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Puch Mistral Reloaded

Noize

aka Noize
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...ein Wiederbelebungs-Thread

Nachdem immer wieder Fragen zu diesem Rad gestellt werden, möchte ich euch die Geschichte der Restaurierung dieses Rades nicht mehr länger vorenthalten. Der komplette Wiederaufbau ist über die letzten 3 Monate ziemlich ausführlich und fast schon episch beschrieben. Das möchte ich euch hier ersparen und versuche die Geschcihte ein bisschen zu komprimieren.. :rolleyes:

Ich hab auch länger überlegt, ob ich Bilder und die Geschichte zu diesem Rad posten soll oder nicht. Es gibt zum Thema "Radklassiker restaurieren oder so lassen wie sie sind" 2 große Lager, die sich so verhalten wie die meist ziemlich intolerant ausufernden Diskussionen über die Qualitäten von Shimano oder Campagnolo.

Eigentlich kann man mit so einer Geschichte eher verlieren als gewinnen. Ich tus trotzdem.. :D


Zur Vorgeschichte:
Begonnen hat alles, als mich ein Mitarbeiter eines Wiener Radgeschäfts Mitte November auf ein verdrecktes, gammeliges Rad in einer Ecke seiner Werkstatt aufmerksam gemacht hat. Das Rad war von oben bis unten zugegammelt, die verchromte Gabel teilweise mit Rostpocken gepflastert, ebenso der Hinterbau, sofern man die Chromschicht überhaupt unter dem millimeterstarken Kellerstaub-Altölkleister erkennen konnte. Die Aufkleber waren durchgängig porös, teilweise haben sie sich abgehoben und waren auch schon stellenweise abgesprungen.

Das Rad war mir als Ganzes ziemlich wurscht. "Puch" stand halt drauf und alles was ich bis zu diesem Zeitpunkt über Puch wußte war, dass es meistens irgendwelche Billigräder für die breite Masse waren, die ich in meiner Kinderzeit öfters gesehen hatte.

Puch-Räder waren mir bis zu diesem Zeitpunkt also ziemlich egal, da ich mich eigentlich auf italienische Räder konzentriere und sie daher so garnicht in mein Jagdschema paßten. Allerdings hab ich bemerkt, dass da scheinbar eine Campa Super Record zumindest in Teilen dran verbaut war.

Nach einigen Tagen nachdenken hab ich das Rad zum Ausschlachten der Komponenten mitgenommen. Immer noch kein Interesse an dem pickigen Rahmen, hab ich ihn in eine Ecke in meinem Keller gestellt und dort stand er meist unbeachtet bis Weihnachten.

 
AW: Puch Mistral Reloaded

Was jetzt folgt, ist in den Tagen um Weihnachten passiert..

Zuhause ist mir dann ein Aufkleber aufgefallen. Reynold 531 stand drauf. Das hat dann doch die Neugierde geweckt und ich hab mal mit dem Putzfetzen kurz vor Weihnachten begonnen, den allerschlimmsten Dreck runterzuputzen.



Mit dem ersten Putzen sind dann auch die blauen Linierungen an den Muffen und der früher wohl sehr schöne weiße Perleffekt-Lack zum Vorschein gekommen. Also habe ich begonnen, dem Dreck mit Wasser, Spüli, Bremsenreiniger und Lackpolitur (in der Reihenfolge) an den Kragen zu gehen. Jetzt aber war ich nicht mehr gänzlich davon überzeugt, dass ich nur den Rahmen abwracke um die Komponenten zu verwerten, denn mit dem Putzen sind mir auch so einige Besonderheiten wie die hohlgebohrten Campagnolo-Ausfallenden und der Schaftvorbau mit "PUCH"-Panto aufgefallen.



Relativ schnell war klar, dass die Aufkleber nicht zu retten sein werden. Die sind beim Drüberputzen richtig abgesplittert.



Sehr positiv war, dass die verchromte Gabel und der Hinterbau schnell wieder auf Hochglanz waren und die Rostpocken mit Politurwatte entfernbar waren.
Beim Lack hatte ich noch Hoffnung, mit viel Geduld und Politur einen ansehlichen Zustand retten zu können, aber nach mehreren Stunden polieren habe ich den Gedanken dann aufgegeben. Der Lack ging teilweise großflächig entlang der Decals ab und war stark verkratzt (so verkratzt, dass es mit einfachen polieren nicht wegzukriegen war) und hat alle Braun-Gelb Schattierungen durch diverse Fettpackungen über die Jahre angenommen. Außerdem dürfte das Rad mal als Malbock gedient haben oder zumindest mehrfach mit einem Pinsel mit brauner Farbe getroffen worden sein.

