Hallo zusammen,
meine liebe Nachbarin Janett ist mit ihren zarten 60 Lenzen Erstbesitzerin eines solchen gleichen Peugeot Mixte von 1981. Bild des gleichen Rades bei Pinterest geliehen:
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Sie fragte eben: „Hmm, Mensch, ja, du machst doch viel mit Rädern. Kannst du vielleicht mein Rad überholen?“
Klar!
Sie wünscht sich eine gerasterte Schaltung, allerdings soll es halbwegs zeitlich korrekt bleiben und französisch. Was kann manda machen? Max 6fach reicht, primär suche ich gerasterte Hebel, die gut passen. Hat jemand eine Idee? Ich bin gespannt!
Viele Grüße!
Schönes Rad, und es lohnt aus meiner Sicht einen "nutzerinnenfreundlichen" Umbau.
Mit indexierten/positionierten zeitgenössischen Schaltungen ist es nicht so einfach - die französische Fahrrad-Zubehörindustrie hat leider seinerzeit die Zeichen der Zeit nicht verstanden, oder jedenfalls nicht reagiert, was wesentlich zu ihrem Niedergang beigetragen hat. Es gab seinerzeit die Sachs Orbit Commander-Schaltung, und da Sachs faktisch Huret (in Etappen) übernommen hat (ebenso wie u. a. den Kettenhersteller Sedis), gibt es da zumindest eine gewisse "französische Komponente, aber Peugeot hat eigentlich immer Simplex-Komponenten verwendet, nie solche von Huret (jedenfalls so weit ich weiß; für Massenmarkt-Räder stimmt diese Aussage aber auf jeden Fall), insofern gibt es zwar einen französischen, aber keinen Peugeot-Bezug. Außerdem ist die Sachs Orbit Commander wirklich keine besonders gute Schaltung ...
Insofern käme, wie
@b-r-m schon schrieb, tatsächlich in erster Linie die
Shimano Positron in Frage, die Peugeot erstmals ab 1985 an einzelnen Modellen, und (wohl nach dem "Tod" von Simplex) spätestens ab 1987 generell bei ihren "Alltagsrädern" verbaut hat.
Die
Shimano Positron war die erste erfolgreiche indexierte Schaltung für den Massenmarkt;
Shimano war (in diesem Punkt übrigens aus meiner Sicht definitiv vergleichbar mit Peugeot) immer daran interessiert, das Radfahren auch für (noch) unerfahrene FahrerInnen zu erleichtern und in allen Preisklassen eine gute Qualität zu liefern, die einen langjährigen problemarmen Gebrauch auch in den Händen von "normalen" FahrerInnen, die sich nicht für Technik und deren Unterhalt interessieren, zu liefern (das war ein ausdrückliches Designziel, und die praktischen Erprobungen waren darauf abgestellt).
Eine weitere wichtige Innovation (nicht im Sinne einer tatsächlichen Neuerfindung, sondern als konsequente Umsetzung für den Massenmarkt), die die Einführung der Positron begleitete, war das Uniglide-System mit Zahnkränzen, die schräg gestellte (und später auch verkürzte) Zähne zur Schalterleichterung hatten, ebenso wie flexiblere Ketten mit seitlichen Taschen in den Gliedern, die sich leichter schalten ließen und vor allem immer noch akzeptabel funktionierten, auch, wenn die Schaltung nicht ganz richtig eingestellt, verdreckt oder verbogen war.
Nur als "historische Fußnote" (... weil dies hier keine "
Shimano-Eloge" sein soll ...): Nicht erfolgreich war das
Shimano Front-Freilauf-System, das eigentlich zum ursprünglichen "Positron-Paket" dazugehörte - bei diesem war der Freilauf vorne am Tretlager untergebracht, so dass die Kette also immer in Bewegung war, so lange das Rad rollte, und es daher möglich war, andere Gänge zu schalten. Es sind aber wahrscheinlich zu viele (Schlag-)Hosensäume durch die Kette in die immer mitlaufenden Kettenblätter gezogen worden, so dass
Shimano wieder zum konventionellen Freilauf im Zahnkranz bzw. der Kassette an der Hinterradnabe zurückgekehrt ist ...
