Hier der erste Teil meines Reiseberichtes. Ich tauche gleich wieder ab aus dem Internet.
Do., 30.06.2011
Bremen –Venezia, 14 km, 10 hm
Italien ist als Radsportland denkbar schlecht geeignet. Das liegt an der komischen Sprache. Früher konnte ich mal ganz gut Italienisch. Aber seit ich jedes Jahr nach Malle ins Trainingslager fahre, ist die Radsportsprache Spanisch. Das wäre okay, wenn Italienisch nicht so ähnlich wäre. Acht heisst hier otto und nicht mehr ocho, hallo nicht hola sondern ciau oder salve. Und so weiter. Erbärmlich. Doch gebucht ist gebucht. Es gibt kein zurück mehr.
Als alter Schisser was Zuspätkommen angeht, bin ich fast der erste beim Einchecken. Die anderen Fluggäste liegen um kurz vor fünf sicher noch im Bett. Mit meinem Radkarton (keine Ahnung wie schwer, aber deutlich unter den erlaubten 30 kg) und meinem Minirucksack (Deuter Race X Air, 14 Liter, 6 kg) bin ich der Exot in der kurzen Schlange. Alles klappt wie am Schnürchen. Beim Packen am Vorabend hatte ich mehr Probleme, denn bei der angestrebten Minimalausrüstung blieb es nicht. Rucksack, Lenkertasche waren prall gefüllt und ich musste auch noch die große Ortlieb-Satteltasche packen. Nach der Reise werde ich schlauer sein, was zuviel war – und was zuwenig.
Thema Nr. 1 nach der Landung: wo bau ich mein Rad zusammen und entsorge meinen Müll. Infoschalter geschlossen. Ein Infomensch vor dem Terminal hatte keine Ahnung, wies mich dann aber nach links, Blick vom Terminal abgewandt, hinter den Parkplatz vom Speedy-Park. Dort standen ein paar Container und weit und breit war kein Mensch zu sehen. Ich begann zu schrauben. Zwei Männer fingen an in einer größeren Garage Getränke zu verladen. Sie zeigten mir eine Werkstatthalle 200 m weiter. Dort wurde ich den Karton los. Den Plastikmüll deponierte ich neben einem Mülleimer neben dem Terminal.
Die Fahrt konnte beginnen. Auf einer vierspurigen Straße, auf der Ponte della Libertá gab es immerhin einen Seitenstreifen, konnte ich schon mal das tolle Fahrgefühl der Italiener genießen, vor allem was den Seitenabstand angeht und die Unlust zu bremsen oder mehr als unbedingt nötig auszuweichen. Dafür ist der gebotene Windschatten optimal.
In Venedig angekommen schiebe ich mein Rad durch die Gassen, trage es über die Brücken. Da ich mein Hotel nicht finde und die hilfsbereiten Venezianer mich hin und her schicken, kenne ich bald alle Ecken im Stadtteil Dorsoduro, bis es bei mir klick macht und ich erkenne, dass jedes Haus, unabhängig von der Straße, eine vierstellige Hausnummer hat. So finde ich endlich das kleine Hotel Locanda Ca´ Foscari. An der schönen Klingel mit dem Löwenkopf steht sogar ganz klein der Name.
Die Stadt ist wunderschön, nur total überfüllt. Ich lasse mich durch die Gassen treiben, fülle meinen Magen mit dem schlechten, überteuerten Essen.
Freitag, 01.07.2011
Venedig – Ampezzo, 196 km, 1.400 hm
Passo di Rest, 1.052 m
Ich will mit der Fähre vom Markusplatz nach Punta Sabbioni auf der Landzunge, die die Lagune im Osten begrenzt. Dazu muss ich morgens mit dem Rad durch die halbe Stadt. Tolle Aktion, wo es geht, fahre ich durch die engen Gassen, schönen Plätze, entlang der Kanäle. Was für ein Gefühl! Wie ein Spaziergang auf dem Mond. Welten begegnen sich. Hier sollte man mal ein Cross- oder MTB-Rennen machen – wegen der Brücken. Ich habe das Gefühl, ich bin der erste Mensch auf der Welt, der so was macht. Erstaunte Blicke. Ich bin sehr zufrieden mit diesem Beginn meiner Reise.
