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Neue Vorschläge zur Attraktivitätssteigerung des Profi-Radsports

Bradley Wiggins schrieb in seinem Buch, dass er 2012 häufig lieber trainierte als Rennen zu fahren, weil ihm die Intensität in den Rennen zu niedrig war. Ich meine er nennt dazu eine Zahl von etwa 180 Watt, die er im Mittel über eine Flachetappe gekurbelt hat (bei höheren Belastungen natürlich am Anfang und Ende der Etappe): Bei Wiggins FTP, die über 400 gelegen haben dürfte, sprechen wir hier über (Durchschnitts-)Leistungen im unteren Recom-Bereich.

Klar scheint mir auf jeden Fall, dass sich durch den ja schon zu sehenden Trend zur Etappenverkürzung der Sport und seine Protagonisten verändern. Mir fällt in dem Zusammenhang auf, dass die Fahrer heute immer häufiger wie Windhunde aussehen - kein Vergleich zu Fahrern wie z.B. Merckx, Hinault, Riis, Ullrich, Armstrong...
 
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Dazu fehlt es, zumindest aus deutscher Sicht, eben auch an einem Aushängeschild. Bevor Jan Ullrich 1997 die Tour gewonnen hatte war, soweit ich weiß, das Interesse am Radsport auch eher mäßig. Das hat sich dann schlagartig geändert, bis eben Mitte der 00er das Thema Doping so sehr in den öffentlichen Fokus gerückt ist - Jan Ullrich war dann weg und seitdem ist die Attraktivität wieder abgeflaut.

Es gab fünf große Radsportwellen in Deutschland: Anfang der 1930er Jahre mit Erich Bautz und Kurt Stöpel, Stöpel wurde immerhin zweiter bei der TdF. In der Folge bemächtigten sich die Nazis des Booms mit Landesrundfahrten über mehr als 5000 km und solchem Irrsinn.

Leider blieb der Straßenweltmeister-Titel von Heinz Müller 1952 ohne große Öffentlichkeitswirkung.

In den 1960ern dann ein großer Boom mit Rudi Altig an der Spitze, Fahrer wie Kunde, Junkermann und Wolfshohl trugen auch dazu bei. Im Westen.

Der Osten hatte einen Täve Schur, wohl heute noch der beliebteste Sportler der ehemaligen DDR überhaupt.

1977 gab es dann Hype um Didi Thurau, der mindestens so groß war wie der um Jan Ullrich 20 Jahre später.

Die Deutschen brauchen halt immer irgendwelche nationalen (!) "Helden", das Beispiel Skispringen (Schmidt, Hannawald) wurde genannt, im Tennis war's so (Becker, Graf, Stich), man kann vom Schwimmen bis zur Formel-1 weitermachen, das führt hin bis zu mediengepeitschten Massenhysterien, eine echte Begeisterung für eine Sportart kann ich daran nicht erkennen.

Gut, es gibt derzeit keinen Radsportler mit deutschem Paß, der eine GT gewinnen könnte. Aber es gibt eine Generation mit Kittel, Greipel, Degenkolb und Martin, die ganz außerordentliches leistet. Das wird in den Medien weitgehend ignoriert, und daß Radsport nicht nur aus einem TdF-Sieg besteht, ist auch noch nicht in den Köpfen der Öffentlichkeit angekommen. Und wird es auch nicht, Deutschland ist eben kein Radsportland.

Grüße

Thomas
 
Klar scheint mir auf jeden Fall, dass sich durch den ja schon zu sehenden Trend zur Etappenverkürzung der Sport und seine Protagonisten verändern. Mir fällt in dem Zusammenhang auf, dass die Fahrer heute immer häufiger wie Windhunde aussehen - kein Vergleich zu Fahrern wie z.B. Merckx, Hinault, Riis, Ullrich, Armstrong...