Die Positron wird heute (und schon länger) generell - vor allem in den angelsächsischen Ländern, in denen sie wohl nur etwa vier Jahre lang am Markt war - als ein Fehlschlag, und eine Fehlkonstruktion betrachtet; gerade "seriöse Rennradfahrer" bedenken sie mit ausdrücklicher Verachtung (... allerdings waren sich jene "seriösen Rennfahrer" seinerzeit, als
Shimano ab 1987 anfing, hochwertige indexierte Schaltungen für den Rennrad-Bereich anzubieten, auch ganz sicher, dass sich das nicht durchsetzen würde, weil richtige Rennfahrer keine Probleme mit dem Friktionsschalten haben. Etwa sechs Jahre später fuhr niemand, der tatsächlich Rennen gewinnen wollte, noch ohne indexierte Schaltung ...).
Auch
Shimano ist nicht besonders stolz auf die Positron - den Fehler, eine bedeutsame neue Technologie (das indizierte Schalten) sozusagen "von unten her" in den Markt einzuführen, haben sie später ganz bewusst nicht noch einmal gemacht ...
Angesichts der Tatsache, dass die Positron das erste wirklich funktionierende indexierende Schaltungssystem war, und dass es sich in Europa - insbesondere in den deutschsprachigen Ländern - mindestens ein Jahrzehnt lang sehr gut verkauft hat, und dass immer noch Zehntausende der so ausgestatteten Fahrräder laufen und im Gebrauch sind, halte ich persönlich die generelle negative Wahrnehmung der Positron für falsch, oder jedenfalls für grotesk überzogen.
Natürlich muss man sich darüber im Klaren sein, dass die Positron konstruktiv ein Schaltungssystem von (vor) 1978 ist, mit einem einfachen, in den frühen Versionen weitgehend aus gepresstem Blech bestehendem Schaltwerk, aber dieses System ist wirklich klug konstruiert, sehr einfach, aber zugleich funktional und betriebssicher, außerdem durchaus auch langlebig, selbst im "pflegearmen" Alltagsgebrauch.
Die einzige wirkliche Schwachstelle ist der schon erwähnte Druck-Zug-Schaltzug, ein Edelstahl-Klavierdraht, der - wie
@b-r-m bereits erwähnt hat - die Neigung hat, irgendwann unmittelbar hinter dem aufgepressten Kopf abzubrechen. Aber meiner Erfahrung nach tut dieser Draht das eher selten, und allenfalls nach jahre- wenn nicht jahrzehntelangem Gebrauch, außerdem häufig dann, wenn das Rad gar nicht gepflegt wird (... ein bisschen Sprühöl von Zeit zu Zeit wirkt Wunder ...) und vor allem dann, wenn es immer im Freien steht und Regenwasser in die Schaltzughülle laufen kann, so dass diese innen anrostet und den Schaltdraht schwergängig werden lässt (der Schaltdraht selber ist - wie erwähnt - aus Edelstahl und rostet daher nicht). Das lässt sich also eigentlich relativ leicht vermeiden (und verursacht - anders herum betrachtet - auch bei ungepflegten "normalen" Kettenschaltungen vergleichbare Probleme).
Übrigens hat die Positron selbst in diesem Fall noch einen Vorteil gegenüber konventionellen Kettenschaltungen: man kann das Schaltwerk auch bei gebrochenem Schaltdraht auf jeden gewünschten Gang einstellen, weil die Rasterung ja am Schaltwerk, nicht am Schalthebel stattfindet - wenn bei "normalen" Schaltungen der Schaltzug reißt, darf man meistens im kleinsten Gang nach Hause strampeln ...
Und der Austausch dieses Schaltdrahts ist auch nicht schwieriger als der eines "normalen" Schaltzugs - nur etwas teurer.
Genug der Theorie - hier mal ein paar Bilder vom Umbau eines 1984er Peugeot für eine geschätzte (inzwischen ehemalige) Kollegin, die ebenfalls eine einfacher zu bedienende Schaltung als die originale Simplex-Friktionsschaltung haben wollte, weswegen ich ihr eine Positron angebaut habe.
