Nur so einen Tipp für dich als Neuling. Achte auf das Datum des Beitrags welchen du beantwortest
Im Namen von
@bkneer und auch in meinem eigenen Namen bedanke ich mich für deinen rücksichtsvollen Hinweis. Dann kann schonmal wenigstens nicht wieder einer der notorischen Trolle den "Mr. Oberschlau" machen...
Tatsächlich kann es natürlich bei einem solchen Thema nie schaden, die Frage auch nach 5 oder 6 Jahren aufzugreifen, denn es lesen ja sehr viele mit, die ähnliche Probleme haben.
Es geht bei solchen Problemen nicht unbedingt um das, was der TE meint, was dahinter steckt: Bei den hier beschriebenen Problemen muß es also nicht unbedingt die TF sein die ursächlich ist. Das falsch durchgeführte Spinning kann aber Auslöser gewesen sein.
Insgesamt ist dies auch mal wieder ein schönes Beispiel, wohin ein zu verkopftes Herangehen führen kann, wenn man der Intuition die Möglichkeit nimmt, sich "einzumischen" (Anführungsstriche, weil sie natürlich nicht so bescheiden sein sollte, sie sollte eher dominieren). Auf der anderen Seite wird dann der Verstand (so vorhanden) dort nicht eingesetzt, wo man es tun sollte.
Wenn man es täte, sollte jedem von allein klar sein, was bspw.
@bkneer zur Wirkung der Schwungmasse schreibt oder was ein anderer User meint, wenn er davon spricht, daß die "TF kein Selbstzweck" sei. Man kann ja auch annehmen, daß der Betr. vor seinen "Trittfrequenzexperimenten" irgendwas gelesen haben muß, von allein würde ja niemand darauf kommen, TFen von deutlich über 90 anzustreben.
Wenn ich jetzt mal davon absehe, daß der TE sein Problem längst gelöst hat oder überhaupt nicht mehr Rad fährt, sollte man in einem solchen Fall folgende Fragestellungen/mögliche Ursachen abprüfen, und zwar in exakt dieser Reihenfolge:
- Abklärung der Probleme beim Arzt: Dabei möglichst nicht erwähnen, daß man diese TF-Experimente gemacht hat, weil der es dann sofort darauf schieben würde, der Betr. das aber nicht akzeptieren könnte und deshalb sofort wieder selbst "rumdoktern" würde. Damit der Arzt trotzdem ein korrektes Bild vorfindet, sollten dem Arztbesuch mind. 4 Wochen ohne die blödsinnig hohe TF vorausgehen. Die erste diese 4 Wochen sollte ohne Rad und ohne Sport vonstatten gehen. Findet der Arzt andere Ursachen als die hohe TF, sollte man erstmal dessen Therapie hinter sich bringen und währenddessen nur mit moderaten TF und niedrigen bis moderaten Intensitäten trainieren fahren.
- Abklärung von Ursachen, die zwar mit der hohen TF zusammenhängen können, aber für sich ein zusätzliches Problem darstellen: Hier ist an aller erster Stelle das Spinning auf dem Spinning-Bike zu nennen. Ich bin aus dem Stand nicht imstande, das Trägheitsmoment der 18 kg Schwungmasse zu berechnen, zumal mir dafür ja auch Daten fehlen (Radius, ggfs. ungleichmäßige Verteilung der Masse), aber das könnte durchaus an das Trägheitsmoment eines real fahrenden Fahrer/Rad-System heranreichen. Wenn man da mit dem starren Gang mit zu geringer Last mit hohen TFen fährt, kommt es auch ggfs. zu akuten, mind. aber langfristigen Verletzungen bzw. Fehl-/Überbelastungen. Von solchen "Experimenten" wie dem Abkontern oder Bremsen mit dem Starrlauf, wie es in der Fixie-Fangemeinde beliebt ist ganz zu schweigen. Zu den 18 kg Schwungmasse kommt schließlich noch die Masse der bewegten Beine hinzu, dazu weiter unten.
