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Haftung eines 9jährigen "Radrüpels"

thomaspan

Überlandradler
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Meine Freundin ist gestern am Nachmittag von einem 9jährigen Jungen "abgeschossen" worden, der sich grob verkehrswidrig verhalten hat (einhändiges Fahren auf dem linken Radschutzstreifen, andere Hand am Smartphone + Augen drauf, kompletter "Hans-Guck-in-die-Luft" eben). Haftet er bzw. der Privathaftplichtversicherer seiner Eltern? Das Privileg aus Para. 828 II 1 BGB (jünger als 10 Jahre) greift janicht, da Unfall zwischen 2 Radfahrern. Sachverhalt ist unstreitig + Zeugen gibt es genug.

So liefs: Wir befuhren bei schönstem Sonntagswetter eine ruhige Straße mit beidseitigem Radschutzstreifen auf der Suche nach einem Café am Ende unserer Runde. Ich fuhr mit gut 20 km/h vorweg, sie gut 2 Radlängen hinter mir auf "unserem" Radschutzstreifen, als uns zunächst 2 ca. 10jährige Mädels dort entgegenkamen, die nach links ausgewichen + an uns vorbeigefahren sind. Wenige Meter dahinter fuhr der 9jährige ebenso auf dem falschen, also gegen seine Fahrtrichtung führenden Radschutzstreifen einhändig, hatte in der anderen Hand sein Mobiltelefon, auf welches er intensiv schaute. Er war so abgelenkt, dass ich meine Geschwindigkeit auf etwa 10 km/h reduzierte und ihm kurz etwas zurief, um ihn zu einer Reaktion zu bewegen. Er bemerkte mich und wich nach links auf die Straße aus, so dass ich ihn auf dem Radschutzstreifen passieren konnte. Danach scherte er, obwohl er meine Freundin wenige Radlängen hinter mir sah, wieder auf unseren Radschutzstreifen entgegen seiner Fahrtrichtung ein. Meine Freundin bremste und kam zum Stillstand, der 9jährige fuhr ihr ungebremst frontal gegen das Vorderrad.

Durch den Aufprall kamen beide zum Sturz, meine Freundin verletzte sich leicht. An ihrem De Rosa Avant Carbon (Dura Ace 10fach aus ca. 2011) entstand unfallbedingter Sachschaden von wenigen hundert Euro.

Weiß jemand, ob ein 9jähriger Knabe (ihm ist zum Glück nix passiert) für so nen Scheiß haftet?

Und bitte keine postings à la "Nimm nen Anwalt", das bin ich selbst, nur eben Wirtschafts- + Arbeitsrechtler.

Besten Dank im voraus.
 
Ich würde mich einfach mit den Eltern in Verbindung setzen. Gut möglich, dass die eine Haftpflicht haben, die das ganz unkompliziert abdeckt. Zumal man ja auch bemüht ist, verursachten Schaden wieder gutzumachen.
 
Als Nicht-Jurist schließe ich mich der Meinung von woop an. Oft ist so ein nicht juristischer Weg einfacher und schneller
 
Na, dann mal die Einschätzung von einem mit Schwerpunkt Arbeits- und Wirtschaftsrecht, der mit solchen Fragen auch nur gelegentlich und allenfalls aus besonderem Anlass zu tun hat. § 828 Abs. 3 BGB kennst Du. Die Beweislast für fehlende Einsicht läge "eigentlich" beim Schädiger, das nützt Dir aber nichts, denn der BGH typisiert. Maßgeblich ist, ob das schädigende Verhalten für den Minderjährigen typischerweise vermeidbar war, und ob diese typisierende Beurteilung wegen individueller Besonderheiten des tatsächlich beteiligten Minderjährigen einer Korrektur bedarf (-> BGH, Urt. v. 28.02.1984 - VI ZR 132/82). Du wirst davon ausgehen müssen, dass bei einem 9-jährigen eine fehlende Einsichtsfähigkeit vermutet werden wird (Teichmann-Jauering, § 828 BGB Rn. 4; Sprau-Palandt, § 828 BGB Rn. 6) und Du bezogen auf den konkret Beteiligten konkrete Tatsachen für das Gegenteil vortragen und beweisen musst. Das wird mühsam. Ich persönlich würde ich ihn trotzdem verklagen, das Kostenrisiko hält sich für Dich in Grenzen und ist kalkulierbar, wenn Du in eigener Sache selbst klagst, außerdem ist Dir die nicht per se günstige Ausgangslage geläufig, wenn Du Arbeitgeber in Arbeitssachen vertrittst.:D Die Privathaftpflicht der Eltern wäre eine Nachfrage wert. Manchmal sind auch deliktische Schäden schuldunfähiger Kinder mit versichert und wenn nicht, kann man es ja versuchen, mit einer Aufsichtspflichtverletzung zu argumentieren. Erfolgsaussicht? M. E. geringer als über § 828 Abs. 3 BGB. Also, im Streitfall eher den kleinen Radaubruder persönlich belangen (dürfte auch bei den Eltern eher Eindruck machen als wenn Du Dich mit ihrer Haftpflichtversicherung streitest).
 