Das ist sicherlich richtig, liegt aber wohl weniger an den kürzeren Etappen, sondern an der Rennzeit im Sattel überhaupt. Vor dreißig Jahren hatten die Fahrer noch 135 oder mehr Renntage im Jahr - bei längeren Rennen. Heute noch ein paar Dutzend Tage im Jahr. Die sind früher noch wirklich um Prämien gefahren, da waren die Profiverträge noch vergleichsweise lächerlich dotiert. Da brauchte man schon etwas mehr Substanz am Körper. Wenngleich da mancher, auch ein Merckx, am Saisonende ziemlich ausgemergelt aussah.
 
Finde den Vorschlag 5 wirklich gut, das Rotationsprinzip.
"Aber Befürworter wie Manager-Fuchs Guimard sehen den Schlüssel in Veränderungen von Jahr zu Jahr. Als Beleg führt Guimard an, dass die Einführung des Anstiegs Côte de la Roche aux Faucons bei Lüttich-Bastogne-Lüttich im ersten Jahr (2009) eine rennentscheidende Rolle spielte, dieser Effekt im zweiten und dritten Jahr dann aber stetig nachließ. Veränderungen dieser Art seien daher nach dem Rotationsprinzip anzuwenden, damit sich Teams und Fahrer taktisch nicht zu sehr darauf einstellen können. Statt „immer höher, immer steiler“ lautet die Maxime gewissermaßen „öfter mal was Neues“." Quelle: http://www.radsport-news.com/sport/sportnews_90397.htm

Eine pure Verkürzung der Etappen/Rennen würde nicht soviel bewirken. Bei den heutigen Möglichkeiten können Teams ihre Sportler sehr gut auf eine Gesamtsituation einstellen. Ändern sich aber häufiger die Voraussetzungen im Rennen, wird das schwerer.
 
Man könnte auch Prämien und UCI-Punkte Jahr für Jahr nach dem Zufallsprinzip über irgendwelche Kirchturmrennen verteilen. Dann hätte man beides, kurze, actionreiche Strecken und jedes Jahr einen völlig neuen, unvorhersehbaren Rennkalender. Einer handvoll Tabellenwälzer würde das wahrscheinlich sogar gefallen, aber der durchschnittliche Hobby- oder Sofasportler würde gar nicht erst anfangen, sich dafür zu interessieren.
 
Abgesehen vom Fußball ist in Mitteleuropa eben alles mehr oder weniger nur Randsportart, die eben nur eine gewisse Randgruppe ansprechen. Das Interesse der Massen (und die damit einhergehende gesteigerte Attraktivität) wird eben nur dann geweckt, wenn eben ein Jan Ullrich ganz vorne um den Sieg mitfährt.

Deutschland ist die einzige Nation Mitteleuropas wo Radsport eine Randsportart ist


(Auch wenn uns etwas anderes vermittelt wird, ist Deutschland nicht Mitteleuropa) ;)
 
Man könnte auch Prämien und UCI-Punkte Jahr für Jahr nach dem Zufallsprinzip über irgendwelche Kirchturmrennen verteilen. Dann hätte man beides, kurze, actionreiche Strecken und jedes Jahr einen völlig neuen, unvorhersehbaren Rennkalender. Einer handvoll Tabellenwälzer würde das wahrscheinlich sogar gefallen, aber der durchschnittliche Hobby- oder Sofasportler würde gar nicht erst anfangen, sich dafür zu interessieren.
Man kann auch immer labern und jeden Vorschlag erst einmal schlecht machen :cool:
 
Man kann auch immer labern und jeden Vorschlag erst einmal schlecht machen :cool:
Oder labern und alles etablierte schlecht machen? Es gibt ja durchaus auch sinnvolle Vorschläge. Funk abschaffen und vielleicht auch die Messtechnik, das kann sehr sinnvolles Feintuning sein, Korrekturen aktueller Fehlentwicklungen, wenn man so will. Aber die Verkürzungsvorschläge beruhen auf der Hoffnung, den Straßenradsport zu etwas machen zu können was er nie sein wird. Aktionismus ohne Erfolgsaussichten. Dummerweise wird Aktionismus bei Erfolgslosigkeit selten gestoppt, denn dazu müsste man dann Fehler eingestehen, eher kommt da die Trotzreaktion: "wir haben die Strecken halbiert, aber die Entscheidung findet immer noch auf der Ziellinie statt? Dann haben wir wohl noch nicht genug verkürzt!"
 