Die Fährfahrt ist entspannend, mehr von Abschied als von Anfang geprägt. Auf der Landzunge angekommen fahre ich bis Caorle, ca. 50 km am Meer entlang. Stau auf der Straße, ich überhole, die Italiener sind ja selbst hart im Nehmen. Von Caorle – wie kann man sich in einem so kleinen Ort nur so gewaltig verfahren - geht es landeinwärts auf die wolkenverhangenen Berge zu, entlang des Fiume Tagliamento. Als ich am Fuß der Dolomiten ankomme, hab ich schon 150 km auf dem Tacho und es ist sechs Uhr abends. Nach kurzer Pause, in der ich in mich gehe, fahre ich doch los und denke, 1.000 Höhenmeter rauf und wieder runter, das ist doch in zwei Stunden zu schaffen. Leider geht es erst nur flach ins Tal und auch immer wieder runter, eine Freude für jeden, der gerne die Berge hoch fährt. Irgendwann geht es dann doch in Serpentinen durch den Wald. Verkehr gleich null. Es fängt an zu tröpfeln. Willkommene Abkühlung. Oben auf dem Passo di Rest mache ich nur eine kurze Pause. Die Reste eines Gewitters sorgen für reichlich Abkühlung auf der Abfahrt. Schlotter. Regenjacke und Regenüberschuhe kommen zum Einsatz. Bevor ich unten im Tal ankomme, reißt die Wolkendicke auf und gibt Blicke frei auf von der Abendsonne angeschienene Felsgipfel. Hurra, ich bin in den Dolomiten. In Ampezzo finde ich eine sehr nette und komfortable Unterkunft. Endlich gutes Essen.
Samstag, 02.07.2011
Ampezzo – Cortina d´Apezzo, 99 km, 2.800 hm
Sella de Rioda, 1.800 m; Sella de Razzo 1.760 m; Sella Ciampigotto 1.790 m
Passo Tre Croci 1.809 m
Bei schönstem Sonnenschein fahre ich los. Die Passtrasse ist schnell gefunden. Anfangs gemütlich entlang einer tiefen Schlucht, später immer steiler und steiler geht es hoch, an einem Stausee vorbei und einem verschlafenen Bergdorf. Wenn nicht gerade Müllabfuhr wäre, wäre nichts los. Einzelne Radler kommen mir entgegen oder überholen mich. Die meisten grüßen freundlich. Gepäck am Rennrad scheint kein Stilbruch. Vom Passo di Rioda, der in meiner Karte nicht eingezeichnet ist, aber der höchste des Sella-Trios, geht es ein kleines Stück runter und wieder rauf zum nächsten Pass, danach noch mal und schließlich supersteil runter ins Cadore-Tal.
Auf breiter Straße mit etwas viel Verkehr fahre ich Richtung Passo Tre Croci. Teils ist die Straße sehr steil, 15 % oder so. Ich kann langsam mitreden, was das bedeutet. Auch Motorradfahrer tummeln sich hier. Alles etwas rummelig, der erste Teil des Tages war schöner. Auch Cortina d´Ampezzo ist überlaufen. Ich erkundige mich nach einer Unterkunft außerhalb in Richtung des Passo di Giau. Die Almhütte ist prima, das Zimmer und Bad richtig schön und neu, fast schon etwas edel. Auch das Essen ist sehr gut. Ich gönne mir ein Menü für 35 Euro mit einem kleinen Glas Wein. Mehr verkrafte ich nicht, will ich mich nicht besaufen.
Sonntag, 03-07-2011
Cortina d´Ampezzo – Rosengarten, 91 km, 2.400 hm
Passo di Giau 2233 m
Passo di Fedaia 2057 m
Auch das Frühstück in der Almhütte ist edel, verschiedene, leckere Brötchen, Schinken, Käse und Müsli, Saft und leider die unvermeidlichen Marmeladepöttchen.
Den Passo di Giau genieße ich. Er ist zwar recht steil, aber sehr schön. Der Autoverkehr hält sich in Grenzen. Ein netter Bayer hält mit seinem Focus an und macht ein Foto von mir. Auf dem Pass ist der Bär los. Die Abfahrt ist so rasant, dass ich in null komma nichts wieder im Tal bin. Schade eigentlich. Das ein oder andere Mal halte ich an, um die Landschaft mit Kitschpotential zu genießen.
