spirit of Gravel“ finde ich, dass die gleichen Leute, die der Gestürzte in der Ebene kilometerlang im Windschatten gezogen hat, (und am Anstieg abgehängt) jetzt ohne Nachfrage vorbeirollen.
Dann sind es nur noch wenige Kilometer über Parkwege und Gravel-Passagen am Flussufer bis ins Ziel. Unter dem Zielbogen zeigt die Uhr 4:55 Stunden an. Schneller als gedacht, aber vor allem viel schöner als gedacht. Ein Blick auf die Strava Aktivität mit 145 Watt Durchschnittsleistung sagt mir, dass da noch was geht. Die Beine sagen das gleiche. Und der Kopf sowieso.
Aber schneller will ich nicht fahren. Denn noch während ich wieder über die Eventwiese Richtung Zielbogen gehoppelt bin (zumindest im Sattel – danke, nochmal, Federgabel!), habe ich gedacht, das hat richtig Spaß gemacht. Ob ich nächstes Mal die Traka 200 teste? Warum? Vor allem wegen der abwechslungsreichen Strecke. Die Routenführung lässt einem keine ruhige Minute am Lenker, ständig wechseln Singletrails mit schnelleren Bolz-Passagen, ganz selten führt sie über befahrene Straßen und immer gibt es auch in der Landschaft etwas zu sehen. Die längere Strecke mit noch mehr Bergen stelle ich mir noch aufregender vor.
The Traka – Infos
- Ort: Girona, Spanien
- Disziplin: Gravel-Rennen
- Strecken 2025:
- Traka 560K: 560 km, +10.000 m Höhenmeter
- Traka 360K: 360 km, +3.700 m Höhenmeter
- Traka 200K: 200 km, +2.500 m Höhenmeter
- Traka 100K: 100 km, +1.000 m Höhenmeter
- Teilnahmegebühren:
- Traka 560K: 150 €
- Traka 360K: 120 €
- Traka 200K: 100 €
- Traka 100K: 80 €
- Besonderheiten:
- Start/Ziel im Zentrum von Girona
- sehr gelungene und abwechslungsreiche Streckenführung durch die Natur der Provinz Girona
- Hoher internationaler Teilnehmeranteil
- Traka Village mit Expo, Essen, Musik und Community-Aktivitäten
- Webseite: www.thetraka.com
- Termin 2026: Voraussichtlich 29. April – 3. Mai 2026 (noch nicht offiziell bestätigt)

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11 Kommentare
» Alle Kommentare im ForumWarum grüßt du jetzt Anonym und nicht mit Klarnmamen und Adresse, dann komme ich gerne mal vorbeit und sag dir das ins Gesicht. ;-)
Ich habe das Rennen vor Tagen bereits bei Felix Testet gesehen, dort wurde ihm das Rad auch gestellt.
Eigenartigerweise ist das Thema mit dem Reifen in dem Video auch sehr present und hat mit anonym nichts zu tun. ;-)
Im Gravelbereich sind die Reifen schmaler und haben auf der Fläsche gesehen weniger Profil, was bei so einem Wetter nicht viele Optionen ergibt.
Was hat er den am Schaltwerk gemacht und wieso geht das in einem Save Modus, du bist doch nur gefahren?
Das habe ich nicht ganz verstanden oder bist du mal gestürzt?
Er hat das Schaltwerk einmal bis auf das größte Ritzel durchgedrückt, dann kuppelt es wieder ein. Normal geht das auch mit Schalten in den leichtesten Gang.
Das ist ein toller Bericht mit eine klasse Video, in dem man den Dreck und den Regen förmlich schmecken kann. 😅 Besten Dank dafür!
Die "besonders schwierige Stelle" mit dem halbmeterbreiten Betonstreifen unter der Brücke, vorher rechtwinklig abbiegen und hinterher hart bergauf, erinnert mich übrigens stark an Radwege in Nordhessen.
Dass ein elektrisches Schaltwerk einfach mit dem Schalten aufhört, weil es unterwegs zu viel nachdenkt, finde ich jetzt irgendwie schräg. Vergleichbare Dinge versauern mir auch regelmäßig das Fahren mit modernen Autos und ich denke gerade, dass zumindest an einem so grundsätzlich simplen, anspruchslosen und haltbaren Gerät wie dem Fahrrad Schaltzüge doch eine feine Idee waren.
Das macht richtig Lust auf nächstes Jahr selber mal mitfahren. ☺️
Die Gegend selber steht eh schon länger auf meiner Wunschliste.
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