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PBP 2015 besondere Momente

Nemberch

Ich leg mich dann mal wieder hin
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Nürnberg
Einen Bericht zu schreiben liegt nicht jedem. Ich möchte hier die besonderen Momente die sicher jeder von Euch erlebt hat sammeln.

Für den Anfang gebe ich Euch mal ein Foto.
DSCI0194.JPG
 
Einmalig waren auch die beiden französichen Radsportler die mir kurz nach Dreux auflauerten. Sie haben mich, als Schrittmacher, eine knappe Stunde begleitet. Zuerst haben sie sich vor mich gesetzt um Windschatten zu bieten, waren mir aber zu langsam.
Nachdem ich sie zweimal überholt habe ist einer hinter mir gefahren und der Vordere hat unter Anleitung des Hinteren das Tempo gesteigert bis sie meine Reisegeschwindigkeit herausgefunden haben. Dann ist er wieder nach vorne um den Windschatten auszubauen. Da es ziemlich eben war konnte ich die 32 km/h die ganze Zeit über halten was mir eine respektvolle Verabschiedung eingebracht hat.
Ich glaube sie hatten dieses Stück extra ausgesucht weils da flach ist und sich das Schrittmachen richtig lohnt.
 
Der ca. 12 Jahre alte Junge auf seinem alten blauen Stahlrennrad, der in die Haende klatschte und Bon Courage gewuenscht hatte.
 
Donnerstag Vormittag, es regnet und ich gehe in eine Bar. Da liegt einer unterm Tisch und schläft. Ein bisschen später wacht er auf, als er rausschauen will winke ich ab und sage, das es draussen regnet. Er erwiedert:" Ich bin aus Seattle, wir in Seattle sind es gewohnt im Regen zu fahren". "Also raus mit dir", sage ich. Er erwiedert:" Wir in Seattle sind aber auch keine Trottel, ich geh da jetzt nicht raus". Also sind wir noch ein Stündchen sitzengeblieben und haben geplaudert.
 
Der hatte bestimmt aus Versehen seine Regenjacke in Seattle liegengelassen und das ist ihm dann gerade noch rechtzeitig eingefallen.... :)
 
Tatsächlich hat er sich kaputt gelacht über meinen Wust an Gepäck um mir dann zu zeigen was man als Randonneur dabei hat. Nämlich nichts.
 
Loudeac, Rückweg irgendwann nach Mitternacht. Eine freiwillige Helferin, so um die 70, geht von Tisch zu Tisch und bittet die Leute zum schlafen die reichlich vorhandenen Pritschen zu nehmen, da die Tische zum Essen benötigt werden. Ein Randonneur, vornübergebeugt auf dem Tisch liegend, richtet sich auf, schreit irgendwas unflätiges und sinkt wieder nach vorne. Sie steht da, schaut ihn noch so ca. 10 Sekunden lang an, zeigt ihm dann aus tiefstem Grunde ihres Herzens den Stinkefinger, dreht sich um und geht weg. Das gab spontanen Applaus.
 
Doch, ich habe hinter Mortagne (Rückweg) ganz früh am Morgen, es war noch dunkel, die Landschaft als völlig mystisch empfunden. Seitlich waren ganz hohe Hecken und ich hatte das Gefühl als wenn die sich hoch über mir wieder schließen würden. Es war auch so ein bisschen beklemmend. Ich müsste nun eigentlich nochmal dahin, um nachzugucken wie es wirklich aussieht. Es wurde dann irgendwann hell und alles sah wieder ganz normal aus. Ich habe mich vorsichtshalber nochmal neben der Strasse ins Gras gelegt, das Fahrrad aber ordentlich an einen Pfosten gelehnt. Geweckt hat mich irgendwann einer der Motorradfahrer. Er stand da hoch über mir und sagte: "Beeil Dich, sonst fällst Du aus der Zeit!" Ich hab ihm geantwortet, dass ich das sowieso nicht mehr schaffe. "Doch, doch!"
Naja, ich bin dann wach gewesen und hab ihm gesagt, dass ich jetzt auch weiterfahren könne. Er wünschte noch viel Glück und rauschte davon. Der wollte wahrscheinlich mal gucken ob ich noch zurechnungsfähig bin.

