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Die Geschichte des Nürnberger Fahrrad- und Fahrradteilebaus

... die letzte Station dieser Tour befindet sich in direkter Nachbarschaft:

Punkt 16.,
Sirius-Fahrrad-Werke ansässig Hundingstraße
http://www.google.de/imgres?imgurl=...ved=0CDIQrQMwBmoVChMIuaSP8obtxgIVZWdyCh3CLQcS
Gegr. 1895
Bereits um 1900 wurde die Produktion hochwertige Fahrrädern durch bereits erwähnte Absatzkrise wieder eingestellt.
Den Markenname nutzte ab 1901 die Triumph-Fahrradwerke AG für ihre "einfach und günstg" Absatzschiene.
 
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Re: Die Geschichte des Nürnberger Fahrrad- und Fahrradteilebaus
Punkt 4.,
Victoria Fahrradwerke AG ansässig Ludwig-Feuerbach-Straße
http://www.victoria-bike-ig.com/de/geschichte.html
Gegr. 1887 von Frankenburger & Ottenstein
Ab 1958 Teil der Zweirad-Union
Nach Aktenlage der zweitälteste Fahrradproduzent in Nürnberg und anbei in selber Staße das älteste Velodrom (1897) Nürnbergs:
das Victoria-Velodrom!
Elektrische Beleuchtung, säulenfreier Saal und Orchestrion waren nur einige der Highlights.
Um die Hochräder nach englischem Vorbild an den Mann (weniger an die Frau) zu bringen, boten die Werke eine Art Fahrschulung, um den Verkauf ihrer Produkte anzukurbeln. In der geschlossenen Halle konnten sich aber auch Frauen sommers wie winters ungeniert versuchen, ohne sich lästiger Blicke erwehren zu müssen. Nach Einführung des Niederrads waren solche Schulungen nahezu obsolet und die Halle wurde von der Auto-Noris Nürnberg GmbH genutzt.

An die ursprünglichen Bebauung erinnern nur die Straßenzüge und eine Gaststätte, die dereinst als Werks-Kantine diente aber vor meinem geistigen Auge war das Velodrom noch in regem Betrieb
Der Markenname Victoria gehört heute der Hartje KG.
[...]
Ich Seppl war mit dem Express auf der Tour, während mein Victoria am Dachboden dämmerte.:confused:

Vor nicht zu langer Zeit hatten die zum 125-jährigen Jubiläum ein paar Räder herausgebracht, darunter dieses hübsche Modell:

image.jpg


Die letzten wurden zu sehr angemessenen Preisen losgeschlagen gemessen an der Ausstattung (Alfine 11 inkl. Kurbel, Brooks-Sattel und -Griffe (letztere natürlich Geschmackssache), für 2011 sehr gutes Licht, "gemuffter" Ahead-Vorbau in Rahmenfarbe). Ich Seppl hatte damals Victoria in Bielefeld angesiedelt, die heutigen Werke für Hartje, Contoura und Victoria sind ja in Niedersachsen. Der CrMo-Rahmen fand sich 2011 auch bei Contoura, heute am ehesten noch im Hartje Salerno.

Hier noch ein schöner Artikel der Fränkischen Nachrichten zur Geschichte der Marke.
 
Vielen Dank für den Rundgang durch die Nürnberger Fahrradproduktion.
Wie immer sehr informativ und mit bewundernswerter Mühe recherchiert.

Gruß radltandler
 
...zwei Anmerkungen seien mir in diesem Zusammenhang noch erlaubt, da diese auch auf der Exkursion angesprochen wurden. Beim Beschäftigen mit diesem Thema sind einige Kausalitäten nunmal deutlich hervor getreten.

Ich meine auch bei so vielen OT-Themen im Forum verträgt diese Sparte auch zwei etwas nachdenkliche Beiträge.

Erstens
Dinge die spätestens ab 1933 durch die sog. Machtergreifung ihren verhängnisvollen Lauf nahmen.
Ohne Bank keine Firmengründung. Eine engagierte Bank für Jung-Unternehmer im fränkischen Großraum war die 1878 gegründete Privatbank Anton Kohn. Sie finanzierten u.a. die Express Werke Neumarkt (Gebrüder Goldschmidt), Hercules (Carl Marschütz), Victoria (Frankenburger und Ottenstein). Mars und Triumph aus Nürnberg.
Diese Bank und diese Unternehmen sowie einige andere vielleicht nicht unbekannte Namen:
-Vereinigte Papierwerke Nürnberg (Tempo)
-Ardie
-Schuco
-Trix
-Bing
usw.
hatten einen gemeinsammen Nenner - ihre Eigner hatten jüdische Wurzeln.

