Die NDR Doku „Deutschland kein Sommermärchen“ lässt die Tour de France ’97 Revue passieren – mit den Bildern von der entscheidenden Attacke Jan Ulrichs, die noch heute für Gänsehaut sorgen. Oder eben nicht. Wie der Weg zum Tour Sieg im Licht der späteren Ereignisse erscheint, dokumentiert der NDR mit Sportreportern und den Profis Rolf Aldag, Udo Bölts. Auch Rudy Pevenage, der zuletzt in seinem eigenen Buch eine Dopingbilanz aufstellte, kommt zu Wort.

Ein Meer von Magenta-Radkäppis, ein Empfang wie nach einem Fußball-Weltmeistertitel, überglückliches Lachen in den Gesichtern. Der NDR holt die Bilder von der legendären Tour de France 1997 mit Jan Ulrich zurück. Und sie kommentieren sich im Lichte der späteren Ereignisse, nachdem mehrere Fahrer des damaligen Teams Telekom Doping berichteten, nachdem Jan Ulrich eine schwere Krise durchlebte, eigentlich schon selbst. Einige von den Fahrern von damals kommentieren das Geschehen persönlich, darunter Rolf Aldag und Udo Bölts. Was sie im Rückblick auf die Tour und die Jahre danach zu sagen haben, ist teils noch einmal erhellend, teils schon oft gesagt. Unbedingt bis zu Ende schauen!

Meinung @Rennrad-News.de

Wenn ich in diesen Tagen an Sonnenblumen und reifen Getreidefeldern vorbeifahre, wenn ich den Schatten meiner kreisenden Beine über dem flimmernden Asphalt sehe, dann muss ich an die Tour denken. Ich kann gar nicht anders. Tour TV hat sich in mein Gehirn gebrannt. Gefühlte endlose Stunden vor dem TV-Bildschirm, ein Fernseh-Gran Fondo von 6 Stunden folgt auf den anderen, das schlechte Gefühl der Aufschieberitis von Studienarbeiten im Hinterkopf. Und weil ich ein bestimmtes Alter habe, sind die Bilder an bestimmte Personen geknüpft. Aber das hatte ich eigentlich schon vergessen.

Weil ich es wohl vergessen wollte. Deshalb: Erstmal, danke, NDR dafür, dass in die Radrennleere des Sommers etwas Kettensurren kommt. Und danke, dass ich überraschend die Gefühle von früher noch einmal erleben konnte beim Zuschauen. Ich bekomme tatsächlich eine lang anhaltende Gänsehaut, wenn ich sehe, wie Jan Ullrich Virenque stehen lässt und möchte fast das Handy fallen lassen (Sofa war früher). Minutenlang verfolgt die Kamera Ullrichs Gesicht, das mir gegen die Falten meiner Radkumpels und meine Krampfadern unglaublich jung, fast kindlich vorkommt. Und dann auf einmal der Gedanke, dass es für einen so jungen Menschen schon erheblicher Courage und Selbstvertrauen bedarf, um sich gegen eine Kultur in einer fast geschlossenen Gruppe zu behaupten, in der Doping ganz offensichtlich dazu gehörte. Ich weiß, alles schonmal geschrieben und gesagt. Für nich neu ist: Heute habe ich mehr Mitleid als Enttäuschung darüber. Das habe ich während des Films erst gemerkt. Und wirklich, ich war sehr sehr nah am Wasser gebaut, an vielen Stellen. Der Unterkiefer bebte in einer Mischung aus Enttäuschung und Freude.

Ich kann immer noch richtig bei Radrennen mitfiebern, habe meine persönlichen Lieblinge und meine Lieblingsfahrer. Ich bin nicht so bitterlich enttäuscht vom ganzen Sport wie der Sportjournalist der Süddeutsche Zeitung, der in der NDR-Doku zu Wort kommt. Dann säße ich auch nicht hier. Aber so nah an mich ran wie früher lasse ich die Geschehnisse auch nicht mehr. Das ist mir nochmal klar geworden. Ich hoffe, dass der Radrennsport einer neuen Generation von Zuschauern noch einmal die gleiche Leidenschaft beschert. Für länger. Es sind gerade einige Fahrer am Start, die das könnten.

Schaut ihr euch die Bilder aus ’97 nochmal an?


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  1. benutzerbild

    JNL

    dabei seit 09/2017

    Tour de France 97 in NDR-Doku: Deutschland (K)ein Sommermärchen

    Die NDR Doku "Deutschland kein Sommermärchen" lässt die Tour de France '97 Revue passieren – mit den Bildern von der entscheidenden Attacke Jan Ulrichs, die noch heute für Gänsehaut sorgen. Oder eben nicht. Beide Seiten kommen im Film zur Sprache.

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    Tour de France 97 in NDR-Doku: Deutschland (K)ein Sommermärchen
  2. benutzerbild

    Stuhli

    dabei seit 10/2018

    Hi Jan (@JNL ). Klar hab ich mir die Doku angekuckt und erinnere mich gern an die die Zeit zurück. Auch an das Jahr davor, wo schon klar war, dass der Gewinner hätte Jan Ullrich heißen können. Die Autobiografie von Rudy Pevenage habe ich gerade vor 3 Wochen gelesen. Mir scheint da nichts gelogen und wenn der Sportjournalist der Süddeutsche Zeitung soooo enttäuscht ist, hat er wohl wenig Einblick in die Welt des Sports, nicht nur des Radsports. Wenn im TV nur noch Sportarten gezeigt würden, die ohne Betrug auskommen, wären Sportsendungen 5 Minuten Shows. Hat nicht mal Bernie Ecclestone gesagt, dass es in der Formel 1 nicht um Sport, sondern um Geld geht? So ist das wohl in allen Profisportarten.

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