Und bis Dreux konnte ich plötzlich richtig schnell fahren. Es lief super und ich wollte es dann noch im Zeitlimit schaffen, aber in Dreux regnete es ziemlich und in der Kontrolle war so ein leckeres Buffet ganz ohne Warteschlange und mir wurde ein riesiger Teller mit all den Köstlichkeiten zusammengestellt. Da habe ich doch lieber in Ruhe gespeist und dann wars mir wurscht mit dem Delai.
 
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Es ist schon ein wenig her, aber auch etwas von mir:

Auf dem Weg nach Brest in Fougeres angekommen, stellten wir unsere Räder ab und gingen zum Kontrolltisch, wo mir XXX entgegen kam, was mich etwas verwunderte, denn er war in der 80 Std. Gruppe gestartet und da er ein starker Fahrer ist, hätte er weit vor uns sein müssen. Jetzt verkündete er aber, daß er abgebrochen hätte, da er völlig fertig sei und für die letzten Kilometer bis Fougeres total viel Zeit gebraucht hätte. Ich versuchte ihn davon zu überzeugen, daß er erst mal eine größere Pause machen solle und dann würde es schon gehen. XXX war aber zumindest psychisch sichtlich von der Rolle und meinte, er hätte schon eine Pause gemacht, es hätte nichts gebracht und er würde jetzt abbrechen.

So erledigten wir unsere Kontrollformalitäten, ...
... Wir waren bereits wieder an unseren Rädern und machten uns abfahrtbereit, als mir die Sache mit XXX keine Ruhe lies und so bat ich meine beiden Mitfahrer, noch einen Moment auf mich zu warten, da ich noch etwas zu erledigen hätte. Ich ging zurück in die Kontrolle und fand XXX an einem Tisch sitzend. Also habe ich ihm für den Fall, daß ich ihn in Paris treffen würde und er abgebrochen hätte, versprochen, daß ich ihm dann persönlich „eine reinhauen“ würde. Was er sich überhaupt einbilden würde. Wir würden versuchen innerhalb von 70 Stunden die Strecke zu schaffen und er, der viel stärker als wir sei, hätte immerhin noch 70 Sd. Zeit, um nur noch dreiviertel der Strecke zu schaffen. Und was er sich überhaupt einbilden würde, schließlich sei PBP kein Spiel.

In der Hoffnung, daß diese Standpauke wirken würde, wenn es schon nicht auf die sanfte Tour funktionierte, verließ ich die Halle und fuhr zusammen mit YYY und ZZZ los.

Später dann auf der Rückfahrt in Loudeac:
... So saß ich da und kaute meine Brote, als XXX an meinem Tisch vorbeikam. Er sagte kurz „Danke“ ...
 
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Landschaft als völlig mystisch empfunden
Grüne Männchen oder ähnliches habe ich nicht gesehen. Bei mir hat sich der Bewuchs wenn er eng an der Strassse stand zu Architektonisch sehr interessanten Tunneln, Brückenbögen und Torbögen entwickelt. Einen Tunnel habe ich wiedererkannt als ich Heute Vormittag auf einen Kaffee in den Schnepperschütz geradelt bin.
 
Soso, der Inhaber ist übrigens ein Sammler alter Stahlrennräder habe ich gehört.
 
Am Sonntag Abend in der Dämmerung habe ich meine Bluetooth Box angeworfen und mir mit voller Lautstärke Hundreds angehört. So langsam schloss sich ein Kreis Randonneure immer enger um mich. Ich habe die Mitte der Fahrspur eingenommen und wir sind eineinhalb Stunden auf Tuchfühlung in Formation durch die Nacht geradelt. Immer wenn ich was anderes spielen wollte kam lautstarker Protest.
 
Maël-Carhaix, 10km vor Carhaix. Vom letztem Mal wusste ich dass der Bäcker direkt hinter der Kirche in Maël-Carhaix die ganze Nacht auf hat. Weil ich ahnte dass es recht voll sein wurde in Carhaix hielt ich dort an zum Thee trinken und essen. Halbwegs meinen Thee frug die Bäckerin mir ob ich auch dort übernachten wollte, es gäbe Feldbetten. Keine Zweifel, ich wollt eh in Carhaix schlafen. Also bestellte ich 45 Minuten schlaf. Ich wurde zu den Feldbetten geführt, die standen im Raum hinterm Ofen. 45 Minuten geschlafen und ich konnte wieder weiter. Vermutlich viel besserer schlaf als auf dass ich in Carhaix haben wurde.
 