Zuletzt bearbeitet:
Hatte mal 'nen Unfall mit einem etwa 9-10-jährigen. Der Junge kam samt Rad von links aus dem Gebüsch und wollte/hat die schmale Straße überqueren, bremsen bis Stillstand/ausweichen konnte ich nicht mehr (außer Dellen am Alu-Rad ist zum Glück nichts schlimmes passiert) Den Schaden von mehreren 100 €,- hat die Haftpflicht der Eltern anstandslos bezahlt.
 
Hatte dieses Jahr auch einen ähnlichen Unfall. Lief problemlos über die Haftpflicht der Dame die mich abgeschossen hatte.
 
Danke @all für die Einschätzungen.

Die Mutter des Jungen war sehr nett + hat auch nach dem Unfall meine Freundin samt Fahrrad die gut 20 km nach Köln chauffiert. Sie hat versprochen, ihre Haftpflicht zu informieren. Bei dem geringen Schaden regeln wir es über die Versicherung, gerichtliche Auseinandersetzung kommt nicht in Frage.

Du hast keine Klingel am Rad!!! Wenn die Gegenanwälte dir noch Worte in den Mund legen können, drehen sie dir daraus einen Strick.

Das kurz zur Klingel :p

PICT0210.JPG
 
Danke @all für die Einschätzungen.

Die Mutter des Jungen war sehr nett + hat auch nach dem Unfall meine Freundin samt Fahrrad die gut 20 km nach Köln chauffiert. Sie hat versprochen, ihre Haftpflicht zu informieren. Bei dem geringen Schaden regeln wir es über die Versicherung, gerichtliche Auseinandersetzung kommt nicht in Frage.



Das kurz zur Klingel :p

PICT0210.JPG

schönes Gios!
 
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Weiß jemand, ob ein 9jähriger Knabe (ihm ist zum Glück nix passiert) für so nen Scheiß haftet?

Und bitte keine postings à la "Nimm nen Anwalt", das bin ich selbst, nur eben Wirtschafts- + Arbeitsrechtler.
...

Dann ist aber die Antwort "Nimm nen Anwalt" evtl. doch nicht so falsch.
Müssen Wirtschafts- und Arbeitsrechtler nicht auch im Grundstudium Delikts- und Schadensrecht lernen ?
Bei mir war das jedenfalls so. Ein studierter Jurist sollte in der Lage sein, eine solche einfache Rechtsfrage
zu beantworten.
Es gibt zwei Anspruchsgegner:
1. Das Kind
2. Die Eltern
und evtl. 3: die Haftpflichtversicherung der Eltern :D

Zu 1:
Anspruchsgrundlage: § 823 I BGB.
Beim Kind ist das Problem die Deliktsfähigkeit:
Bei Beteiligung mit Kfz wg. § 828 II BGB keine Deliktsfähigkeit.
Da hier aber nur Fahrräder beteiligt sind, gilt § 828 III BGB, wonach die Deliktsfähigkeit ab d.
vollendeten 7. Lebensjahr vermutet wird. Die "fehlende Einsichtsfähigkeit" ist bei >7 jährigen de iure eher unproblematisch
- das ergibt sich aus § 828 I BGB -, und d. § 828 III BGB wird von der Rechtsprechung nur ein sehr eingeschränkter Anwendungsbereich zugebilligt.
Schwieriger wird es eher mit dem Fahrlässigkeitsmaßstab aus § 823 I BGB. Für den Beweis der Fahrlässigkeit ist der Kläger darlegungs- und beweispflichtig. Entscheidende Frage: Konnte ein Mitglied der Altersgruppe des Schädigers in der konkreten Situation die
Möglichkeit d. Schadenseintritts erkennen ?