Eine pure Verkürzung der Etappen/Rennen würde nicht soviel bewirken. Bei den heutigen Möglichkeiten können Teams ihre Sportler sehr gut auf eine Gesamtsituation einstellen. Ändern sich aber häufiger die Voraussetzungen im Rennen, wird das schwerer.

Die Kürzung von Strecken halte ich auch nicht für den Erfolgsfaktor. Hatte ich bei meinem Beitrag auch bereits genannt. Auch würde es den "Mythos" der von sehr vielen von uns geliebten Klassiker und Halbklassiker zerstören.
Die Strecken aber mehr zu variieren, ist schon ne gute Idee. Flandern mal mit und ohne Muur oder bei der Lombardei Rundfahrt nicht jedes mal an der Madonna di Ghisallo vorbei zu fahren, sondern die Strecke auch um den Comer See kreativer zu gestalten.
Zeitfahrkilometer bei den GTs Bergankünfte usw... und warum nicht auch mal wieder Funkverbot. Funk nur durch Rennleitung zum anzeigen von Gefahrenstellen.
 
Cooksen ist übrigens Kürzungen gegenüber offen.

"Wir wollen einen besseren Sport, in dem die besten Fahrer in den besten Rennen gegeneinander fahren. Mit den derzeitigen 3-wöchigen Landesrundfahrten ist das aber unmöglich. Wir haben zuviele Rennen und zuviele Renntage im Kalender, was einer großen Finanzierung bedarf. Wir suchen nach passenden Lösungen."

"Wichtig ist, dass die Teams stärker und die Rennen größer sind [als früher?] etc. Daher sind wir verpflichtet woanders zu schauen. Wir müssen die Herkunft des Radsports, die in Europa ist, im Kopf behalten, aber wir müssen neue Möglichkeiten für Teams und Fahrer suchen.".


Wenn ich das richtig verstehe, verstehe ich es nicht :D.

Zuerst sagt er, dass es zuviele Rennen gibt, dann will er zusätzlich in Asien und Amerika verstärkt rumgurken (lassen). Damit das möglich wird, dann die Grand Tours auf 2 Wochen reduzieren. Was soll das...!?
 
...auch für mich liegt DIE Quelle der Langeweile (na gut nicht immer, aber immer öfter) im Funk und SRM. Das sind zwei Sachen - wenn man sie denn verbieten würde - die enorme Steigerung der Spannung mit sich bringen würden. Der Renninstinkt der einzelnen Fahrer wäre wieder viel mehr gefragt. Mich erinnert Radrennen immer mehr an die Formel 1. Rennen werden nur über die Box gewonnen, hier oft über die Teamwagen, bzw. sportlichen Leiter die genaue Anleitungen geben, mit Sicherheit auch mittels Software die eine Marschrichtung ausspuckt um am Ende eine Punktlandung zu erzielen (Zusammenschluss des Feldes mit den Ausreißern nach dem "Teufelslappen").
Ziemlich leicht umsetzbar gepaart mit großer Wirkung!
Dass die meisten Teamleiter und auch Fahrer nicht davon begeistert sind ist klar....getreu dem Motto, warum schwer wenns viel bequemer sein kann.
 
Funkverbot und nur 6 Mann je Team gab es übrigens 2014 bei der Großbritannien-Rundfahrt, die unter http://www.radsport-seite.de/britain-2014.html sehr positiv bewertet wurde:

"Dylan van Baarle (Garmin) wurde Gesamtsieger einer abwechslungsreichen Großbritannien-Rundfahrt 2014. Erfolgreiche Ausreißergruppe und viele Umstürze an der Spitze der Gesamtwertung waren Beleg für die Attraktivität der Strecke und die Motivation der Fahrer sowie Werbung für Rennen mit 6-Mann-Teams ohne Funk."
 
Für mich sind die Rennen der letzten Jahre keineswegs langweilig und ich sehe auch keinen akuten Handlungsbedarf, den Sport durch umfassende Regeländerungen attraktiver zu machen. Dafür, das z.B. Funk oder Einsatz von SRMs einen signifikanten Einfluss auf den Rennverlauf hätte, gibt es auch keinen nachvollziehbaren Belege.