@rajas kommt gar nichts von Dir?
Na gut... *schnaub*

  • Martin und ich wachen in Mortagne-au-Perche auf (s.u.) und kalkulieren unsere verbliebene Restzeit, derweil unsere übermüdeten Gehirne wahrlich Wichtigeres zu tun haben als Uhrzeiten in Dezimalbrüche umzurechnen. Wir liegen eigentlich gar nicht so schlecht in der Zeit und haben noch einen Puffer, dürfen aber auch nicht mehr rumtrödeln. Da stößt Renee wieder zu uns und verbessert unsere Rechnung um 15 Minuten:
    Zwei Männer werden spontan zu kleinen Jungs, reißen die Arme hoch und geben sich laut jubelnd ein High-Five.
    Mathe-Klausur verhauen, so much Win!

  • Von der weinenden Franko-Kanadierin die ich vor Dreux auf einer Überlandkreuzung stehend aufgegabelt habe hatte ich ja schon berichtet. Das arme Ding war komplett fertig und hat immer wieder was von "I will kill myself" gafaselt. Eine Dame vom Grundstück nebenan hat sich dann um sie gekümmert, während die Franko-Kanadierin mir noch zurief dass sie für mich beten würde weil ich für sie angehalten hätte (anschließend hörten dann auch tatsächlich meine Achilles-Schmerzen auf ...was aber auch am Ibuprofen gelegen haben kann das mir ein älterer Ire gegeben hat).
    Ich dachte ich hätte die Fahrerin nachher noch mal gesehen, dem war aber wohl doch nicht so. Die Liste führt sie jedenfalls als DNF/1089 und ich habe in einem franz. Video gesehen, dass sie in einer Rettungsdecke eingewickelt auf dem Boden lag und der Reporter besagte Dame ins Haus geschickt hat um Kaffee zu holen.

  • Irgendwann mitten in der Nacht in Saint-Rémy-du-Val, ein Supermärktchen hat geöffnet, es nieselt. Die junge Frau an der Kasse fällt auf eine ganz zauberhafte Art und Weise in die Kategorie "je später der Abend, desto hübscher die Wirtin" und ich bin spontan ...begeistert, kann aber außer "Fisimatenten / Visitez ma tente" keinen relevanten Brocken Französisch. Nicht nur aus Ermangelung eines Zeltes fällt es daher wohl aus die Gute kurzerhand mitzunehmen, zumal sie dafür eindeutig zu schwer ist.
    Draußen wartet Martin, ich aber bin total elektrisiert und schiebe die Abfahrt verlegen vor mich her. Phantasien steigen in mir auf die mir in warmen Rot-, Braun- und Goldtönen davon erzählen wie sie den frierenden, müden und klammen Randonneur vor ihrem Schaufenster erst in die Badewanne steckt und dann mit wollüstiger Bestimmtheit ins frisch bezogene Bett schickt. Das ist mein magischer Moment - und zum Kaschieren meines Trennungskonflikts mache ich für Martin einen tumben Herrenwitz ob der beiden Birnen die sie mir geschenkt hat...
    Martin ist dann ohne mich losgefahren und auch ich gebe mir nach einem Powernap einen Ruck, quäle mich auf mein Rad, widersetze mich somit der tollkühnen Idee hier eine wundervolle Dummheit zu begehen und fahre geradewegs bis ...zum Ortsausgang. Wenn ich schon nicht im Schoß der Französin mit den schönen Birnen einen kleinen Tod sterben darf, dann will ich wenigstens im Schoße der Mutter Gottes schlafen - gleich hier vor der Kirchentür der Notre-Dame-de-Toutes-Aides, auf dem feuchten Schotter.
    Kaum habe ich da eine halbe Stunde gelegen weckt mich der einsetzende Regen durch lärmendes Trommeln auf meine Rettungsdecke. Beim Aufstehen überlege ich lange ob ich die paar hundert Meter zurückfahre um so nochmal einen sehnsüchtigen Blick erhaschen zu können, aber nein, weiter muss die Reise gehen!

    Tous les matins nous prenons le chemin,
    tous les matins nous allons plus loin.

    Martin finde ich auf dem blanken Boden der Kontrolle in Mortagne-au-Perche schlafend wieder und lege mich geradewegs neben ihn.
    Schöner Scheiß.
 
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