- Im Zusammenhang mit dem "Fahren" auf dem Spinnbike: Wer da diese Übungen mit Fahren im Stehen usw. mitmacht, ist selbst schuld. @bkneer wird das nicht gerne hören, aber damit macht man sich jedes "gesunde" Bewegungsmuster beim Fahren im Wiegetritt oder Sprintantritt zunichte, weil a. das Spinnbike nicht seitlich schwenkbar ist und b. vor allem die Gesamt-Dynamik mit Kräften/Momenten in allen drei Dimensionen vollständig fehlt. Das sollte man abstellen, es könnte das Problem beseitigen.
- Bestehen die Probleme dann noch fort, sollte man erstmal die o.g. 4-Wochen-Beruhigung durchführen und anschließend erstmal auf hohe TFen verzichten. Die gesamte Zeit sollte man nutzen, sich vernünftig mit dem Thema Trittfrequenz aus einanderzusetzen. Im folgenden gebe ich dazu Rat. Wer sich an diesen Rat hält, sollten keine Probleme wie die beschriebenen nur auf die hohe TF zurückzuführen sein, treten sie dennoch auf, ist unter 1. - 3. was übersehen worden.
Basics zum Thema Trittfrequenz
Das eigentliche Thema ist hier nicht die TF, sondern die Pedalkraft und die Übersetzung. Die TF ist für sich genommen nur insofern eine eigene "Nummer", als das Training Anreize geben sollte, die das Neuro-muskuläre Zusammenspiel fordern und damit fördern, dazu später.
Das erste Thema ist hier die Wahl der optimalen Übersetzung, und zwar des individuellen Optimums unter unterschiedlichen Bedingungen. Empfehlungen für das betont TF-orientierte Training wie auch das betont kraftorientierte Training werden dann von diesem "Datensatz" abgeleitet, nicht umgekehrt.
Wie geht man nun bei der Findung des optimalen individuellen Übersetzungsspektrums vor? Ich habe das bestimmt ein halbes Dutzend mal erklärt, deshalb hier in komprimierter Form:
- Standardübersetzung für's "Flache" (hier ist flach wörtlich zu nehmen): Die liegt i.d.R. beim "Normalpedalierer"* bei etwa 51/17**. Langsame bzw. schnelle Typen sollten hiervon nicht um mehr als 2 Zähne nach unten bzw. oben abweichen. Die genannte Übersetzung entspricht einem Verhältnis von exakt 3:1, es sollte also auch bei der heute üblichen Rechenschwäche kein Problem sein, diesen Ausgangswert für andere Kettenblatt-Kombis zu berechnen. Die so gefundene Übersetzung sollte man bei guter Frühjahrsform auch bei mäßigem bis frischem Gegenwind im Flachen ohne "Stampfen" treten können.
- Übersetzung für Berge: dabei geht man von der Typbestimmung unter 1. und der gefunden Übersetzung aus. Ich gehe hier von einer Kettenblatt-Kombi von 50/36 aus, wer was anderes hat, muß halt umrechnen. Angenommen, ein "Normalpedalierer" hat für sich als Standard für 1. die Übersetzung 50/16 gefunden. Dann ist Ausgangspunkt für die Marschroute für's Berge fahren die Übersetzung, die man an leichten Steigungen benutzt, die man noch locker mit ca. 20 km/h fahren kann. Das entspricht bei "Normalos" (175cm, 75kg, 3W/kg sFTP) in etwa Steigungen von bis zu knapp 4%. Für diese Geschwindigkeit/Belastung sollte der Normalpedalierer dann die Übersetzung von 36/15 fahren. Dies entspricht einer TF bei 20 km/h von ziemlich genau 66 U/min bei handelsüblichen Reifengrößen.