Zu 2:
Haftung der Eltern bei Verletzung der Aufsichtspflicht (§ 832 BGB):
Wurde die elterliche Aufsichtspflicht verletzt ?
Konkrete Umstände des Einzelfalls (Alter, Eigenart Charakter d. Kindes entscheiden) ---> schwierig

Das beste wird sein, sich unbürokratisch + freundlich mit den Eltern in Verbindung zu setzen und den Schaden
sofort konkret in einer Summe zu beziffern. Wenn sofort gezahlt wird = gut
Wenn nicht, wäre zu überlegen, Kind und Eltern zu verklagen.
Sofern der geschilderte Sachverhalt bewiesen werden kann, freut sich ein Anwaltskollege. :D
 
Müssen Wirtschafts- und Arbeitsrechtler nicht auch im Grundstudium Delikts- und Schadensrecht lernen ?
Bei mir war das jedenfalls so.

Weiß nicht mehr, ist schon so lange her.

Schwieriger wird es eher mit dem Fahrlässigkeitsmaßstab aus § 823 I BGB. Für den Beweis der Fahrlässigkeit ist der Kläger darlegungs- und beweispflichtig. Entscheidende Frage: Konnte ein Mitglied der Altersgruppe des Schädigers in der konkreten Situation die Möglichkeit d. Schadenseintritts erkennen ?

Ich würde jetzt ganz "laienhaft" antworten: Ja! 9jähriger "Hans-Guck-in-Luft", einhändig radelnd ganz links auf der Straße auf dem entgegengesetzten Radschutzstreifen, obwohl seiner frei nutzbar ist, dazu Augen nur aufm Smartphone ... das sollte reichen.

Ich nehme auch nicht ernsthaft an, dass die Haftpflicht der Eltern bei nur etwa 200 - 250 EUR rumzickt.

Sofern der geschilderte Sachverhalt bewiesen werden kann, freut sich ein Anwaltskollege. :D

;)
 
Also ich kann das ganze mal aus der Sicht eines Vaters erzählen, dessen damals 9-jähriger Sohn ebenfalls einen Radunfall verursacht hat (Er ist auf ein korrekt geparktes Auto aufgerollt). Ich hatte damals keine Haftpflichtversicherung (jaja, schwerer Fehler...) und mir war der Umstand mit der verminderten Deliktfähigkeit durchaus bewusst. Trotzdem war ich bemüht, dass der Schaden (es waren zum Glück nur wenige hundert Euro am Auto) ordentlich beglichen wird. Der Geschädigten habe ich damals erzählt, ich hätte eine Haftpflicht, weil ich nicht wollte, dass sie weiß, dass ich das Geld tatsächlich aus eigener Tasche bezahlt habe. Wäre sie da mit einem Anwalt angekommen, wären die Summen schnell astronomisch geworden und ich hätte dann auch versucht, mich dagegen zu wehren -- wahrscheinlich mit gar nicht mal so geringen Erfolgsaussichten.

Ich bin sicherlich nicht der einzige Mensch, der so denkt und im Gegensatz zu einem Auto (bei einem Auto als Unfallgegner würde ich fast immer sofort einen Anwalt einschalten) ist für einen 9-jährigen keine Haftpflichtversicherung erforderlich. Von daher würde ich erstmal versuchen das untereinander zu klären; soviel Verständnis kann man einem 9-jährigen durchaus entgegenbringen -- den angerichteten Schaden zu Beheben ist imho. hier Strafe genug. Zumal bei jungen Familien und Alleinerziehenden das Geld sowieso chronisch knapp ist. Wenn sich die Leute dann doch querstellen kann man noch immer mit Anwalt auffahren.
 
Weiß nicht mehr, ist schon so lange her.
Das verstehe ich. :D
Ich würde jetzt ganz "laienhaft" antworten: Ja! 9jähriger "Hans-Guck-in-Luft", einhändig radelnd ganz links auf der Straße auf dem entgegengesetzten Radschutzstreifen, obwohl seiner frei nutzbar ist, dazu Augen nur aufm Smartphone ... das sollte reichen.

Ich nehme auch nicht ernsthaft an, dass die Haftpflicht der Eltern bei nur etwa 200 - 250 EUR rumzickt.
...