Da der vordere Umwerfer die berüchtigte bruchgefährdete Delrin-Schelle aufwies, habe ich auch diesen getauscht (gegen einen NOS Sachs-Huret-Umwerfer - aber jeder andere zeitgenössische 2-fach-Umwerfer hätte es natürlich genauso getan).
Der Zahnkranz ist ein billiger
Shimano-5-fach-Kranz; eine Aufrüstung auf 6-fach-Kranz habe ich versucht, aber das hat leider mangels Platz im Ausfallende nicht funktioniert.
Eine Begrenzung des Schaltbereichs über die (ja nicht vorhandenen) Anschlagschrauben ist bei der Positron nicht möglich. Da das Positron-Schaltwerk zuvor als 6-fach-Schaltwerk verwendet worden ist, fehlte der sonst ab Werk montierte entsprechende Anschlag, der den 6. Gang blockiert - so ein Teil ließ sich aber ohne großen Aufwand aus einem abgewinkelten Blech anfertigen (siehe letztes Bild - der Schaltzug ist hier demontiert) - die entsprechende Bohrung ist an allen Positron-Schaltwerken (egal, ob für 5-, 6- oder 7-fach-Schaltung) vorhanden.
Das System funktioniert seit April 2017 im Alltagsgebrauch einwandfrei - und nein, der Schaltdraht ist bisher auch noch nicht gebrochen ...
Eine gewisse Herausforderung bestand darin, die Positron-Schalthebel auf die mit an den Lenkervorbau angegossenen Schalthebel-Sockel zu montieren - da brauchte es Ausgleichslagen aus Edelstahlblech (aber jetzt sitzen die Hebel spielfrei und funktionieren perfekt). Wenn die Vorbau-Schalthebel am eingangs gezeigten Rad mit einer Schelle montiert sein sollten, ist der Austausch natürlich ganz einfach; falls das Rad auch diese angegossenen Sockel haben sollte, wäre eventuell ein Tausch des Vorbaus eine einfachere Lösung (bei einem Rad von 1981 müsste der Vorbau noch einen Schaftdurchmesser von 22,0 mm haben, abweichend von den späteren (und außerhalb Frankreichs üblichen) 22,2 mm).
Ich habe außerdem die Lichtanlage auf Nabendynamo (natürlich in der originalen, sehr gut erhaltenen Super Champion-Felge) und LED umgerüstet; ästhetisch begeistert es mich nicht, das gebe ich zu, aber ich kann damit leben, und bei einem Alltagsrad geht für mich da einfach die Funktion (einschließlich Standlicht) vor, und ich finde es optisch insgesamt jedenfalls akzeptabel.
Außerdem habe ich den bereits vorhandenen Korbhalter umgearbeitet und auf die Unterseite des Gepäckträgers umgesetzt - vorher "schwebte" der Korb tatsächlich frei über dem Gepäckträger, oberhalb des Korbhalters - das sah vielleicht seltsam aus (war aber tatsächlich vom Hersteller so konzipiert) ...
Der Besitzerin dieses Rades, die es sehr schätzt und mag, war es - wie auch mir - übrigens wichtig, dass man prinzipiell alle Änderungen auch wieder rückgängig machen könnte, wenn jemand das mal wünschen sollte; sie hat daher auch alle ausgebauten Altteile in einem Karton zurückbekommen. Bis auf das in den Falzen der Schutzbleche "eingenietete" einfache Lichtkabel, das ich leider entfernen musste, wäre es daher tatsächlich möglich, das Rad wieder in den Auslieferungszustand zu versetzen.
Dass diese gesamte Aktion sehr zeitaufwändig war, muss ich wahrscheinlich nicht extra betonen, ebenso wenig, dass man so etwas definitiv nicht auf eine wirtschaftlich sinnvolle Weise umsetzen kann - die entsprechenden vielen Arbeitsstunden für den Umbau eines solchen alten Rades mag wohl kaum jemand bezahlen (ich habe das so gelöst, dass ich mir nur die Teile habe bezahlen lassen, und für die Arbeit ein individuelles Kunstwerk erbeten und erhalten habe, da die betreffende ehemalige Kollegin in dieser Richtung talentiert ist und motiviert war).