Das Tal zum Fedaia-Pass steigt zunächst allmählich an. Irgendwann kommt sie jedoch, die gefürchtete Rampe. Endlos kurbele ich mit 30er Trittfrequenz und 5 bis 6 kmh den Berg hoch. Ohne mein großes Vorbild Michael, der im Harz aus Prinzip nur mit dem großen Blatt fährt, hätte ich das nie geschafft. So lässt sich auch prima der runde Tritt üben: an jeder Stelle der Kurbelumdrehung die optimale Kraftübertragung, nirgends zuviel, nirgends zuwenig. Das kann man nicht oft genug üben, rede ich mir meine Lage schön. Und immer schön den Moment genießen, bloß keine Eile, haha, ich hab es so gewollt, in Bremen werde ich mich nach jeder einzelnen Kurbelumdrehung sehnen. Trotz dieser Vorahnung beschließe ich, auf die Sella-Runde zu verzichten und meine Kräfte vernünftig einzuteilen, mir auch Zeit für Entspannung und Einkehr zu gönnen. Es warten ja auch noch ein paar Hügel und Strecke bis Bremen und ich fürchte den Zustand des Übertrainings, in dem das Fahren keinen Spaß mehr macht.
Als wieder die ersten Kehren anfangen, verpufft am Fedaia die Hoffnung schnell, dass es jetzt flacher wird. Es kommen erst noch die steilsten Passagen (gefühlt). Plötzlich bin ich jedoch oben. Ich habe mich vertan, der Pass ist nicht 2250 m hoch, sondern nur 2050. Trotzdem hat er mich ganz schön meine Grenzen spüren lassen. Ich freue mich auf die Abfahrt, erst noch flach am See, ein kurzer Abstecher auf die Staumauer, dann runter nach ins Fassatal. Bergab will ich wissen, wie viel besser die Motorrädern um die Kurven kommen. Klar, geradeaus, beim Bremsen und beim Beschleunigen aus der Kurve sind sie schneller, in den steilen Kurven aber bin ich schneller, schieb einen vor mir her. Triumphgeheul! Im flacheren Fassatal hefte ich mich an ein paar flotte Rennradfahrer und hab endlich mal wieder Rennradfeeling.
Der Karerpass ist einfach, gemütliche 400 Höhenmeter. Zum Nigerpass geht es nahezu flach weiter. Ich lande in der Frommeralm. Hier will ich morgen einen Ruhetag verbringen. Die Kulisse des Rosengarten und der anderen Berge in der Abendsonne ist überwältigend. Ich habs gesehen, das Alpenglühen! Enzian und die schöne Maid verkneif ich mir.
Montag 04.07.2011
Rosengarten
Ich lasse mir vom Wirt eine schöne Tour empfehlen, laufe zur Kölner Hütte rauf. Auf halber Höhe meditiere ich. Als ich danach meine Erkenntnisse aufschreibe, werde ich von einer kleinen Herde junger Kälber umzingelt. Sehr niedlich und sehr neugierig.
Unterhalb der steilen Felsen spaziere ich bis zur Rotwandhütte, esse dort die unvermeidliche Polenta mit Pilzen und Rehfleisch. Zurück geht es über den Karerpass und den Perlenweg, der sehr romantisch durch bunte Blumenwiesen führt.
Dienstag, 05.07.2011
Rosengarten – Ponte di Legno, 156 km, 2.600 hm
Passo di Mendola 1363 m
Passo Tonale 1883 m
Die morgendliche Abfahrt nach Bozen ist klasse, nur selten zu steil, an einer Stelle werden 20 % angezeigt. Überwiegend kann ich es saußen lassen. In einer schönen langgestreckten Kurve will ein entgegenkommender Motorradfahrer links abbiegen. Im letzten Moment sieht er mich und hält an. Das war verdammt knapp. Ich hätte nicht mehr ausweichen können, da ich ihn erst spät gesehen habe. Ich fluche laut. So schnell kann was Blödes passieren.
Unten im Tal fahre ich auf dem schönen Radweg, einer ehemaligen Bahntrasse, die eine Kollegin vor kurzem mit ihrem Vater Richtung Brenner fuhr, nach Bozen und immer weiter Richtung Meran. In San Michele merke ich, dass ich eine Abzweigung verpasst habe. Der Mendelpass ist ausgeschildert. Also nehme ich doch den und nicht das Gampenjoch. Von Kaltern aus geht es hoch in moderater Steigung. Was für ein Genuss im Vergleich zu den Dolomitenpässen. Auch die Aussicht ist toll, wenig Verkehr. Auf der anderen Seite geht es maßvoll steil runter, so dass ich auch mal ein paar Kilometer mache. Runter auf 600 m. Der Passo Tonale ist ausgeschildert. Im Val di Sole gibt es auch ein Pista ciclabile. Wenig verlockende Bezeichnung, umso schöner zu fahren. In Malè trink ich noch einen Cappuccino und kaufe noch etwas ein, bevor es auf die Passstraße geht. Auch diese gut zu fahren, meist durch Wald, ab und zu Aussicht auf Berge mit Schnee, wolkenverhangen. Der Passo selbst ist oberhässlich verbaut, sogar Hochhäuser stehen rum. Es ist kalt und düster. Nichts wie weiter, ist auch schon halb acht.
