Hast Du da online frei zugängliches Material dafür? (Was handfestes, n Paper oder so). Interessiert mich wirklich...
Ich hab jetzt nur die Zeit, die Quellen aus Wikipediaartikeln aufzulisten:
http://www.jpsmjournal.com/article/S0885-3924(07)00783-X/fulltext
https://www.sciencebasedmedicine.org/the-end-of-chiropractic/
http://www.chiroandosteo.com/content/pdf/1746-1340-17-13.pdf
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/21952385
In der englischen Wikipedia sind mehr, als Quellenverweise.
Wenn Schmerz ein "Effekt" ist, dann ist es auch dessen Linderung.
Genau das ist der Punkt, den ich vielleicht nicht korrekt erklärt habe: Ich gehe davon aus, dass es einen "echten Schmerz" als neurophysiologischen Prozess gibt, und davon abgesehen einen Schmerz, den der Patient mit Worten beschreibt. Die Frage ist, warum sollte sich der echte Schmerz durch ein Placebo ändern? Solange mir darauf niemand eine plausible Theorie gibt - ich will keine Evidenz, keine Studien, sondern eine plausible Erklärung! - solange kann ich nicht akzeptieren, dass ein Scheinmedikament, das per Definition als wirkungslos angesehen werden muss, einen Effekt hat.
Angenommen ein Patient wird nach einer OP, wie man das halt so macht, gefragt "wie ist Ihr Schmerz auf einer Skala von 1 bis 10?". Ich nehme an, dass der "echte" Schmerz sich durch ein Placebo nicht ändert, aber der Patient irrtümlich oder unbewusst-fälschlich sagt, dass er sich bessert. Da gibt es ja in der medizinischen Psychologie etliche Mechanismen, die einen Placeboeffekt rein psychologisch erklären, ohne dass sich der Schmerz oder dessen Bewertung sich ändern muss. Vielleicht kennst du das ja selber, aber wenn ich mal im Krankenhaus liege und diese Frage gestellt bekomme, dann habe ich nie eine Ahnung, was ich antworten soll. Kann gut sein dass ich "5" sage, wenn die Schwester nett ist und "7", wenn die Schwester böse ist.
Angenommen, es gäbe eine Methode, Schmerz
100% zuverlässig objektiv zu messen, und zwar unabhängig von der Aussage des Patienten. Sagen wir mit Bildgebung wie fMRI oder PET-MRT-Orgonspectrographie oder so. Würde man das Ergebnis der objektiven Messung mit der Befragung des Patienten nach irgendeiner Rating-Skala vergleichen, welchen Zusammenhang gäbe es da? Welche Unterschiede gäbe es zwischen verschiedenen Rating-Skalen? Und welchen Einfluss hätte ein Placebo?
Man kann aber schwerlich Schmerz, Angst, Depression, Zufriedenheit, ... als statistisches Artefakt abtun.
Nicht Schmerz, Angst, Depression etc. per se, sondern in Statistiken deren Änderung infolge eines Placebos. Das wollte ich sagen.
Nun ist aber der Placeboeffekt eines Analgetikum-Scheinpräparates in manchen Studien lustigerweise durch einen Opioid-Rezeptor-Antagonisten (Naloxon) aufhebbar. Also bedient sich das Placebo möglicherweise indirekt der physiologischen Mechanismen zur Schmerzunterdrückung.
Deine Schlussfolgerung ergibt sich aber nicht zwingend aus den von dir genannten Studien (die ich teilweise gelesen habe). Denk dran dass eine direkte Wirkung eines Placebos auf die Schmerzphysiologie ein extraordinary claim ist! Ich habe gerade über die Naloxon-/Endorphinstudien viel nachgedacht und bin zu folgendem Ergebnis gekommen:
Angenommen bei der Ausprägung des Placeboeffekts sind die physiologischen Mechanismen der Schmerzentstehung und Schmerzunterdrückung
nicht beteiligt, aber angenommen, die Blockade von (µ-)Opioidrezeptoren führt dennoch zu einer Reduktion des Placeboeffekts. Welche alternativen neurophysiologischen Prozesse mit Opioidrezeptobeteiligung können wir postulieren, um dieses Ergebnis zu erklären?
Na beispielsweise die Belohnungsschaltkreise, die traditionell als "dopaminerg" (Nucleus Accumbens, Striatum, etc.) bezeichnet werden, die aber dennoch u.a. durch Opioidrezeptoren moduliert werden bzw. opioidabhängige nachgeschaltete Effekte haben. Beim Placeboeffekt geht es ja um die Bewertung einer erstmal noch ungewissen Wirkung, d.h. wer ein Medikament bekommt, macht eine
reward prediction. Belohnungseffekte spielen also plausiblerweise eine Rolle. Während Dopamin im Belohnungsschaltkreis v.a. mit Motivation/Erwartung in Verbindung gebracht wird, ist die Gratifikation (nachgeschaltet) primär von Opioidrezeptoren, ich glaube primär µ, abhängig.
Ich habe eine Studie gefunden, die genau diese Fragestellung untersucht hat, nämlich
http://archpsyc.jamanetwork.com/article.aspx?articleid=210854
Ich fasse zusammen: Parkinsonpatienten, die L-Dopa nehmen, wurden ohne ihr Wissen plötzlich auf Placebo umgestellt. Sie wurden in 4 Gruppen aufgeteilt und jede Gruppe wurde
angelogen, Zitat: "
Verbal manipulation was used to modulate the expectations of patients, who were told that they had a particular probability (25%, 50%, 75%, or 100%) of receiving active medication when they in fact received placebo." Gemessen wurde die Dopaminantwort auf das Placebo via Tracer decline und die klinische Antwort der Parkinsonsymptomatik. "
Conclusions: The strength of belief of improvement can directly modulate dopamine release in patients with PD. Our findings demonstrate the importance of uncertainty and/or salience over and above a patient's prior treatment response in regulating the placebo effect and have important implications for the interpretation and design of clinical trials."
Interessante Grafik:
"Figure 2. Clinical response to placebo. [...] In group A, subjects were told that their chances of receiving active levodopa were 25%; group B, 50%; group C, 75%; and group D,
100%." * = statistisch signifikant
Dass die Gruppe mit
100% Verum-Erwartung den geringsten Placeboeffekt hatte sowie die ganze Disksussion der Studie ist sehr interessant.
Natürlich bindet der Milchzucker des Placebopräparates nicht am Opioidrezeptor, aber das Placebo hat dazu geführt, dass unsere eigenen Schmerz-hemmenden Neurone vermehrt Endorphine, Enkephaline, ... ausschütten, die ihrerseits natürlich tatsächlich einen pharmakodynamischen Effekt erzeugen können.
Dass die Opioidwirkung körpereigen sein muss ist klar, aber dass es um schmerzhemmende Neurone im Sinne der physiologischen Schmerzverarbeitungsschaltkreise geht, ist nicht "natürlich". Placeboeffekte gibt es nicht nur bei Schmerz, sondern bei allem, was nicht objektiv messbar ist, auch bei nicht-medizinischen Studien im Bereich Psychologie/Verhalten. Es ist also nicht zu erwarten, dass ein physiologischer Mechanismus, wenn es einen gibt, schmerzspezifisch ist. Das Belohnungssystem ist aber wirklich überall beteiligt, wo es im subjektive Einschätzung von Nutzen und Nachteil geht, und es enthält Opioidrezeptoren als zentralen Bestandteil.