 
AW: Puch Mistral Reloaded

Die Gabel und den Hinterbau hatte ich relativ schnell wieder "fabriksneu" hingekriegt.



Der Lack war aber ein echtes Problem. Der Perleffektlack hat über die Jahre durch die schlechte Lagerung alle Gelb-Braun Töne angenommen. Selbst durch vorsichtiges Polieren ging die oberste Glitzerschicht zentimeterweise verloren. Zusätzlich bin ich beim Auspolieren der Kratzer tlw. bis zum Haftgrund durchgekommen.
Jetzt hatte ich also einen Perleffekt/Mattlack/Haftgrund/Kratzer/Unterverchromung/Lack fehlt überhaupt - Fleckerlteppich, der nicht schön ausgesehen hat.

Ich habe mich dann nach einigem Nachdenken zum Neulackieren entschieden. Da beim Rostpockenentfernen am Chrom mit Nevr Dull auch die blaue Linierung ziemlich gelitten hat, habe ich mich auch entschlossen den Hinterbau komplett vom Lack zu befreien.
Mit viel Abbeizer, Stanleymesserklingen, Stahlwolle und Geduld ist ein schöner, verchromter Hinterbau hervorgekommen.

Vorher:


Nachher:
 
AW: Puch Mistral Reloaded

Da über Weihnachten eh nix mit Lackieren und Decals weitergegangen ist, hab ich mich mal um die Komponeten gekümmert.

Der Puchultima war so nett und hat mich mit einem Katalogscan versorgt. Entsprechend dem, was im 1984er Katalog stand und ich an dem Rad vorgefunden habe, kann man behaupten, dass das Rad im Originalzustand war.

Und das war am Rad drauf:
  • Es hat eine komplette Campagnolo Super Record - gestempelt Brev. 84 - verbaut
  • Ausnahme sind die Bremshebel (Record)
  • und die Naben (Record)
  • Der 6fach Zahnkranz stammt von Regina und nennt sich CX mit einer Übersetzung 14-26.
  • Steuersatz und Sattelstütze sind Campa-Nachbauten von Gipiemme
  • Vorbau ist ein Cinelli XA mit Puch Panto
  • Lenker ist ein Cinelli 64
  • Der Concor Profil Sattel stammt von Selle San Marco

also alles zusammen nix schlechtes :)

Kurz vor Weihnachten wurden also mal der Rahmen gestrippt...
 
AW: Puch Mistral Reloaded

Schalthebel:
Beim rechten Schalthebel war eigentlich klar, dass da so ohne weiteres nix mehr zu machen sein wird. Der Vorbesitzer dürfte wohl ein Crash mit dem Rad gehabt haben und irgendwie auf die rechte Seite gefallen sein. Jedenfalls ist der rechte Schalthebel hinüber und der rechte Bremshebel hat auch einiges abbekommen. Wenn ich mal Muße verspüre werde ich versuchen den Schalthebel wieder auszubeulen, aber für den Anfang wird es wohl ein anderer SR-Hebel aus meinem Fundus tun.

 
AW: Puch Mistral Reloaded

Der Steuersatz hat mich ein bisserl geärgert beim Zerlegen. Gipiemme hat - im Gegensatz zu Campagnolo, wo die Kugeln in einem Käfig sitzen - die Kugeln frei in den Lagerschalen laufen. Und diese sind mir fröhlich beim Öffnen aus den Lagern gefallen und haben sich in der Werkstatt frei am Boden verteilt.

Die Oberfläche des Steuersatzes war ziemlich matt und rauh, so dass ich mich entschlossen habe, den Steuersatz zu polieren.

Hier Bilder vom Polieren:

Links die polierte untere Schale:


 
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..ich war poliertechnisch auch sonst nicht tatenlos. :D

Stütze vorher:
Gipiemme hat die Stütze nur gefräßt ohne irgendeiner polierten Oberfläche verkauft. Das konnte ich so nicht lassen.. :p



..und nach dem Polieren:

 
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Als nächstes waren die Laufräder dran..

Ich hab die Laufräder neu eingespeicht und weil ich schon dabei war, hab ich die Naben wieder in Ordnung gebracht und aufpoliert. Grad bei der VR-Nabe dachte ich, die Konen sind hinüber, weil alles so rauh lief. Aber nach einem Bad in Petroleum, bei dems dem ausgehärteten Lagerfett ans Leder ging, und einer Packung frischem Schmier, liefen die Lager wie neu.

