ZDF redet Tacheles:
Ein Leben
für den Fußball
Über die merkwüdige
Häufung von Todesfällen
bei italienischen Ex-Profis
Fußball ist ein kurzlebiges Geschäft. Wie wörtlich diese Floskel besonders in Italien zu nehmen ist, zeigt ein Blick in die Vergangenheit. Viele Stars der 60er und 70er Jahre sind früh gestorben. Anfang September haben sie mal wieder einen der Ihren zu Grabe getragen: Inter-Präsident Giacinto Facchetti, in den 60er Jahren Kapitän der Nationalmannschaft und bei Inter Mailand.
Altstars kämpfen mit Doping-Spätfolgen
Juve weist Doping-Vorwürfe von sich
Doping-Prozess gegen "Juve"
22 Monate Haft für Juve-Arzt Agricola
Schon wieder einer, sorgt sich Ferrucio Mazzola. Der ehemalige Profi wundert sich über die zahlreichen Todesfälle in Italiens Fußball. "Wenn sie Inters Geschichte anschauen - viele sind weg. Mazzero, Morbelo, Bicicli - viele sind früh gestorben." Und nun Facchetti, der mit 64 einem Pankreas-Krebsleiden erlag.
Pillen vom Trainer
Mazzola, selbst ehemaliger Spieler von Inter, drängt sich ein schlimmer Verdacht auf. Nämlich der, dass die Doping-Praktiken einst in der Umkleidekabine - in den 60er Jahren noch nicht verboten - der Grund dafür sind. "Ich bin damals in eine Falle getappt. Weil wir die Pillen, die der Trainer uns gab, heimlich ausspuckten, hatte er den Kaffee präpariert. Ich habe den Kaffee getrunken und konnte abends nicht schlafen - drei Nächte lang. Ich zitterte wie ein Epileptiker", berichtet Mazzola. Von seinem früheren Verein Inter Mailand gab es auf ZDF-Anfrage bislang noch keine Reaktion auf diese Vorwürfe.
»Weil wir die Pillen, die der Trainer uns gab, heimlich ausspuckten, hatte er den Kaffee präpariert.«
Ex-Inter-Profi Ferrucio Mazzola
Auch bei anderen Clubs kam es zu verdächtigen Todesfällen. Zum Beispiel beim AC Florenz, von dessen Sensationsteam der 70er Jahre vier Spieler tot und fünf schwerstkrank sind: Herzinfarkt, Leberkrebs, Nierenleiden.
Bruno Beatrice war einer von ihnen. Ein Mittelfeld-Hüne, auch der Kampfhund genannt. Gabriella, die Spielerwitwe, klagt an. Sie erinnert sich an Mittel, die Entzündungen vorbeugen sollten, an Herzstimulanzien, intravenös gespritzt, fast jeden Tag: "Die Nächte nach dem Spiel schlief er nie. Seine Muskeln zitterten immer. Seine Arme zuckten spastisch - wie bei einem Huhn, dem man den Hals umgedreht hat", sagt Signora Beatrice.
Bruno Beatrices qualvoller Tod
Ihr Mann Bruno starb mit 39 Jahren nach langer Agonie an Leukämie. Er hinterließ seine Frau und zwei Kinder. Gabriella Beatrice hat mit drei weiteren Familien Anklage erhoben. Mit wenig Aussichten auf Erfolg. Weil Doping damals noch nicht als Straftatbestand galt, stehen die Chancen schlecht, einen Verantwortlichen nach dreißig Jahren zur Rechenschaft zu ziehen. Nicht einmal den AC Florenz gibt es - nach Pleite und Zurückstufung - heute noch. Der Verein wurde neu gegründet und anschließend wegen "sportlicher Verdienste" in die Profiliga heraufgestuft - italienische Verhältnisse eben.