Nürnberg und Fürth taten sich zu dieser Zeit hervor, in der in Deutschland voranschreitenden "Arisierung". Hier ist Julius Streicher https://de.wikipedia.org/wiki/Julius_Streicher federführend, Gauleiter und Herausgeber von "der Stürmer".

Das bedeutete damals für wohlhabende jüdische Nürnberger Familien bestenfalls Enteignung und Vertreibung. Das Geschäft wurde zu 5-10% des Nennwertes abgewickelt und diese Summe vom neuen Besitzer auf ein Sperrkonto eingezahlt.
Auf der anderen Seite gab es Nutznießer, welche nach dem Weltkrieg und bis in die Gegenwart von diesem Vermögen profitierten. Wer sich fragt, wie Neckermann, Schickedanz, Horten und Co so groß werden konnten, findet hier eine der Antworten. Linientreue Banken übernahmen die Geschäfte der jüdischen Bankhäuser (interessant in diesem Zusammenhang die Rolle der Dresdner Bank vor und nach dem Krieg bei Express und der Gründung der Zweirad-Union).

Der Lauf geht weiter und Deutschland steht im Krieg.
Die Produktion wird umgestellt. Zündapp baut gespanntaugliche geländegängige Motorräder, Steib in Nürnberg/Zerzabelshof die Beiwagen dazu. Truppenräder, Geschosshülsen, Flugzeugbauteile - alles kriegsnotwenige wird in Massen in den Fahrradfabriken erzeugt.
Die Arbeiter der Nürnberger Metallwarenindustrie sind an der Front, dennoch ist die Produktion auf vollen Touren. Frauen aber vor allem abertausende Zwangsarbeiter füllen die Werkshallen der kriegswichtigen Betriebe.

Der letzte Schritt der Kette.
Der Krieg steht vor der Haustür. Die Bomber erreichen Nürnberg und haben leichte Beute.
Alle auf dieser Exkursion behandelten Firmen liegen entlang der alten Bahnlinie von Fürth über die Fürther Straße zum Plärrer/Hauptbahnhof zur Äußeren Sulzbacher Straße/Ostbahnhof und sind aus der Luft gut zu orten.
Rund 80% der Betriebsanlagen (aber auch alles andere) wird bis 1945 zerstört und haben bis heute deutliche Baulücken hinterlassen.
 
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...zwei Anmerkungen seien mir in diesem Zusammenhang noch erlaubt, da diese auch auf der Exkursion angesprochen wurden. Beim Beschäftigen mit diesem Thema sind einige Kausalitäten nunmal deutlich hervor getreten.

Ich meine auch bei so vielen OT-Themen im Forum verträgt diese Sparte auch zwei etwas nachdenkliche Beiträge.

Erstens
Dinge die spätestens ab 1933 durch die sog. Machtergreifung ihren verhängnisvollen Lauf nahmen.
Ohne Bank keine Firmengründung. Eine engagierte Bank für Jung-Unternehmer im fränkischen Großraum war die 1878 gegründete Privatbank Anton Kohn. Sie finanzierten u.a. die Express Werke Neumarkt (Gebrüder Goldschmidt), Hercules (Carl Marschütz), Victoria (Frankenburger und Ottenstein). Mars und Triumph aus Nürnberg.
Diese Bank und diese Unternehmen sowie einige andere vielleicht nicht unbekannte Namen:
-Vereinigte Papierwerke Nürnberg (Tempo)
-Ardie
-Schuco
-Trix
-Bing
usw.
hatten einen gemeinsammen Nenner - ihre Eigner hatten jüdische Wurzeln.

Nürnberg und Fürth taten sich zu dieser Zeit hervor, in der in Deutschland voranschreitenden "Arisierung". Hier ist Julius Streicher https://de.wikipedia.org/wiki/Julius_Streicher federführend, Gauleiter und Herausgeber von "der Stürmer".

Das bedeutete damals für wohlhabende jüdische Nürnberger Familien bestenfalls Enteignung und Vertreibung. Das Geschäft wurde zu 5-10% des Nennwertes abgewickelt und diese Summe vom neuen Besitzer auf ein Sperrkonto eingezahlt.
Auf der anderen Seite gab es Nutznießer, welche nach dem Weltkrieg und bis in die Gegenwart von diesem Vermögen profitierten. Wer sich fragt, wie Neckermann, Schickedanz, Horten und Co so groß werden konnten, findet hier eine der Antworten. Linientreue Banken übernahmen die Geschäfte der jüdischen Bankhäuser (interessant in diesem Zusammenhang die Rolle der Dresdner Bank vor und nach dem Krieg bei Express und der Gründung der Zweirad-Union).

