Was für ein Tag! Frühling im Kopf, Rückenwind in den Beinen. Und dann zum Abschluss die Begegnung, die meiner heutigen Runde den Stempel aufdrückt.
Da führt mich also meine Tour gegen Ende durch eine Stadt. Und ich merke, wie es mich bald zunehmend nervt. Der Autoverkehr. Ein holpriger gepflasterter Radweg. Die enge Bebauung. Seitenstraßen, aus denen jeden Augenblick doch noch jemand einbiegen könnte. Ich kenne die Ampelschaltungen nicht. Immer wieder eine rote Ampel, die mich zum Anhalten zwingt, wenn ich gerade beschleunigt habe und in Schwung bin. Der Rhythmus ist weg, das geschmeidige Rollen dahin. Und das gerade jetzt, wo ich eigentlich so herrlichen Rückenwind habe. Mir geht durch den Kopf, wie ich denn auf diese blöde Idee gekommen bin, hier durchzufahren. Demnächst werde ich soetwas vermeiden.
Denn davor war ich so entspannt auf kleinen Landstraßen und asphaltierten Wirtschaftswegen unterwegs gewesen. Hin und wieder eine kleine Ortschaft, durch die man völlig unaufgeregt einfach durchrollt. Ansonsten Wälder, große Hochflächen mit Weitsicht und Lerchengesang über den weiten Ackerflächen des Tieflandes. Darüber blauer Himmel und eine zunehmend kräftiger wärmende Frühlingssonne. Drei Stunden lang. Einfach wunderbar.
Und jetzt? Schnell durch. Ich freue mich darauf, die Stadt bald wieder zu verlassen und fahre bis dahin unfreiwillig Ampelsprints. An einer größeren Kreuzung biege ich rechts ab. Den benutzungspflichtigen Radweg, der hier beginnt, ignoriere ich, weil er mir auf den ersten Blick unsympathisch erscheint. Stark sandig. Unmittelbar daneben zieht sich eine Baustelle mit einer hohen Absperrung entlang. Eng. Wie ich hier auf der Straße schleunig entlangrolle, merke ich, dass es eine wirklich gute Entscheidung war. Dann kommt wieder eine rote Ampel. Ich halte an und warte.
Von hinten rollt neben mich ein Auto heran. Aus dem Augenwinkel bekomme ich mit, wie der Fahrer aus dem offenen Beifahrerfenster anfängt, auf mich energisch einzureden. Innerlich rolle ich schon mit den Augen. Natürlich wird es nichts daran ändern, dass ich den Radweg nicht benutzt habe und auch davon überzeugt bin, dass dieser eine Zumutung ist. Aber was ist das?
Neben mir steht ein alter, silberfarbener Kleinwagen. Der Fahrer mit zerzausten weißgrauen Haaren beginnt zu reden und ich weiß nicht, ob er es ist, der redet, oder seine beiden Hände und Arme, mit denen er in der Fahrkabine gestikuliert. Ich brauche einen kurzen Augenblick, um zu verstehen, dass es nicht darum geht, dass ich den Radweg nicht benutzt hätte. Im Gegenteil. Er lebt gerade eben die grenzenlose Begeisterung, wie es nur ein echter Italiener kann: "Meine Gott-e. Wie-e schnelle Du-e bist-e."
Er strahlt mich an. "Gerade. Ich-e überhole dich-e. Du überholst-e mich-e. Ich wieder überhole dich-e. Du wieder überholst-e mich-e." Er sitzt da mit seinen zerzausten Haaren in seinem kleinen alten silbernen Auto und strahlt mich an. Ein wahrer Radsportenthusiast. Es ist so weit: Ich habe meinen ersten Fan.
Die Rotphase ist gerade lang genug, um es mit Frühling und Rückenwind zu erklären. Als es grün wird, hupt er kurz zum Abschied und ich winke ihm zurück.
Die nächste rote Ampel lässt nicht lange auf sich warten. Ich rolle rechts auf dem Radstreifen an den Autos vorbei bis an die Ampel. Als bei grün irgendwann die Blechkolonne langsam an mir vorbeizieht, hupt es zweimal kurz. Der kleine alte silberne Wagen mit meinem Fan. Ich winke zurück.
An der nächsten Kreuzung ordne mich links ein zum Abbiegen und rolle an der Autokolonne vorbei. Während ich links abbiege, merke ich: Ein Straße zu früh. Also die nächste rechts, danach wieder nach links auf die autofreie Straße. Das ist sie, meine Straße ins Glück. Gleich bin ich raus aus der Stadt. Während ich mich auf das kleine Sträßchen freue, das sich hinter dem Stadtschild mit einer leichten stetigen Steigung in den Wald hinein schlängelt, fährt noch ein letztes Mal der kleine silberne Wagen an mir vorbei und hupt zweimal kurz. Ich winke zurück und ich freue mich dann doch, dass ich heute hier durch die Stadt gefahren bin.