Rechenregel: Diese Ritzelgröße von 15 nimmt man nun, und addiert die Geschwindigkeit von 20, ergibt die persönliche "Geheimzahl" von 35. Von dieser 35 zieht man, wenn man das Gefühl hat, ich trete zu dick oder zu dünn, die Geschw. ab und erhält die empfohlene Zähnezahl am Ritzel, also z.B. für 15 km/h die 20, die hat man meistens nicht am Rad, also entweder 36/21, oder 36/19 oder 50/28 (oh, das schmerzt beim Lesen!). Langsam-/Schnelltreter-Regel auch hier: 2 Zacken dicker bzw. dünner, mehr nicht.
- Anwendung: Für die Anwendung gelten die Regeln
- So wenig wie möglich schalten! Im Flachen bleibt der Gang auch bei mäßigem bis frischen Gegenwind sowie an kurzen "Hügelchen" und Autobahnbrücken stehen. Auch am Berg bleiben die Übersetzungen so lange stehen, bis man merkt, "es könnte was nicht stimmen" und es wird nicht dauernd hin und her geschaltet.
- Alle Angaben gelten zunächst mal nur für ausdauerorientiertes Fahren mit mittlerer (GA1) bis etwas erhöhter Intensität (ca. 85% FTP).
- Das Ziel ist die Herausbildung eines Bewegungsmusters, das bei unterschiedlichen Geschwindigkeiten ein Optimum an Effizienz und ein hohes Leistungsniveau bei verschiedenen Intensitäten ermöglicht. In der Regel kann ein Radrennfahrer bei Lizenz- oder Jedermannrennen mit einer Übersetzung von 1 oder 2 Zacken dicker im Flachen hervorragend mitfahren und sogar Sprinten. Es entsteht so im Ergebnis ein Trittfrequenzspektrum, in dem mittlere bis hohe Leistungen erbracht werden können. Das ist kein neuro-muskuläres Entwicklungsziel, dazu im nächsten Punkt.
- Zur Verbesserung der neuro-muskulären Kapazität sollte man immer mal wieder bis 1x pro Woche tf-orientierte Einheiten von 1 bis 1,5 - maximal 2 Std. einschieben, ab und an auch mal kraftorientierte. Die sollten mit nicht weniger als 2 Zacken, nicht mehr als 3 Zacken dünner bzw. 2/3 dicker als Standard gefahren werden.
- Der Gewöhnungsprozeß ist selbstverständlich wie auch bei Veränderungen der Sitzposition u. dergl. mittel- bis langfristig, Veränderungen kleinschrittig zu planen.
- Ziele wie "Kraft kriegen", hohe TF als ein Hauptziel usw. sind nicht anzustreben.
- Letzteres gilt nicht für das Sprinttraining von Leuten, die im Sprint besser werden wollen, ihre Sprintfähigkeit ausbauen wollen oder für "richtige" Sprinter (zu denen wir einfach mal die "Straßensprinter" dazu zählen, eigentlich gibt es sowas im Straßenradsport nicht, das sind alles Ausdauersportler).
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* Wenn wir von "individuell" sprechen, heißt das nicht, daß es nicht allgemeine Gesetzmäßigkeiten gäbe. Sobald das Wort "individuell" auftaucht, schüttet man gerne das Kind mit dem Bade aus und verzichtet völlig, allgemeine Erfahrungswerte zu beachten. Das tun wir hier nicht. Im Zusammenhang mit der TF sprechen wir aber hier behelfsweise vom "langsamen", "schnellen" und "normalen" Typ. Welchem Typ man sich zurechnet, muß jeder für sich entscheiden.
** Das ist erstmal nichts anderes als ein auf meinen Erfahrungen mit verschiedenen Radrennern und Hobbyisten basierende Zahl, ich weiß schon, daß diese Übersetzung unüblich ist. 53/17 oder gar 54/17 bzw. entsprechendes mit anderen Kettenblättern (wenn überhaupt möglich) wäre mir aber zu dick für eine solche Empfehlung.