Der Lauf geht weiter und Deutschland steht im Krieg.
Die Produktion wird umgestellt. Zündapp baut gespanntaugliche geländegängige Motorräder, Steib in Nürnberg/Zerzabelshof die Beiwagen dazu. Truppenräder, Geschosshülsen, Flugzeugbauteile - alles kriegsnotwenige wird in Massen in den Fahrradfabriken erzeugt.
Die Arbeiter der Nürnberger Metallwarenindustrie sind an der Front, dennoch ist die Produktion auf vollen Touren. Frauen aber vor allem abertausende Zwangsarbeiter füllen die Werkshallen der kriegswichtigen Betriebe.

Der letzte Schritt der Kette.
Der Krieg steht vor der Haustür. Die Bomber erreichen Nürnberg und haben leichte Beute.
Alle auf dieser Exkursion behandelten Firmen liegen entlang der alten Bahnlinie von Fürth über die Fürther Straße zum Plärrer/Hauptbahnhof zur Äußeren Sulzbacher Straße und sind aus der Luft gut zu orten.
Rund 80% der Betriebsanlagen (aber auch alles andere) wird bis 1945 zerstört und haben bis heute deutliche Baulücken hinterlassen.
Nur gut, dass wir uns hier eher nicht für besonders stabile und/oder zusammenklappbare Sicherheitsniederräder interessieren.
Jedenfalls habe ich noch nie von einer "Rennradfahrtruppe" gehört.
 
Zweitens
Die Geschichte einer Straße
Als Abschluß ein kurzer Abgesang auf die Hauptschlagader der Stadt Nürnberg (oder im Bild bleibend, die Nabelschnur für die Nachbarstadt Fürth)

-die gut vier Kilometer lange Fürther Straße als Schauplatz steten Wandels-​

Wer Nürnberg besucht und touristische Ziele in Focus hat, wird bestimmt nicht diese Gegend der Stadt aufsuchen und dennoch lohnt es sich gerade hier etwas genauer hinzuschauen, wenn man etwas über urbane Entwicklung im fränkischen Raum erfahren will.

Die bis 1805 auf Initiative von https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_August_von_Hardenberg angelegte Chaussee und der parallel laufenden 1835 eröffneten Ludwigsbahn und ihre Erweiterung, fällt die Rolle eines Wegbereiters der Industrialisierung im Großraum zu.
Ab 1880 setzte die Industriebebauung vermehrt ein. Die erste elektrische Straßenbahn verkehrte hier ab 1886 und spülte Werktätige in die Straße der Maloche.

Viele bekannte Firmen hatten hier ihren Hauptsitz aber vor allem auch ihre Produktionstätten und Lagerhäuser, wie z.B.:
-AEG
-Zündapp
-Versandhaus Quelle http://kunstnuernberg.de/quelle-areal-nuernberg-geschichte-architektur/
-Triumph-Adler
-Schuco
-Ardie
-Hercules usw.

In Hochzeiten strömten in diese Straße Morgen für Morgen über 30.000 Menschen zu Fuß, per Fahrrad, Straßen- oder Eisenbahn zur Arbeit.

Aus den Nürnberger Prozessen nach dem 2. Weltlkrieg ist einigen sicher der Justizpalast https://de.wikipedia.org/wiki/Justizpalast_(Nürnberg) ein Begriff, welcher sich seit 1916 unter Hausnummer 110 befindet. Ironie des Schicksals könnte man sagen, dass eben auch jene Nürnberger Verbrecher, welche zum Leid dieser Straße und ihrer Anrainer beigetragen haben, an eben dieser nun ihr Urteil empfingen.

http://www.nuernberginfos.de/strassen-plaetze-nuernberg/fuerther-strasse-nuernberg.html


ps
...vielen Dank an alle, die bis hier tapfer mitgelesen haben - hatte mit mehr Desinteresse gerechnet:rolleyes:
Ist halt doch trockener als "mein Fang des Tages"...
 
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...vielen Dank an alle, die hier tapfer mitgelesen haben - hatte mit mehr Desinteresse gerechnet:rolleyes:
Ist halt doch trockener als "mein Fang des Tages"...

Naja, ich wohne zwar seit '91 in Nürnberg bin aber kein Eingeborener. Insofern kannte ich ausser dem Hercules-Werk in der Nopitschstraße keine der alten Fertigungsstätten. Viele Firmen waren mir auch lediglich von den motorisierten Zweirädern her bekannt. Weil ich diese Zeilen hier in der Äußeren Sulzbacher Straße in die Tastatur klopfe. Wo genau war denn das Victoria-Werk in der Ludwig-Feuerbach-Straße angesiedelt?
 