»Die Nächte nach dem Spiel schlief er nie. Seine Muskeln zitterten immer. Seine Arme zuckten spastisch - wie bei einem Huhn, dem man den Hals umgedreht hat.«
Gabriella Beatrice, Witwe von Bruno
Der Turiner Staatsanwalt Raffaele Guariniello hat auf Grund solcher Zeugenaussagen Ende der 90er Jahre eine Untersuchung von über 25.000 Spielern, von 1960 bis heute, eingeleitet. "Am Ende unserer Ermittlungen kamen wir zu einem überraschenden Ergebnis. Bei den Fußballprofis ist die Sterblichkeit durch eine seltene Form der Sklerose bis zu 80-fach höher als bei der Normalbevölkerung."
Zeman tritt die Lawine los
Der Staatsanwalt ist ein Anti-Dopingkämpfer, seit er 1998 nach den schlagzeilenträchtigen Aussagen eines Trainers mit seinen Untersuchungen begann. Zdenek Zeman, ehemaliger Coach des AS Rom (1997-99), hatte sich über die Muskelzuwächse bei Spielern von Juventus Turin verwundert gezeigt und einen Dopingverdacht ausgesprochen. Natürlich fand Zeman in Italien am Ende der Saison keinen neuen Verein mehr.
Aber der Staatsanwalt ermittelte. Bei Juve hob die Polizei eine Apotheke aus, die für eine 30.000-Einwohner-Stadt ausgereicht hätte, darunter 15 verbotene Substanzen. Sechs Jahre später folgte der Prozess. Im Januar 2004 mussten sich - erstmals in der Fußballgeschichte - Stars wie Vialli, Zidane oder Ravanelli selbst erklären.
Merkwürdiges juristisches Vorgehen
Die Spieler waren damals nur als Zeugen geladen. Sie mussten nichts befürchten. Nur der Teamarzt wurde verurteilt: ein Jahr und zehn Monate Haft für Doktor Riccardo Agricola. In der Berufungsverhandlung wurde er dann freigesprochen. Das Gericht ließ sich bei seiner Entscheidung von dem Grundsatz leiten, nach dem keine Straftat besteht, wo es kein Gesetz gibt. Italien hat zwar seit dem Jahr 2000 eines der härtesten Dopinggesetze der Welt, aber der von der Staatsanwaltschaft inkrimierte Zeitraum von 1994 bis 1999 fällt nicht unter diese Verordnung.
ap
Juve-Arzt Agricola (r.) mit seinem Anwalt
Chefankläger Raffaele Guariniello berief sich deshalb auf den Straftatbestand des Sportbetrugs. Doch das betreffende Gesetz aus dem Jahre 1989 beziehe sich nur auf illegale Wetten, befand das Gericht; ein Freispruch wegen Nichterfüllung des Straftatbestandes also. Die Verabreichung von Arzneimitteln an abhängig Beschäftigte kann demnach für den genannten Zeitraum nicht strafrechtlich verfolgt werden. Noch heute ist Agricola Teamarzt bei Juve.
» In den Kollektivsportarten gibt es praktisch kein Doping. Denn das bringt nichts.«
FIFA-Boss
Sepp Blatter
Naive FIFA?
Die FIFA leugnet die Existenz von Doping im Fußball nicht, redet das Problem aber klein. "Schauen Sie, wie viel Prozent Doping oder positive Fälle sie in den Einzelsportarten im Vergleich zum Mannschaftssport haben. In den Kollektivsportarten gibt es praktisch kein Doping. Denn das bringt nichts, wenn sie ein komplettes Team haben", sagt FIFA-Boss Sepp Blatter.
Na, wenn die FIFA es sich da mal nicht zu einfach macht. Aber der schöne Schein muss schließlich gewahrt bleiben, denn Fußball ist ein lukratives Geschäft. Und ein kurzlebiges.
Ach ja im Fußball gibts kein Doping, das bringt nichts :aetsch: Die sollten mal die Sterbefälle im deutschen Fußball anschauen, da ist es sicher auch nicht anders. Wenn man sich ansieht, wie früh die Fußballer aus den 50/60/70ern gestorben sind.