Ponte die Legno ist ein recht großer Ort, Touristenzentrum. Wo soll ich bloß schlafen? Ich fahre die Fußgängerzone runter und werde von einem Albergowirt herbeigewunken. Er öffnet die Doppeltür, so dass ich direkt ins Haus fahren kann. Sehr geschäftstüchtig, aber mir gefällt es. So wünscht sich der deutsche Touri den Italiener. Fühle mich willkommen. Die Unterkunft ist eher altersschwach, die Einrichtung auch, hat aber irgendwie Charme. 30 Euro mit Colazione, das ist okay. Dusche ist in der Badewanne, es dauert ewig, bis warmes Wasser kommt. Der Lärm kommt nicht von einer Baustelle, wie ich erst vermute, sondern vom Gebirgsfluss, der durch den Ort rauscht, natürlich komplett kanalisiert. Pizza rucola, ein Bier und ich bin schon betrunken.
Mittwoch, 06.07.2011
Ponte di Legno – Bormio, 43 km, 1.300 hm
Passo di Gavia, 2.621 m
Der Tag beginnt mit einem Platten hinten. Mein Wirt ist super hilfsbereit, fast ein bisschen aufdringlich. Das Loch ist genau an der Stelle, wo der Mantel einen kleinen Riss hat. Hätte ihn zuhause doch gegen einen neuen austauschen sollen.
Der Gavia wartet und ich mach mich auf den Weg. Er soll mir für heute genügen. Ich will nicht auf dem letzten Loch den Stelvio, der sich direkt anschließt, raufkeuchen. Schönes Tal, die Sonne lacht, hübsche Dörfer, wenig Verkehr. Der Anstieg moderat. Vielleicht zahlen sich ja auch meine Ruhetage aus? Ich komme gut voran, die Straße ist teilweise superschmal und schmiegt sich eng an den steilen Berg, so dass mir mulmig wird, wenn Gegenverkehr kommt oder ich überholt werde und auf der Abgrundseite fahre. Ich mache nur kurze Pausen, um zu fotografieren, zu trinken und endlich den ersten meiner drei Energieriegel zu vertilgen, die ich ja nicht mit nach Bremen zurücktragen will. So geht es langsam höher bis über die Waldgrenze. Nur einzelne Passagen sind sehr steil. Der eine oder andere Rennradfahrer überholt mich. Kunststück ohne Gepäck! Irgendwann kommt doch noch der angekündigte Tunnel, ich montiere mein kleines Lichtlein an der linken Lenkerbeuge und keuch durch das Dunkel.
Der Pass ist übersichtlich bebaut. Es tummeln sich Rad- und Motorradfahrer. Hohe Gipfel bilden die Kulisse. Ich nehme einen Cappuccino bevor ich mich in die Abfahrt stürze. Nach wenigen Kilometern geht rechts ein keiner Weg ab oberhalb einer Schlucht. Ich stelle mein Rad ab, gehe den Weg ein Stück runter, suche mir ein Plätzchen, um meine Brötchen mit prosciutto crudo zu futtern. Auf einem kleinen Rücken will ich mal wieder meditieren. Kaum fange ich an, verschwindet die Sonne und der kalte Wind wird spürbar. Ich halte durch und merke danach, wie saukalt mir geworden ist. Jetzt kommt natürlich auch die Sonne wieder durch.
Ich düse ins Tal, überhole ein Motorrad, da es eine schöne spannende Abfahrt ist, mit steilen geraden Abschnitten und immer wieder „tornanti“. In Bormio angekommen, der Tacho zeigt erst gut 40 km, aber mir reicht es für heute, trinke ich einen Cappuccino auf dem Marktplatz. Der Wirt empfiehlt mir das Hotel Daniela, an dem ich schon vorbeigefahren bin. Abends Pizza und ein Bier.
Donnerstag, 07.07.2011
Ruhetag in Bormio. Morgens schüttet es, die Berge steckenin Wolken. Morgen soll es wieder besser werden. Dass ich auch bei Sauwetter Radfahren kann, muss ich mir nicht beweisen. Also bleibe ich, lese, schreibe Tagebuch, schau mal, ob ich ins Internet komme hier.