Victoria-Fahrradwerke AG:
Ludwig-Feuerbach-Str. 53

Victoria-Velodrom:
1. Eingang
Ludwig-Feuerbach-Str. 64
2. Eingang über
Sulzbacher-Str.
 
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...Ergänzung zu Victoria:
Die Werksmannschaft hatte, wenn auch dezimiert, bis 1941 bestand.
Hier ein Werbeblatt von 1939 mit Tour-Teilnehmer Willi Kutschbach, dem ein Victoria Radmodell gewidmet wurde:
 
Ich habe mit seeeehr viel Interesse Deinen Bericht gelesen. Warum?

Ich wuchs in den 70ern in der Raabstraße in Nürnberg auf. Die ist eine Querstrasse der Fürther und teilt die ehemaligen Betriebsgelände von TA und AEG, ein Teil der Fahrradstraße kreuzt in der Mitte.
Zu vielen der Orte hab ich eine Beziehung, zur Schule musste ich an TA, AEG und Quelle vorbei in die Wandererschule, mein Opa arbeitete bei einem Autoteilehändler in der Fürther Straße, der in der ehemaligen Celluloidwarenfabrik (wie ich jetzt weiss) ansässig war, meine Mutter arbeitete in der Verwaltung des damals größten Gebäudereinigers in der Knauerstrasse hinter dem Plärrer, die Firma Quelle hatte in einem alten Backsteingebäude neben dem bekannten Warenhaus einen Zweite-Wahl-Verkauf ("Quelle-Basar"), auf dem jetzt das Ladenzentrum steht.
Was mich aber wirklich am meisten umhaut: mit einigen Schulfreunden stromerten wir damals in der Matthiasstrasse herum, weil uns dort ein altes heruntergekommenes Haus interessierte. Irgendwo fanden wir dann ein Loch im umgebenden Zaun und wir haben uns hinein getraut. Was mir von damals noch in Erinnerung blieb, waren zwei offene Tresore und die Davidsterne in den Fenstergittern. Bis eben war mir nicht bekannt, dass es sich wohl um ein Gebäude der alten Mars Radwerke gehandelt hat.
 
Victoria-Velodrom:
1. Eingang
Ludwig-Feuerbach-Str. 64
2.Eingang
Sulzbacher-Str. 2

Laut Google Maps passen die Hausnummern nicht wirklich zusammen. Vielleicht “Äussere Sulzbacher Straße 2“? Das wäre dann zumindest nicht ganz so weit ab. Der Block mit L.Feuerbach 64 ist der, bei dem ich zu Fuß zum Supermarkt rechts vorbeigehe, mit dem Rad fahre ich meistens links herum.

Meine erste “Radliebe“ war ein Victoria, Hand-me-down von meinem Vater, 55er Torpedo, Alufelgen und, wie mir erst Jahre später klar wurde, ein Design das im Neuzustand schon extrem Retro gewesen sein muss (schwarz mit vielen Ornamenten in Gold und Türkis, also eher Vorkriegsstil). Leider komplett heruntergerockt, bis hin zum verbogenen Rahmen. Soweit ich weiss wurde die Marke Victoria aber schon in den 50er Jahren nur noch für Fahrräder aus norddeutscher Produktion verwendet?
 
Punkt 14.,
The Premier Cycle Co. Ltd. ansässig heute Fahrradstraße! 88 (neben den Triumph Fahrradwerken)
http://www.vintage-bicycles.de/österreich-k-u-k/premier/
Niederlassung gegr. 1888
Wir sind immer noch in Nürnberg Doos, in Sichtweite der Fürther Straße vor den Resten der größten Fahhradfabrik der Stadt.
Um den Markt außerhalb von Großbritanien besser bedienen zu können, baute die Fa. aus Coventry mit einer Mischung aus unternehmerischen Kalkül und einer guten Portion Selbstverständnis ihre Niederlassung in direkter Konkurrenz zu Express, Hercules, Victoria und Mars.

Für technisch Interessierte sind vielleicht die hier verwendeten gerollten Helical-Rohre für den Rahmenbau (siehe Link) anmerkenswert:
http://dingler.culture.hu-berlin.de/article/pj298/ar298024
...hier als Ergänzung noch ein Scan über die patentierten Helical-Rohre von Premier:

Welch eine Technologie vor 120 Jahren - Hut ab!

So ein Renner aus der Zeit geht mir noch ab...

Halbrenner 12,5kg
Renner 10kg
 
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