Bridgestone RS 800
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Das ist ein guter Tipp, vielen Dank dafür ! Ich habe ja noch einigen Selecta-Kram hier liegen, mit und ohne Frontfreilauf, da ist es auf jeden Fall gut zu wissen, wie man die Schalen (auch) hinein- und herausgeschraubt bekommen kann.Gerade empirische ermittelt: Die Lagerschalen lassen sich mit 'ner 17er Inbus-Nuß einwandfrei und ohne Gewürge rausdrehen.
Das stimmt, denn das war ja faktisch der erste "Oktalink"-Versuch (vermutlich mal wieder eine Idee, die Shimano nicht erfunden, sondern nur übernommen, möglicherweise verbessert und "massenkompatibel" gemacht hat ...), also eine technische Lösung, die dann erst rund 20 Jahre später zur "vollen Blüte" kam.Würde mich mal interessieren, weswegen das System so schnell wieder in der Versenkung verschwunden ist, denn ich finde das, selbst gemessen an heutigen Standards, garnicht mal so doof.
Ich kann in Bezug auf Deine Frage auch nur Mutmaßungen anstellen. Ich weiß z. B., dass das 'Positron'-System, also der erste Versuch eines indexierten Schaltsystems, im wichtigen US-Markt (und auch in UK) völlig gefloppt sein soll - das sagt unter anderem der (zeitgenössische) amerikanische Schaltungs-Experte Frank Berto, wie auch der (ebenfalls zeitgenössische) englische Schaltungs-Experte Mike Sweatman (bei uns in Deutschland ging es übrigens mit der Positron erst richtig, und offenbar von den verkauften Stückzahlen her auch richtig erfolgreich, los, als sie offenbar im (weitaus größeren) US-Markt bereits gefloppt war, aber der relativ kleine westdeutsche bzw. westeuropäischer Markt ist da wohl insgesamt einfach nicht wirklich entscheidend).
Generell soll Shimano aus diesem Fehlschlag die Lehre gezogen haben, dass sie nie wieder neuartige/innovative Technologien "von unten her", also in den niederen Gruppen, die in erster Linie die weniger geschickten und weniger technikaffinen Einsteiger/Gelegenheits- und "Erholungs"-Fahrer ansprechen sollten (bzw. eben an den entsprechenden Fahrradmodellen jener Zeit montiert waren), einführen wollten. Die Idee dahinter war ja eigentlich richtig: Profi-Fahrer konnten auch mit der existierenden Friktions-Technik bereits gut und schnell schalten, während unerfahrene Neueinsteiger und Gelegenheitsradler diese technische Unterstützung durchaus gebrauchen konnten. Es ging also um die weitere Vereinfachung und Popularisierung der Kettenschaltung. Was Shimano (aus einer m. E. sehr deutlich (nur) "japanischen Perspektive" heraus) seinerzeit nicht verstanden hat, war, dass eine Technik, die zunächst (nur) im Massenmarkt eingesetzt und popularisiert worden ist, sozusagen dann für den (Möchtegern-)Profibereich "verbrannt", also definitiv nicht mehr akzeptabel war und ist. Diese Lektion hat Shimano dann offenbar schnell begriffen, und hat von diesem Zeitpunkt an technologische Innovationen (und technische Gimmicks ...) immer nur noch "von oben", also in den jeweils oberen Gruppen (Dura Ace und später beim MTB XT/XTR) in den Markt eingeführt und sie dann immer jeweils in den Folgejahren allmählich auf die "niederen" Gruppen ausgerollt (so läuft es ja derzeit z. B. auch beim elektronischen Schalten, DI 2, obwohl auch das eigentlich ein System ist, von dem eventuell der unerfahrene Gelegenheitsfahrer sogar letztlich den größeren Vorteil haben dürfte).