Do., 30.06.2011
Bremen –Venezia, 14 km, 10 hm
Italien ist als Radsportland denkbar schlecht geeignet. Das liegt an der komischen Sprache. Früher konnte ich mal ganz gut Italienisch. Aber seit ich jedes Jahr nach Malle ins Trainingslager fahre, ist die Radsportsprache Spanisch. Das wäre okay, wenn Italienisch nicht so ähnlich wäre. Acht heisst hier otto und nicht mehr ocho, hallo nicht hola sondern ciau oder salve. Und so weiter. Erbärmlich. Doch gebucht ist gebucht. Es gibt kein zurück mehr.
Als alter Schisser was Zuspätkommen angeht, bin ich fast der erste beim Einchecken. Die anderen Fluggäste liegen um kurz vor fünf sicher noch im Bett. Mit meinem Radkarton (keine Ahnung wie schwer, aber deutlich unter den erlaubten 30 kg) und meinem Minirucksack (Deuter Race X Air, 14 Liter, 6 kg) bin ich der Exot in der kurzen Schlange. Alles klappt wie am Schnürchen. Beim Packen am Vorabend hatte ich mehr Probleme, denn bei der angestrebten Minimalausrüstung blieb es nicht. Rucksack, Lenkertasche waren prall gefüllt und ich musste auch noch die große Ortlieb-Satteltasche packen. Nach der Reise werde ich schlauer sein, was zuviel war – und was zuwenig.
Thema Nr. 1 nach der Landung: wo bau ich mein Rad zusammen und entsorge meinen Müll. Infoschalter geschlossen. Ein Infomensch vor dem Terminal hatte keine Ahnung, wies mich dann aber nach links, Blick vom Terminal abgewandt, hinter den Parkplatz vom Speedy-Park. Dort standen ein paar Container und weit und breit war kein Mensch zu sehen. Ich begann zu schrauben. Zwei Männer fingen an in einer größeren Garage Getränke zu verladen. Sie zeigten mir eine Werkstatthalle 200 m weiter. Dort wurde ich den Karton los. Den Plastikmüll deponierte ich neben einem Mülleimer neben dem Terminal.
Die Fahrt konnte beginnen. Auf einer vierspurigen Straße, auf der Ponte della Libertá gab es immerhin einen Seitenstreifen, konnte ich schon mal das tolle Fahrgefühl der Italiener genießen, vor allem was den Seitenabstand angeht und die Unlust zu bremsen oder mehr als unbedingt nötig auszuweichen. Dafür ist der gebotene Windschatten optimal.
In Venedig angekommen schiebe ich mein Rad durch die Gassen, trage es über die Brücken. Da ich mein Hotel nicht finde und die hilfsbereiten Venezianer mich hin und her schicken, kenne ich bald alle Ecken im Stadtteil Dorsoduro, bis es bei mir klick macht und ich erkenne, dass jedes Haus, unabhängig von der Straße, eine vierstellige Hausnummer hat. So finde ich endlich das kleine Hotel Locanda Ca´ Foscari. An der schönen Klingel mit dem Löwenkopf steht sogar ganz klein der Name.
Die Stadt ist wunderschön, nur total überfüllt. Ich lasse mich durch die Gassen treiben, fülle meinen Magen mit dem schlechten, überteuerten Essen.
Freitag, 01.07.2011
Venedig – Ampezzo, 196 km, 1.400 hm
Passo di Rest, 1.052 m
Ich will mit der Fähre vom Markusplatz nach Punta Sabbioni auf der Landzunge, die die Lagune im Osten begrenzt. Dazu muss ich morgens mit dem Rad durch die halbe Stadt. Tolle Aktion, wo es geht, fahre ich durch die engen Gassen, schönen Plätze, entlang der Kanäle. Was für ein Gefühl! Wie ein Spaziergang auf dem Mond. Welten begegnen sich. Hier sollte man mal ein Cross- oder MTB-Rennen machen – wegen der Brücken. Ich habe das Gefühl, ich bin der erste Mensch auf der Welt, der so was macht. Erstaunte Blicke. Ich bin sehr zufrieden mit diesem Beginn meiner Reise.
