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Der längste Tag

huebrator

Long Leg
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Sodele, es ist geschafft.
Bei bestem Wetter bin ich am Samstag als Nonstop-Tour aus dem Nordschwarzwald nach Sachsen-Anhalt bis kurz vor Magdeburg gestartet. Insgesamt sind 519 km mit circa 4000 Strava Höhenmetern sowie 22 Stunden Fahrzeit und 28,5 Gesamtzeit zusammen gekommen. Mit dabei eine Polizeikotrolle und zweimal montieren wegen "eigentlicher Dummheit". Aber geil war es, mein Abenteuer für dieses Jahr. Auch körperlich ging es ganz gut. Das Sitzfleisch hat gehalten - obwohl man es irgendwann doch ganz gut merkt, nur der kleine Finger der rechten Hand kribbelt noch etwas und ist motorisch noch nicht wieder zu gebrauchen.

Die Highlights Im Einzelnen:
Die Strecke führte vom Nordschwarzwald über Heilbronn sowie Würzburg bis in den Thüringer Wald nebst Rennsteig, dann übers Harzer Vorland nach Sachsen-Anhalt. Nach Heilbronn kommt man zügig nur über etwas B27 rein. Ein Baulaster mit einem Tieflader war irgendwie unsicher und wollte mich nicht überholen, so ist er halt auch bei den kleinen Anstiegen hinter mir geblieben, was wiederum am Samstagvormittag etwas Autoschlange verursacht hat. Irgendwann hat er sich dann getraut und die nachfolgenden Autofahrer haben mich natürlich dafür verantwortlich gemacht und mich teilweise mit Hupen oder irgendwelchen Sätzen begrüßt. Mir doch wurscht, ich hatte ja zu diesem Zeitpunkt noch so 450 km vor mir. Kurz darauf in Heilbronn zog mich dann die blausilberne Straßenwacht raus, es hätten sich Autofahrer über einen Radfahrer beschwert, welcher mitten auf der B27 gefahren wäre. Schöne Arschlöcher dachte ich bei mir und meinte den Autofahrer, welcher wohl bei der Straßenwacht angerufen hat. Ich konnte den Sachverhalt zum Glück schnell aufklären und die beiden Herren in blau von meiner Nüchternheit überzeugen.Danach plauschten wir etwas, wo geht es denn hin und so weiter. Ich sagte ich wolle bis kurz vor Madgeburg rauf, die Herren fragten nach der Übernachtung. Als ich sagte ich übernachte nicht, fragten sie mich ob ich das professionell machen würde. Ich verneinte. Zum Abschluß wünschten sie mir gute Weiterfahrt und °passen sie auf sich auf".
Dann ging es weiter Richtung Würzburg, die Strecke hatte ich mir bei irgendeiner Rundfahrt abgeschaut und kann sie nur weiterempfehlen. Schöne gute Nebenstrassen, kleine Orte und teilweise super Radwege mitten durch die Natur.
Nun kam Würzburg. Ich kannte die B19 aus Durchfahrten mit dem Auto und wollte diese unbedingt meiden. Ergebnis war eine Eierei hoch und runter über viele kleine Strassen in den Wohngebieten. Am Ende aber OK.
Später weiter über die ruhige B19 nach Neustadt an der Saale. Die B19 war u.a. wegen der vielen gesperrten Ortsdurchfahrten ruhig, welche mit dem Rad aber doch zu passieren waren. Ich habe es genossen. Bei Werneck/Schweinfurt habe ich mir ganz ohne Reue einen Chickenburger als Abendbrot gegönnt, dazu gab es eine zuckereiche Cola.
Danach gings weiter in den Abend hinein und die Abkühlung kam mir merklich entgegen. In Münnerstadt habe ich dann meine Arm- und Beinlinge herausgeholt und mir die zusätzliche Lampe an den Helm gesteckt, um auf die Nacht vorbereitet zu sein.
Später in irgendeinem kleinen Dörfchen bei Meiningen habe ich das "Nachtzeug" (Armlinge, Beinlinge, Laufhandschuhe unter die Radhandschuhe) angezogen. Parallel lief wohl gerade das Elfmeterschießen im Pokal und man konnte deutlich feststellen, zu welcher Fangemeinde der kleine Ort in Thüringen gehörte, schwarzgelb war es nicht.
Es ging nun in die Nacht und ab 23:00 Uhr ist man Samstags auf Thüringens Nebenstrassen allein. Großartig. So 15 Kilometer vor dem Rennsteig und um Mitternacht rum hat mich eine Zivilstreife aus der radfahrenden Meditation gerissen, welche kurz hinter mir das Signalhorn und Blaulicht eingeschaltet hat, um mich dann mit Vollgas zu überholen.
Vor dem Anstieg zum Rennsteig (300 Hm auf 7 km) hatte ich mir eine Stärkungspause an einer Tanke vorgenommen, um Mitternacht schmecken sonst lasche Tankstellenwürstchen irgendwie großartig. Denkste alles zu und tote Hose. Also ein kaltes Dinner mit - wiedermal - Riegel und Isodrink aus der Trinkflasche. Jetzt wurde mir richtig kalt. Prima Mischung aus Kälte - der Thüringer Wald bei Oberhof ist eine kalte Ecke - sowie etwas Erschöpfung. Die Tankenwurst mit Kaffee fehlte halt.