Ich könnte mir gut vorstellen, dass dem tatsächlich erstaunlich "modernen" Selecta-System faktisch ein ähnliches Schicksal widerfahren ist wie dem Positron-System, mit dem es zeitgleich auf den Markt kam, dass es also an der falschen Stelle in der "Werteordnung" auftauchte und ihm damit der Weg nach "oben" versperrt blieb. Ich denke, dass man seinerzeit in Profifahrer-Kreisen weder indexiertes Schalten, noch neuartige Tretlagerachsenkonstruktionen für sinnvoll oder gar erforderlich hielt - Anfang der 1980er Jahre stellte da ja Campagnolo weiterhin unangefochten den technischen De-Facto-Standard dar, an dem sich alle anderen - und insbesondere die japanischen "Aufsteiger" - zu orientieren hatten (das sollte sich dann aber innerhalb weniger Jahre deutlich ändern ... ), und wenn es so etwas von Campagnolo nicht gab, dann brauchte man das als "ernsthafter" Radfahrer auch nicht, und musste sich gar nicht erst groß damit beschäftigen ...
Ein anderer Punkt ist, dass man Shimano genau in jener Zeit, Anfang der 1980er Jahre, nicht ganz zu Unrecht nachsagte, sozusagen die "Weltherrschaft" im Fahrradkomponenten-Bereich anzustreben, und ein Mittel dazu waren eben auch proprietäre Sonderkonstruktionen, die nicht mit den bisherigen, zumeist seit Jahrzehnten bewährten, Komponenten anderer Hersteller kompatibel waren. Bis in diese Zeit hinein war es eigentlich immer möglich, und auch im Profibereich durchaus üblich, Bauteile unterschiedlicher Hersteller quasi beliebig zu verwenden und sich aus dem Sortiment verschiedener Hersteller jeweils die besten (oder eben die gerade noch bezahlbaren ...) Komponenten herauszupicken, das passte eigentlich generell alles schon zusammen und funktionierte dann auch. Shimano war dann tatsächlich der erste Hersteller, der offenbar in jener Zeit einen besonderen Ehrgeiz an den Tag legte, Komponenten-Systeme zu entwickeln, die nur mit den jeweils anderen Komponenten des Shimano-Systems zusammen funktionierten - das gilt für die Positron, für das Front-Freilauf-System, für die Selecta-Kurbelgarnitur und (teilweise) für die ax-Komponenten von 1980. Teilweise war das wohl tatsächlich nur technisch begründet, aber insgesamt vermittelte die Shimano-Technologie-Offensive der frühen 1980er Jahre doch auch deutlich den Eindruck, als ob es dem Unternehmen doch in erster Linie darum ging, die Käufer zu zwingen, auschließlich originale Shimano-Komponenten bzw. ganze Systeme und Gruppen zu kaufen.
In Bezug auf die "Gruppenpolitik" ist Shimano langfristig bei dieser Politik geblieben, in Bezug auf die (Nicht-)Kompabilität von Komponenten bzw. nicht zuletzt auch in Bezug auf Shimano-spezifische Sonderlösungen (z. B. Shimano-Schalthebelsockel und ax-Schaltwerks-Schaltzugführungen) sind sie offenbar nach einigen Mißerfolgen eher zurückgerudert und haben von dieser Zeit immer eher Lösungen angestrebt, die mit den bestehenden Standards kompatibel waren.
Als sie dann später ihre Marktmacht hinreichend etabliert hatten, sind sie offenbar sogar zu einer Art "Open-Source"-Politik übergegangen und haben nicht (mehr) versucht, ihre Neuentwicklungen unbedingt proprietär und patentgeschützt in den Markt einzuführen, sondern eher, durch Masse und Marktmacht jeweils einen neuen De-Facto-Standard zu etablieren, dem dann andere Hersteller folgen mussten, um konkurrenzfähig zu bleiben (da denke ich z. B. an das Profil der Kassettennaben, das ja dann später auch Sachs und andere Hersteller übernommen haben). Das war sicherlich der klügere Schachzug - eine technische Neuentwicklung nicht zwingend und automatisch zu monopolisieren, sondern die Konkurrenz eher durch das schiere Produktionsvolumen, die umfassende Marktpräsenz und nicht zuletzt auch den Preis in die Defensive (und also zur Übernahme der durch Shimano gesetzten Standards) zu drängen.
Insofern glaube ich, dass das eigentlich gute und innovative Selecta-System seinerzeit vor allem an einer ungeschickten Marktplatzierung und -einführung gescheitert ist, und sich dann eben erst deutlich später in einem anderen Kontext durchsetzen konnte.