Die Fährfahrt ist entspannend, mehr von Abschied als von Anfang geprägt. Auf der Landzunge angekommen fahre ich bis Caorle, ca. 50 km am Meer entlang. Stau auf der Straße, ich überhole, die Italiener sind ja selbst hart im Nehmen. Von Caorle – wie kann man sich in einem so kleinen Ort nur so gewaltig verfahren - geht es landeinwärts auf die wolkenverhangenen Berge zu, entlang des Fiume Tagliamento. Als ich am Fuß der Dolomiten ankomme, hab ich schon 150 km auf dem Tacho und es ist sechs Uhr abends. Nach kurzer Pause, in der ich in mich gehe, fahre ich doch los und denke, 1.000 Höhenmeter rauf und wieder runter, das ist doch in zwei Stunden zu schaffen. Leider geht es erst nur flach ins Tal und auch immer wieder runter, eine Freude für jeden, der gerne die Berge hoch fährt. Irgendwann geht es dann doch in Serpentinen durch den Wald. Verkehr gleich null. Es fängt an zu tröpfeln. Willkommene Abkühlung. Oben auf dem Passo di Rest mache ich nur eine kurze Pause. Die Reste eines Gewitters sorgen für reichlich Abkühlung auf der Abfahrt. Schlotter. Regenjacke und Regenüberschuhe kommen zum Einsatz. Bevor ich unten im Tal ankomme, reißt die Wolkendicke auf und gibt Blicke frei auf von der Abendsonne angeschienene Felsgipfel. Hurra, ich bin in den Dolomiten. In Ampezzo finde ich eine sehr nette und komfortable Unterkunft. Endlich gutes Essen.
Samstag, 02.07.2011
Ampezzo – Cortina d´Apezzo, 99 km, 2.800 hm
Sella de Rioda, 1.800 m; Sella de Razzo 1.760 m; Sella Ciampigotto 1.790 m
Passo Tre Croci 1.809 m
Bei schönstem Sonnenschein fahre ich los. Die Passtrasse ist schnell gefunden. Anfangs gemütlich entlang einer tiefen Schlucht, später immer steiler und steiler geht es hoch, an einem Stausee vorbei und einem verschlafenen Bergdorf. Wenn nicht gerade Müllabfuhr wäre, wäre nichts los. Einzelne Radler kommen mir entgegen oder überholen mich. Die meisten grüßen freundlich. Gepäck am Rennrad scheint kein Stilbruch. Vom Passo di Rioda, der in meiner Karte nicht eingezeichnet ist, aber der höchste des Sella-Trios, geht es ein kleines Stück runter und wieder rauf zum nächsten Pass, danach noch mal und schließlich supersteil runter ins Cadore-Tal.
Auf breiter Straße mit etwas viel Verkehr fahre ich Richtung Passo Tre Croci. Teils ist die Straße sehr steil, 15 % oder so. Ich kann langsam mitreden, was das bedeutet. Auch Motorradfahrer tummeln sich hier. Alles etwas rummelig, der erste Teil des Tages war schöner. Auch Cortina d´Ampezzo ist überlaufen. Ich erkundige mich nach einer Unterkunft außerhalb in Richtung des Passo di Giau. Die Almhütte ist prima, das Zimmer und Bad richtig schön und neu, fast schon etwas edel. Auch das Essen ist sehr gut. Ich gönne mir ein Menü für 35 Euro mit einem kleinen Glas Wein. Mehr verkrafte ich nicht, will ich mich nicht besaufen.
Sonntag, 03-07-2011
Cortina d´Ampezzo – Rosengarten, 91 km, 2.400 hm
Passo di Giau 2233 m
Passo di Fedaia 2057 m
Auch das Frühstück in der Almhütte ist edel, verschiedene, leckere Brötchen, Schinken, Käse und Müsli, Saft und leider die unvermeidlichen Marmeladepöttchen.
Den Passo di Giau genieße ich. Er ist zwar recht steil, aber sehr schön. Der Autoverkehr hält sich in Grenzen. Ein netter Bayer hält mit seinem Focus an und macht ein Foto von mir. Auf dem Pass ist der Bär los. Die Abfahrt ist so rasant, dass ich in null komma nichts wieder im Tal bin. Schade eigentlich. Das ein oder andere Mal halte ich an, um die Landschaft mit Kitschpotential zu genießen.