Ich würde den Fall rechtlich auch für eher unproblematisch halten:
Natürlich haftet das Kind für den angerichteten Schaden. Man kann wohl von einem 9-jährigen
verlangen, die Verkehrsregeln einigermaßen zu kennen; und es sollte jedem Kind dieser Altersgruppe
einleuchten, daß ein Unfall passieren kann, wenn man fahrradfahrend mit dem Telefon herumspielt.
Das ist rechtlich der entscheidende Punkt.
Der ja relativ geringe Schaden kann aber an den Eltern hängenbleiben, wenn im Versicherungsvertrag eine
"Selbstbeteiligung" vereinbart ist. Wenn ich Elternteil wäre, würde ich einfach das Portemonnaie aufmachen und gut.
 
Also ich kann das ganze mal aus der Sicht eines Vaters erzählen, dessen damals 9-jähriger Sohn ebenfalls einen Radunfall verursacht hat (Er ist auf ein korrekt geparktes Auto aufgerollt). ... ich hätte dann auch versucht, mich dagegen zu wehren -- wahrscheinlich mit gar nicht mal so geringen Erfolgsaussichten. ...

Da bist Du wohl im Irrtum und wärest am Ende als Verlierer dagestanden:
Wenn ein 9-jähriges Kind mit einem Kraftfahrzeug verunfallt, dann ist es wegen § 828 II BGB nicht deliktsfähig
und demnach nicht schadensersatzpflichtig. Dies gilt allerdings nur, wenn sich bei einem Schadensfall die "typische
Überforderungssituation des Kindes durch die spezifischen Gefahren des motorisierten Verkehrs verwirklicht hat"
(BGH NJW 2005,354).
Bei einem Zusammenstoß mit einem vorschriftsmäßig parkenden Fahrzeug bleibt es bei der allgemein vermuteten Deliktsfähigkeit !
Wer es nachlesen möchte:
http://www.juratelegramm.de/faelle/privatrecht/BGH_NJW_2005_354.htm
Die Begründung des BGH ist vollkommen nachvollziehbar und richtig.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Du hast keine Klingel am Rad!!! Wenn die Gegenanwälte dir noch Worte in den Mund legen können, drehen sie dir daraus einen Strick.
Mal davon abgesehen, dass er ne Klingel an seinem Rad hat - was spielt das für ne Rolle? Der Unfall passierte nicht mit seinem Rad, sondern mit dem seiner Freundin.

Ich drücke die Daumen, dass die Geschichte unkompliziert und gut ausgeht.
 
Mich hat auch mal ein 9 jähriger abgeschossen, hatte aber mehrere Brüche, Wirbelsäulenverletzung etc. In Summe 4 Monate Krank mit 10% iger Behinderung. Er kam aus einer Hauseinfahrt und ist mir ins Vorderrad gefahren.
Die Sache wurde der Haftpflichtversicherung der Eltern übergeben und die hat nie an der Schuld gezweifelt bzw.die Haftung sofort übernommen.
 
Mein Prozess gegen die Versicherung der Eltern eines 11-jährigen, der ohne zu gucken mit dem Fahrrad direkt vor mir auf die Strasse geflitzt kam, endete in eine 33%-Teilschuld meinerseits, mit sowas wäre in der Nähe einer Schule immer zu rechnen. Ich war weder zu schnell noch habe ich sonst irgendetwas falsch gemacht. So blieb ich auf einem Drittel meines Schadens, der Hälfte der Gerichtskosten und dem Honorar meines Anwalts sitzen...
Mit einer RV wäre ich vielleicht in die nächste Instanz gegangen.
 
Mein Prozess gegen die Versicherung der Eltern eines 11-jährigen, der ohne zu gucken mit dem Fahrrad direkt vor mir auf die Strasse geflitzt kam, endete in eine 33%-Teilschuld meinerseits, mit sowas wäre in der Nähe einer Schule immer zu rechnen. Ich war weder zu schnell noch habe ich sonst irgendetwas falsch gemacht. ...

Das Gericht war anderer Meinung, sonst hätte es nicht ein Drittel der Schuld auf Deiner Seite gesehen.
Tatsächlich muß man in der Nähe einer Schule besonders aufmerksam fahren und immer "bremsbereit" sein.
Solche Urteile sind nicht ungewöhnlich - haben aber bei 11-jährigen mit dem oben geschilderten Problem der
Deliktsfähigkeit nichts mehr zu tun.
 
Um die Sache zum Abschluss zu bringen:

Die gegnerische Haftpflichtversicherung hat - bevor der KV überhaupt eingereicht werden konnte - einen nicht ablehnbaren Regulierungsvorschlag unterbreitet für Schäden am Rad nebst einem großzügig bemessenen Schmerzensgeld.

Danke für den Input.
 
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