Vorher:





Während:



Danach:

 
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Vorbau:

Ich hatte mir zwischenzeitlich einen baugleichen Cinelli XA Vorbau wie den originalen mit der Panto besorgt und wieder in Schuß gebracht. Der neue Vorbau ist leider notwendig, da mir der 56er Rahmen zusammen mit einem 120er Vorbau und einem Lenker mit nie endenwollenden Reach zu groß ist.

hier ein Bild beim Ausschleifen der Macken und danach eines vom fertig polierten und selbsteloxierten :eek: Vorbau:









..übrigens, weil ich vergessen habe einige Fotos beim Eloxieren des Cinelli-Vorbaus zu machen, hier ein paar Fotos vom Eloxieren des Vorbaus für mein Colnago Master. Der Vorgang selbst lief ja grundsätzlich sehr ähnlich ab. ;)

  • Abbeizen mit NaOH
  • Rausschleifen der tiefen Kratzer mit einer elastischen Schleifscheibe
  • Polieren mit unterschiedlichen Scheiben und Pasten (am Polierbock und mit dem Dremel)
  • Eloxieren ( etwa 0,8 Ah/dm²) in 20% Schwefelsäure
  • Fixieren (Kochen in A.dest.)






 
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Für den Rahmen hab ich mir neue Pickerl vom Greg aus Australien besorgt :D

 
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Lackieren...

Hier die Spezifikation, so wie ich sie dem Lackierer gegeben habe.

Lackierung:
  • 3färbig
  • Blau: Sikkens Farbcode: 471 A3
  • Weiß: hochglänzendes Weiß, ohne Perleeffekt
  • Gold: Gold mit Metalliceffekt
  • Grundfarbe des Rahmens ist Weiß
  • Ausnahme: Blaue Lackierung zwischen der oberen und unteren Steuerrohrmuffe. Die Muffen selbst sind weiß lackiert.
  • Hinteres Rahmendereieck wird nicht generell lackiert. Die Lackierung wird aber an den Kettenstreben (die unteren Streben) bis über die verbindende Querstrebe geführt, so dass die rauhe Oberfläche lackiert ist. Abgeschlossen wird die Lackierung an den Kettenstreben mit einer Linierung

Muffen:
  • Alle 4 Muffen (obere und untere Steuerrohrmuffe, Tretlagermuffe & Sattelrohrmuffe) werden goldfarben liniert.

Am Rahmen sollen 2 Banderolen plaziert werden

Sitzrohr:
  • Blaue Hauptbanderole (Breite etwa 200mm, exkl. Linierung) mit 2 links und rechts flankierenden kleineren blauen Banderolen (Breite etwa 20mm exkl. Linierung) im Abstand von einigen Millimetern neben der Hauptbanderole
  • Auf die Hauptbanderole wird auf beiden Seiten seitlich eine Folienbeschriftung ("Puch", 20 mm hoch, 175 mm breit) aufgeklebt
  • Jede Banderole mit etwa 2mm goldener Linierung
  • Länge über alles etwa 275 mm
  • Die Banderolen beginnen etwa 20 mm oberhalb des Umwerfer-Sockels und enden mindestens 70 mm unterhalb der Sattelrohrmuffe

Unterrohr:
  • Blaue Hauptbanderole (Breite etwa 200mm, exkl. Linierung) mit 2 links und rechts flankierenden kleineren blauen Banderolen (Breite etwa 20mm exkl. Linierung) im Abstand von einigen Millimetern neben der Hauptbanderole
  • Auf die Hauptbanderole wird auf beiden Seiten seitlich eine Folienbeschriftung ("Puch", 20 mm hoch, 175 mm breit) aufgeklebt
  • Jede Banderole mit etwa 2mm goldener Linierung
  • Länge über alles etwa 275 mm
  • Die Banderolen beginnen etwa 20 mm unterhalb der Schalthebel-Sockel und sollen beide Flaschenhalterösen mit einschließen. Wenn notwendig können die Banderolen so versetzt werden, dass die Banderolen nicht genau über einer Flaschenhalter-Öse liegen und der Abstand zu den Schalthebel-Sockeln größer wird.


.. und hier das fertige Ergebnis:







 
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Die Kassette ist recht interessant. Eine Regina CX mit der aussergewöhnlichen Abstufung: 14-15-17-19-24-26



 
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...noch ein paar Details :D





Die Bremsgriffgummis sind neu. Hab ich in Italien aufgetrieben..

Ich hab mich für das klassische Kork-Lenkerband entschieden.

hier das Ergebnis:





und hier das komplette Rad:

 
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Chapeau,

mein Respekt und eins drauf mit Mappe... :daumen:


Aaaaaber, fährst Du dann auch oder guckst Du nur... :p ;)

beeindruckte Grüße

Martin
 
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