Das Tal zum Fedaia-Pass steigt zunächst allmählich an. Irgendwann kommt sie jedoch, die gefürchtete Rampe. Endlos kurbele ich mit 30er Trittfrequenz und 5 bis 6 kmh den Berg hoch. Ohne mein großes Vorbild Michael, der im Harz aus Prinzip nur mit dem großen Blatt fährt, hätte ich das nie geschafft. So lässt sich auch prima der runde Tritt üben: an jeder Stelle der Kurbelumdrehung die optimale Kraftübertragung, nirgends zuviel, nirgends zuwenig. Das kann man nicht oft genug üben, rede ich mir meine Lage schön. Und immer schön den Moment genießen, bloß keine Eile, haha, ich hab es so gewollt, in Bremen werde ich mich nach jeder einzelnen Kurbelumdrehung sehnen. Trotz dieser Vorahnung beschließe ich, auf die Sella-Runde zu verzichten und meine Kräfte vernünftig einzuteilen, mir auch Zeit für Entspannung und Einkehr zu gönnen. Es warten ja auch noch ein paar Hügel und Strecke bis Bremen und ich fürchte den Zustand des Übertrainings, in dem das Fahren keinen Spaß mehr macht.
Als wieder die ersten Kehren anfangen, verpufft am Fedaia die Hoffnung schnell, dass es jetzt flacher wird. Es kommen erst noch die steilsten Passagen (gefühlt). Plötzlich bin ich jedoch oben. Ich habe mich vertan, der Pass ist nicht 2250 m hoch, sondern nur 2050. Trotzdem hat er mich ganz schön meine Grenzen spüren lassen. Ich freue mich auf die Abfahrt, erst noch flach am See, ein kurzer Abstecher auf die Staumauer, dann runter nach ins Fassatal. Bergab will ich wissen, wie viel besser die Motorrädern um die Kurven kommen. Klar, geradeaus, beim Bremsen und beim Beschleunigen aus der Kurve sind sie schneller, in den steilen Kurven aber bin ich schneller, schieb einen vor mir her. Triumphgeheul! Im flacheren Fassatal hefte ich mich an ein paar flotte Rennradfahrer und hab endlich mal wieder Rennradfeeling.
Der Karerpass ist einfach, gemütliche 400 Höhenmeter. Zum Nigerpass geht es nahezu flach weiter. Ich lande in der Frommeralm. Hier will ich morgen einen Ruhetag verbringen. Die Kulisse des Rosengarten und der anderen Berge in der Abendsonne ist überwältigend. Ich habs gesehen, das Alpenglühen! Enzian und die schöne Maid verkneif ich mir.
Montag 04.07.2011
Rosengarten
Ich lasse mir vom Wirt eine schöne Tour empfehlen, laufe zur Kölner Hütte rauf. Auf halber Höhe meditiere ich. Als ich danach meine Erkenntnisse aufschreibe, werde ich von einer kleinen Herde junger Kälber umzingelt. Sehr niedlich und sehr neugierig.
Unterhalb der steilen Felsen spaziere ich bis zur Rotwandhütte, esse dort die unvermeidliche Polenta mit Pilzen und Rehfleisch. Zurück geht es über den Karerpass und den Perlenweg, der sehr romantisch durch bunte Blumenwiesen führt.
Dienstag, 05.07.2011
Rosengarten – Ponte di Legno, 156 km, 2.600 hm
Passo di Mendola 1363 m
Passo Tonale 1883 m
Die morgendliche Abfahrt nach Bozen ist klasse, nur selten zu steil, an einer Stelle werden 20 % angezeigt. Überwiegend kann ich es saußen lassen. In einer schönen langgestreckten Kurve will ein entgegenkommender Motorradfahrer links abbiegen. Im letzten Moment sieht er mich und hält an. Das war verdammt knapp. Ich hätte nicht mehr ausweichen können, da ich ihn erst spät gesehen habe. Ich fluche laut. So schnell kann was Blödes passieren.
Unten im Tal fahre ich auf dem schönen Radweg, einer ehemaligen Bahntrasse, die eine Kollegin vor kurzem mit ihrem Vater Richtung Brenner fuhr, nach Bozen und immer weiter Richtung Meran. In San Michele merke ich, dass ich eine Abzweigung verpasst habe. Der Mendelpass ist ausgeschildert. Also nehme ich doch den und nicht das Gampenjoch. Von Kaltern aus geht es hoch in moderater Steigung. Was für ein Genuss im Vergleich zu den Dolomitenpässen. Auch die Aussicht ist toll, wenig Verkehr. Auf der anderen Seite geht es maßvoll steil runter, so dass ich auch mal ein paar Kilometer mache. Runter auf 600 m. Der Passo Tonale ist ausgeschildert. Im Val di Sole gibt es auch ein Pista ciclabile. Wenig verlockende Bezeichnung, umso schöner zu fahren. In Malè trink ich noch einen Cappuccino und kaufe noch etwas ein, bevor es auf die Passstraße geht. Auch diese gut zu fahren, meist durch Wald, ab und zu Aussicht auf Berge mit Schnee, wolkenverhangen. Der Passo selbst ist oberhässlich verbaut, sogar Hochhäuser stehen rum. Es ist kalt und düster. Nichts wie weiter, ist auch schon halb acht.