Also dann gleich die Regenjacke mit drüber, welche ich mir eigentlich für so gegen 3 Uhr aufhebe und dann rauf auf den Berg. Nun war die Jacke wieder zu viel, aber nach dem Rennsteig kommen 27 km reine Abfahrt bis nach Arnstadt, da wurde es schon wieder frisch. Den Berg hoch dachte ich es nieselt oder so, es waren aber einfach megaviele Pollen der Nadelgehölze, welche durch die Nachtluft schwirrten. Derart habe ich das noch nicht erlebt. Oben angekommen Erleichterung, die nächsten 5 Stunden gibt es keine wirklichen Berge mehr.
Die Abfahrt vom Rennsteig führt über eine super Waldautobahn mitten durch den Wald, für Autos gesprerrt. Tagsüber habe ich das mal als Sturzfahrt gemacht, jetzt nachts bin ich mit ganz wachen Augen und Ohren gefahren. Es war furzdunkel und rechts und links raschelte es, ich wollte auch nicht durch ein Getier vom Rad geholt werden.
Nun die Sehnsucht auf Arnstadt. Arnstadt muss so groß sein, dass wenigstens eine Tanke gegen 2 Uhr offen ist. Glück gehabt, eine Freie hatte offen. Ich fragte die junge Dame, ob ich was warmes zum Essen und einen großen Pott Kaffee bekomme und durfte sogar in die Tanke kommen, welche wohl der Sicherheit wegen um die Uhrzeit nur über den Nachtschalter bedient wird. Es gab zwar keine Würstchen aber ein frisch aufgebackenes Fleischkloppsbrötchen. Habe ich im Übrigen erwähnt, wie geil Fleischkloppsbrötchen jetzt schmecken können?
Frisch gestärkt und erwärmt ging es auf nach Erfurt. Erfurt habe ich mit dem Rennrad mal quer durch die Innenstadt gemacht, Kopfsteinpflaster mit Rillen, welche sogar MTB-Reifen verschlucken können. Diesmal andere Strecke und die lehre Stadt war am sehr frühen Sonntagmogen voll OK.
Mittlerweile fitschelte - nach 350 km - die Kette etwas und die Magendarmflora meldete sich auch. Also wieder am Ortsausgang eine Tanke angesteuert und sowohl die Kette als auch das Sitzfleisch frisch eingeölt sowie Darmflora erledigt und auch gleich die Helmlampe wieder verstaut, der Morgen nahte.
Hinter Erfurt ging es dann über Flachland in den Sonnenaufgang hinein, ein ganz intensives Naturerlebnis. Roter Sonnenaufgang, leere Strassen und viele Vögel, welche sich den Tag zurückeroberten.
Mit der Sonne kam auch die Kraft wieder, da gingen auf einmal wieder 5 km/h mehr. Gegen 8 Uhr waren es dann keine 100 km mehr, die Sonne stand schon wieder kräftig am Horizont, also dann die "Nachtwäsche" wieder aus und auf zum Schlußsprint. Bisher ist ja alles supi gelaufen.
Hinter Sangerhausen gibt es einen allerletzen Aufstieg, welchen ich als Radler nicht mag. Nicht wegen der Höhenmeter, mehr wegen der motorisierten Verkehrsteilnehmer, welche die breiten Fahrspuren den Berg herauf als eine Art Rennstrecke nutzen und ich mich da nicht wirklich gut zwischen fühle. Ich hatte mir dafür eine andere Strecke ausgetüftelt, Strava sei Dank.
Also rechts ab und schön ruhig eine kleine Straße durch den Wald herauf in einen kleinen Ort. Die Straße wurde kleiner und ging rauf auf ein altes Schloß. Der Belag war mittlerweile übelstes Kopfsteinplaster aus dem "16. Jahrhundert", die Steigung bei 10%. Kein Problem, 60 km vor dem Ziel tritt man jede Steigung weg. Das Kopfsteinplaster war dann auch weg und wurde durch Schotter abgelöst - Strava hat das als Rennradtauglich ausgewiesen - nur die weiterhin 10% Steigung haben sich nicht mit Schotter und meinem Hinterreifen vertragen. Paff, mein Fehler und Plattfuß. Also runter vom Rad und egal, muss ich halt mal einen Schlauch wechseln. Klarer Seitencut, wie ich ihn selbst noch nicht hatte. Alles wieder zusammen und Luft drauf, ich hatte einen neuen Schlauch in den erst 14 Tage alten Conti 4000 S2 gezogen. Dann nochmals nachgeschaut und schön dabei zugesehen, wie sich in circa weiteren 5 Sekunden ein kleiner Pickel vom Schlauch durch den Cut bohrt, wieder paff. Also nochmals Rad raus, den zweiten Ersatzschlauch raus und auch den Ersatzreifen drauf. Einen Schlauch mit Loch sowie meinen Reifen mit dem Cut habe ich gleich am "Unglücksort" gelassen, weil ich es nicht mehr sorfältig in die Apidura Sattelasche bekommen habe. Ich habe alles auf eine Mauer abgelegt und entschuldige mich dafür, eigentlich nehme ich meinen Müll immer mit.
1, 5 Stunden später und bei jetzt wieder voller Hitze ging es dann endlich weiter und ja auf die alte Strecke, die ungeliebte B86 zurück.
So 30 bis 40 km vor dem Ziel kamen die Endorphine wieder und auch ein bisschen Rückenwind, so ging es mit über 30 km/h dem Ziel entgegen. Auf den letzen Metern vor dem Ziel fühlte ich mich wie ein Ausreißer aus dem Peloton kurz vor dem triumphalen Sieg. Sonntagmittag war es denn soweit die Familie wartete schon vorm Haus, um mich zu erwarten.
Es war ein schöner langer Tag, viel Natur und ein großes Abenteuer für einen Ausdauerjunkie.
Nun überlege ich, was ich als nächstes anstellen werde, kann aber auch erst in 2017 werden.