Dass die Sponsoren nicht mehr so Schlange stehen wie früher ist in erster Linie der wirtschaftlichen Misere in vielen der traditionellen Radsportländer und in zweiter Linie dem Glaubwürdigkeitsproblem des Profiradsports durch Doping anzulasten, und nicht der fehlenden Attraktivität der Rennen.

Für meine Begriffe wurde in den letzten 15 Jahren schon viel zu viel herumgedoktert an den Rennen und dem Kalender, der unrühmliche Höhepunkt ist die nächste Tour de France mit ihrem lächerlich wenigen Zeitfahrkilometern. Auch das Herumgebastele am Kalender mit der Aufnahme von Rennen wie der Peking-Rundfahrt in die World Tour (die zum Glück wieder rausfliegt) sind kein Ruhmesblatt für die UCI. Und dass man z.B. das Amstel Gold Race im Laufe der letzten 2 Jahrzehnte immer anspruchsvoller gemacht hat, so dass dort heute praktisch der selbe Fahrertypus dominiert, der auch bei L-B-L und dem Wallonischen Pfeil vorne dabei ist, finde ich völlig überflüssig.


Natürlich muss sich ein Sport weiterentwickeln, aber das muss mit Augenmaß gemacht werden, sowohl was Strecken, Regeln und Wettbewerbsformen angeht aber auch was Restriktionen bei der Technik betrifft. Das wiederauflebende Interesse am Stundenweltrekord nachdem man wieder Zeitfahrräder erlaubt hat, zeigt für meine Begriffe, dass der Einsatz neuer Techniken, wenn er mit Augenmaß erfolgt, dem Sport sehr gut tun kann.

Die ständige Suche nach mehr Action durch Verkürzung von Rennen etc. zeigt dagegen, dass die UCI ihrem eigenen Produkt nicht traut.

Zuviel Aktionismus schadet dem Standing des Radsport dabei aber mehr als das es nützt, im Fußball oder Handball wird auch nicht alle paar Jahre die Breite des Tores variiert und im Basketball der Korb niedriger oder höher gehängt, damit auch mal andere gewinnen können.
 
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Ich verstehe gar nicht wie zur nachhaltigen Attrativitätssteigerung eine Verkürzung beitragen soll. Warum nicht, zumindest die TdF, verlängern auf 4 Wochen? schöne Cross- oder Naturstraßenpassagen, mehr EZF und MZF (Paarzeitfahren? :D), kleinere Mannschaften, weniger Fahrzeuge, kein Funk, gemeinsame Abendessen.
Wenn heute einer der Topmasthähnchen mal einen Tag vergeigt, ist er doch draussen aus dem GK.
 
Aktuell passend zum Thema: Die Strecke der Flandernrundfahrt 2015 wurde vorgestellt (http://www.cyclingnews.com/news/tour-of-flanders-gets-two-more-climbs)
und ist prompt auch Gegenstand von Diskussionen geworden (http://www.cyclingnews.com/news/harder-tour-of-flanders-course-makes-for-boring-racing-says-lefevere).

2 Zusätzliche Hellinge in der Rennmitte kommen hinzu, das Finale entspricht wohl dem von diesem Jahr.

Fazit: In die Kategorie "öfter mal was Neues" fällt die Flandernrundfahrt 2015 letztlich nicht. Veränderungen im Streckenverlauf sind eher unwesentlich. Allerdings war die Flandernrundfahrt 2014 schon deutlich gegenüber dem Vorjahr modifiziert und insofern eine "Innovation".
 
Und nun hat der Rennkalender wieder eine neue "Attraktion". Die Abu Dhabi Tour ersetzt die Tour of Beijing: http://www.radsport-news.com/sport/sportnews_90820.htm

Damit hat jetzt der arabische Raum immerhin schon seine vierte größere Rundfahrt. Ein merkwürdiger Trend wie ich finde. Alle vier Länder haben (meines Wissens) null Radsporttradition, die Radsportaffinität der einheimischen Bevölkerung hält sich vermutlich auch sehr in Grenzen.
 
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