Ponte die Legno ist ein recht großer Ort, Touristenzentrum. Wo soll ich bloß schlafen? Ich fahre die Fußgängerzone runter und werde von einem Albergowirt herbeigewunken. Er öffnet die Doppeltür, so dass ich direkt ins Haus fahren kann. Sehr geschäftstüchtig, aber mir gefällt es. So wünscht sich der deutsche Touri den Italiener. Fühle mich willkommen. Die Unterkunft ist eher altersschwach, die Einrichtung auch, hat aber irgendwie Charme. 30 Euro mit Colazione, das ist okay. Dusche ist in der Badewanne, es dauert ewig, bis warmes Wasser kommt. Der Lärm kommt nicht von einer Baustelle, wie ich erst vermute, sondern vom Gebirgsfluss, der durch den Ort rauscht, natürlich komplett kanalisiert. Pizza rucola, ein Bier und ich bin schon betrunken.
Mittwoch, 06.07.2011
Ponte di Legno – Bormio, 43 km, 1.300 hm
Passo di Gavia, 2.621 m
Der Tag beginnt mit einem Platten hinten. Mein Wirt ist super hilfsbereit, fast ein bisschen aufdringlich. Das Loch ist genau an der Stelle, wo der Mantel einen kleinen Riss hat. Hätte ihn zuhause doch gegen einen neuen austauschen sollen.
Der Gavia wartet und ich mach mich auf den Weg. Er soll mir für heute genügen. Ich will nicht auf dem letzten Loch den Stelvio, der sich direkt anschließt, raufkeuchen. Schönes Tal, die Sonne lacht, hübsche Dörfer, wenig Verkehr. Der Anstieg moderat. Vielleicht zahlen sich ja auch meine Ruhetage aus? Ich komme gut voran, die Straße ist teilweise superschmal und schmiegt sich eng an den steilen Berg, so dass mir mulmig wird, wenn Gegenverkehr kommt oder ich überholt werde und auf der Abgrundseite fahre. Ich mache nur kurze Pausen, um zu fotografieren, zu trinken und endlich den ersten meiner drei Energieriegel zu vertilgen, die ich ja nicht mit nach Bremen zurücktragen will. So geht es langsam höher bis über die Waldgrenze. Nur einzelne Passagen sind sehr steil. Der eine oder andere Rennradfahrer überholt mich. Kunststück ohne Gepäck! Irgendwann kommt doch noch der angekündigte Tunnel, ich montiere mein kleines Lichtlein an der linken Lenkerbeuge und keuch durch das Dunkel.
Der Pass ist übersichtlich bebaut. Es tummeln sich Rad- und Motorradfahrer. Hohe Gipfel bilden die Kulisse. Ich nehme einen Cappuccino bevor ich mich in die Abfahrt stürze. Nach wenigen Kilometern geht rechts ein keiner Weg ab oberhalb einer Schlucht. Ich stelle mein Rad ab, gehe den Weg ein Stück runter, suche mir ein Plätzchen, um meine Brötchen mit prosciutto crudo zu futtern. Auf einem kleinen Rücken will ich mal wieder meditieren. Kaum fange ich an, verschwindet die Sonne und der kalte Wind wird spürbar. Ich halte durch und merke danach, wie saukalt mir geworden ist. Jetzt kommt natürlich auch die Sonne wieder durch.
Ich düse ins Tal, überhole ein Motorrad, da es eine schöne spannende Abfahrt ist, mit steilen geraden Abschnitten und immer wieder „tornanti“. In Bormio angekommen, der Tacho zeigt erst gut 40 km, aber mir reicht es für heute, trinke ich einen Cappuccino auf dem Marktplatz. Der Wirt empfiehlt mir das Hotel Daniela, an dem ich schon vorbeigefahren bin. Abends Pizza und ein Bier.
Donnerstag, 07.07.2011
Ruhetag in Bormio. Morgens schüttet es, die Berge steckenin Wolken. Morgen soll es wieder besser werden. Dass ich auch bei Sauwetter Radfahren kann, muss ich mir nicht beweisen. Also bleibe ich, lese, schreibe Tagebuch, schau mal, ob ich ins Internet komme hier.