Strava CW BBG.JPG
Strava Karte.JPG
 
Zuletzt bearbeitet:
Großes Kino:daumen: Und sehr schön geschrieben. Wird sicherlich nicht Dein letztes Projekt in der Art bleiben.
 
Na hörmal! Ist doch sehr aufgeräumt dort. :D

Aber irgendwas hab ich nicht verstanden: Du warst schon in Würzburg, und dann wieder runter nach Sch(w)äbisch Hall?
raetsel.gif

Du hast völlig recht. Es war schon spät, als ich meinen Artikel verfasst habe. Schweinfurt war es natürlich, der Beitrag wird sofort korrigiert. Danke für den Hinweis.
 
Toller Bericht. Das macht Lust!
Ich bin ein paar Tage vorher fast die selbe Strecke gefahren (Stuttgart-Würzburg-Schweinfurt-Illmenau-Wittenberg-Berlin). Allerdings mit Übernachtung, aber in drei Tagen. So eine Non-Stop-Tour habe ich mich bisher noch nicht getraut..
 
Respekt. Krasse Fahrt und beeindrucken, dass du einfach die Nacht durchgefahren bist (auch ohne Kollision.)

Da kommt mir mein Projekt (200km in die alte Heimat) ja lächerlich vor....:oops:
 
ich würd's mir gerne durchlesen

aber so ganz ohne Absätze, alles in einer Wurst geschrieben ist mir das einfach zu mühsam ... schade :(

trotzdem Reschpeckt vor der Leistung :daumen:
 
ich würd's mir gerne durchlesen

aber so ganz ohne Absätze, alles in einer Wurst geschrieben ist mir das einfach zu mühsam ... schade :(

trotzdem Reschpeckt vor der Leistung :daumen:
Na dann mach ich für dich auch Absätze rein, damit auch Corsianer das lesen können. :D
 
ich würd's mir gerne durchlesen

aber so ganz ohne Absätze, alles in einer Wurst geschrieben ist mir das einfach zu mühsam ... schade :(

trotzdem Reschpeckt vor der Leistung :daumen:
Wenn du dir ein bisschen mühe gibst dann schaffst du es ;)

Es wäre schade nur wegen diesem kleinen Schwachpunkt auf den Bericht zu verzichten.
 
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